Filmstarts à la carte: Modernes Ausstattungsmärchen
Die als „Histoire féerique“ bezeichnete Geschichte von „L‘inhumaine“ riss schon die Zeitgenossen des Regisseurs Marcel L‘Herbier nicht gerade zu Begeisterungsstürmen hin: Da mag sich eine gefeierte Sängerin (Georgette Leblanc) erst nicht so recht für einen ihrer vielen Bewunderer entscheiden, und als sie schließlich einen schwedischen Erfinder erhört, wird ein Maharadscha derart sauer, dass er sie umbringt. Woraufhin der Erfinder die Gute im Laboratorium wieder zum Leben erweckt. Nun ja. Was die Kritiker und das Publikum 1924 allerdings weitgehend in Entzücken versetzte, waren die Dekorationen. Die phantastischen Elemente der Handlung boten Gelegenheit für modernste Entwürfe des Architekten Robert Mallet- Stevens, des Malers Fernand Léger sowie der Ausstatter und späteren Regisseure Alberto Cavalcanti und Claude Autant- Lara: zum Beispiel das aus rechteckigen Quadern verschiedener Größe zusammengesetzte Haus der Sängerin, einen im symmetrischen Art-Déco-Stil gestalteten Saal oder auch das futuristische Labor des Erfinders. Zu bewundern im Rahmen der Reihe äFilm und Architekturô.
„L‘inhumaine“ 7.7. im Arsenal
Gleiche Filmreihe, ein anderes Kino: Recht ungewöhnlich für eine Produktion aus den Glanztagen des Hollywood- Studiosytems gestaltet sich King Vidors Film „Ein Mann wie Sprengstoff“ (1949) - eine bizarre Abhandlung über moderne Architektur, Macht und Charakter, Geld und Massenmedien. Und darüber, dass Individualismus noch immer die amerikanischste aller Tugenden ist. Gary Cooper verkörpert einen Architekten namens Howard Roark, der in Anlehnung an Frank Lloyd Wright die verschnörkelten Bauten seiner seiner Konkurrenten, die noch jeden Wolkenkratzer mit dekorativen Säulenportalen verschandeln müssen, zutiefst ablehnt. Leider läßt der Erfolg ob seiner kompromisslos modernen Entwürfe zunächst ziemlich auf sich warten. Als seine Pläne für ein Projekt im sozialen Wohnungsbau ohne sein Wissen verändert werden, kommt es zum Eklat: Roark sprengt die Rohbauten in die Luft (daher der blumige deutsche Titel des Films). Vor Gericht kann er den Geschworenen allerdings einleuchtend erläutern, dass nur seine Art, die Entwürfe in größtmöglicher künstlerischer Freiheit anzugehen, wahrhaft amerikanisch-patriotisch ist. Wer sich hingegen dem Geschmack der Massen beugt, führt die Menschheit in die Sklaverei. Da sollte man nach dem Film zum Beweis eigentlich gleich noch eine Führung durch die Zuckerbäckerbauten der ehemaligen Stalinallee organisieren.
„Ein Mann wie Sprengstoff - The Fountainhead“ 6.7. im Kino in der Brotfabrik
Die Welt ist flach. So flach, dass man bei einer Verfolgungsjagd problemlos einem quergestellten Polizeiwagen entkommen kann, indem man das eigene Auto in die Waagerechte legt und unter zwischen den Reifen der Grünen Minna durchschlüpft. Denn der Bauarbeiter Matt Phlatt lebt mit einer dicken Katze und einem fiesen Fisch in der „Flatworld“, die der Brite Daniel Greaves 1997 in einer Mischung aus Modell- und Zeichentrick entstehen ließ. Flatworld erscheint grau und trist, doch als Matt bei seinen Arbeiten ein Fernsehkabel durchtrennt, geraten er und seine tierischen Freunde plötzlich in die schöne bunte TV-Welt. Dort zappen sie sich durch sämtliche Programme, werden von Hai, Eisbär und Autorennen bedroht und jagen einen Einbrecher, der einer Serie entschlüpft ist. Einsamer Höhepunkt: ein Fernbedienungsduell in Monument Valley. Saukomisch und zu sehen in einem Programm des Zeichentrickfestivals im Filmkunst 66.
„Crazy Cinema - Die total verrückte Welt der Kinoparodien“ (mit „Flatworld“ u.a.) 6.7.-9.7. im Filmkunst 66
Lars Penning
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