Filmstarts à la carte: Ich und meine Magnum
In den siebziger Jahren löste Don Siegels „Dirty Harry“ bei der Kritik eine jener für die Zeit typischen Debatten aus: Reaktionär! Zynisch! Rassistisch! Aufforderung zur Selbstjustiz! häuften sich die Aufrufe der Empörung, weil der fiese Inspektor Harry Callahan aus San Francisco mit gelegentlich etwas fragwürdigen Methoden einen Killer jagt, der mit wahllosen Morden versucht, die Stadt zu erpressen. Dabei hat Harry doch nur seine „Standpunkte“, wie auch der Bürgermeister sogleich bemerkt, der ihn einer Rüge wegen zu sich zitiert, und Harrys aus der Hüfte geschossene Replik „Wenn ein geiles Schwein hinter einer wehrlosen Frau her ist und sie dann vergewaltigen will, schieße ich sofort“ hinnehmen muss. Doch Harrys Zynismus kaschiert nur oberflächlich sein beinhartes Moralverständnis, das nicht von ungefähr an einen alttestamentarischen Rachewestern denken lässt. Zudem bedient sich Don Siegel in „Dirty Harry“ geschickt Clint Eastwoods Image aus den Italo-Western, die ihn berühmt machten: Als Harry beim Kauf eines Hot Dogs zufällig in einen Bankraub verwickelt wird, schlendert er lässig mit seiner 44er Magnum die Straße hinunter und erschießt beiläufig einige Räuber, während er gleichzeitig weiter an seinem Hot Dog kaut. Und natürlich ist die Szene, in der Harry nach getaner Arbeit seine Polizeimarke wegwirft, eine Hommage an Gary Cooper als Sheriff Kane in „High Noon“.
„Dirty Harry“ 10.5. im Filmmuseum Potsdam
Wenn Filmkritiker zu Regisseuren avancieren, muss sich der Zuschauer oft auf massive Zitierwut einstellen. So auch bei Peter Bogdanovich und seiner Komödie „Is‘ was Doc?“, bei der nahezu alles irgendwie geklaut ist: Der Originaltitel „What‘s Up Doc?“ entstammt den Warner-Cartoons mit Bugs Bunny, der Plot (das Leben eines schüchternen Wissenschaftlers wird von einer desorganisierten Power- Frau ins Chaos gestürzt) ist Howard Hawks Klassiker „Leoparden küsst man nicht“ entliehen, und musikalisch (“As Tears Go By“) geht die Reise nach „Casablanca“. Da Bognanovich seine Hommage an die Screwball-Komödie zudem mit reichlich Slapstickeinlagen versehen hat, bleibt es durchweg komisch - auch wenn man die Anspielungen nicht erkennt. Dass sich Ryan O‘Neal seiner komödiantischen Fähigkeiten damals noch recht unsicher war, und Barbra Streisand das ganze Unternehmen wegen des ihrer Ansicht nach kindischen Humors hasste, merkt man dem Film jedenfalls nicht an.
„Is` was Doc?“ 5.5. im Filmtheater am Friedrichshain, 7.5. im Delphi, 8.5. im Thalia Babelsberg
Dass Alfred Hitchcock mit „Das Fenster zum Hof“ eine Studie auch über den Voyeur im Kinozuschauer gedreht hat, wurde oft genug angemerkt. Und die Szene, in der man gemeinsam mit James Stewart ansehen muss, wie Grace Kelly die Wohnung des mutmaßlichen Mörders durchsucht, während dieser langsam nach Hause zurückkehrt, ging als Musterbeispiel für Suspense in die Kinogeschichte ein. Weniger beachtet wird hingegen die Tatsache, dass „Rear Window“ auch einen nicht immer nur amüsanten Kommentar zur Ehe abgibt. Denn während Grace Kelly versucht, den unwilligen James Stewart mit ihren Reizen zu locken (und bei der Mörderhatz triumphierend den Ehering des Opfers als Indiz entdeckt), beobachtet Stewart mit seinem Teleobjektiv im Haus gegenüber ständig Beziehungen in allen Stadien: Da wird eine flotte Tänzerin von den Männern umschwärmt, eine einsame Frau und ein verzweifelter Komponist lernen sich gerade erst kennen, ein jungverheiratetes Paar hat dauernd Sex, ein Ehepaar ohne Kinder verhätschelt statt dessen seinen Hund, und der Mörder hat seine ewig nörgelnde Gattin bereits fein säuberlich zerteilt im Koffer verstaut...
„Das Fenster zum Hof“ 7.5. in der Urania
Lars Penning
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