■ Filmstarts à la carte: Der Antichrist im Supermarkt
Jedes Jahr zur Weihnachtszeit versüßt mir der Gedanke an George A. Romeros meisterhaften Zombiefilm „Dawn of the Dead“ die Shopping-Qual in den völlig überfüllten Konsumpalästen. Warum eine Unzahl der untoten Menschenfresser wohl so ziellos in der riesigen Einkaufspassage herumstolpert? fragt sich einmal einer der Protagonisten des Films, was ihm ein anderer mit dem denkwürdigen Satz beantwortet: „Vielleicht hat es ihnen in ihrem früheren Leben hier so gut gefallen.“
Als der Film Ende der siebziger Jahre die Lichtspieltheater erreichte, reagierte ein Großteil der Kritiker und des Publikums auf die Blutspritzerei des Regisseurs aus Pittsburgh mit Entsetzen. Als wäre der leibhaftige Antichrist persönlich erschienen, galt „Dawn of the Death“ den aufgeklärten Humanisten fortan als Meisterbeispiel eines Kinos exzessiver und sinnloser Gewaltdarstellungen.
Alles Unsinn, denn natürlich ist Romero ein wahrer Autoren- Filmer: Nicht ohne Ironie verbindet er die Elemente des Splatter- Genres mit seiner ganz persönlichen Weltsicht und einem gehörigen Schuß Zivilisationskritik.
Da gibt es beispielsweise die revolutionären Waffenfanatiker, die ihre Jagd auf Zombies als Volksfest gestalten, oder auch die Motorradrocker, die das Einkaufszentrum ausrauben – nur um irgendwann festzustellen, daß die zusammengeramschten Konsumgüter in der völlig aus den Fugen geratenen Welt zu nichts mehr zu gebrauchen sind. Überhaupt kommen weiße männliche Menschen (im Gegensatz zu Frauen und Schwarzen) bei Romero stets außerordentlich schlecht weg: Mit ihrem Macho- Gehabe sind die noch erheblich unsympathischer als die tumben Zombies und müssen deshalb ausnahmslos an ihrer Überheblichkeit zugrunde gehen.
23.7. im Freinachtkino im Podewill
Kürzlich verstarb mit Robert Mitchum einer der ganz Großen des amerikanischen Kinos. Ihm zu Ehren laufen in der Filmbühne am Steinplatz jetzt zwei seiner besten Filme. „The Night of the Hunter“, die einzige Regiearbeit des Schauspielers Charles Laughton, zeigt Mitchum in einer eher ungewöhnlichen Rolle: Im Gegensatz zu seinem Image als cooler, stiller Typ spielt er einen Psychopathen, der seinen Erfolg als falscher Prediger vor allem seiner Beredsamkeit schuldet. Laughton gestaltete „Die Nacht des Jägers“ als alptraumhaftes Märchen voller schwarzer Poesie: Allein eine Einstellung der von Mitchum umgebrachten Shelley Winters, die wie eine Halluzination plötzlich unter Wasser auftaucht und deren langes blondes Haar in einer Strömung zu „flattern“ scheint, ist das Eintrittsgeld wert.
Als Privatdetektiv Jeff Markham in Jacques Tourneurs archetypischem Film noir „Out of the Past“, der dem Mimen seinerzeit bei RKO den Durchbruch brachte, sieht man Mitchum hingegen, wie man ihn kennt und schätzt: bedächtig, fast ein wenig schläfrig und mit einem gerütteltem Maß Zynismus und Fatalismus versehen. „Baby, I don't care“, beantwortet er die Frage der notorischen Lügnerin Kathy (Jane Greer), ob er ihr denn nicht glauben wolle. Mit dieser Einstellung muß der Mann in Hut und Mantel im Netz ihrer tödlichen Intrigen zwangsläufig auf die Straße des Verlierers gelangen.
Lars Penning
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen