Filmpremiere: Der Pflanzer und der Stecher
Der Künstler Ben Wagin machte sich als Baumpate einen Namen, Rolf Eden gilt als der letzte Playboy. Was haben die beiden gemeinsam? Eine Regisseurin meint: mehr, als man denkt.
Rolf Eden kommt zur Tür herein gehüpft, weißer Anzug, weiße Schuhe, lautes "da bin ich", Füße in der Luft, klackernde Schuhsohlen. Früher sei er ja mal Stepper gewesen. Er geht ein paar Schritte übers Parkett der Galerie Schubert, leicht gebeugt, bald 78 Jahre alt, und doch sehr beschwingt. Eden benimmt sich, als hätte gerade jemand den Bühnenvorhang aufgezogen. So macht er das immer. Westberlins ältester Playboy hat an diesem Mittwochabend keine Frau dabei. Da ist er jetzt also. Vernissage. Es geht natürlich um ihn.
In der Ecke steht ein kleiner, stiller Mann im karierten Anzug, lächelt und schaut zwischendurch immer wieder nach unten, auf seine Hände. Sie sind kräftig, schrundig und sehen sauber aus, trotz der dunklen Spuren. Erdhände mit Fingern dick wie Wurzeln. An den Wänden hängen Bilder, die ihn zeigen, glatzköpfig, Gesicht neben Schaufel, hinter Heugabel. Immer wieder der Slogan: Du bist der Baum. Rolf Eden geht auf ihn zu und haut Ben Wagin auf die Schulter.
In der Galerie wird eine Ausstellung über sie eröffnet, zu der auch ein Film gehört: "Der Playboy und der Baumpate". Wagin, der Skulpturen und Fotos macht, vor allem aber Ginkgos pflanzt, über 50.000 bisher. Eden, der Kudamm-Clubs besaß, Häuser besitzt und sich in erster Linie um die "lieben Damen" kümmert. Der eine Künstler, der andere künstlich, mit seltsam straffer Gesichtshaut. Beide sind aber nicht nur fast gleich alt, Jahrgang 1930, sie kennen sich auch eine Weile. Wagin war Stammgast in einem von Edens Clubs. Er saß bei vielen Misswahlen in der Jury. "Es ist eine Männerfreundschaft, ganz einfach", sagt Eden. Über Frauen und Bäume hinweg.
Sie haben sich vor Kameras zwei Tage lang mit Johanna Schicketanz unterhalten, die sonst Film- und Theaterleute für einen ZDF-Kulturkanal sehr intensiv interviewt. 60 Minuten davon werden bis 23. Februar in den Ausstellungsräumen laufen, zwischen Werken von Wagin und Zeitungsausschnitten über Eden. Der erzählt im Film, wie er als Entertainer, als Jazzmusiker durch Bars und Clubs zog, nicht nur Berlin, auch Paris, ganz Europa. Er spielt Saxofon, Akkordeon, Klavier. "Der war richtig gut", sagt Schicketanz.
Mit 27 hat er am Kudamm seinen ersten Club aufgemacht, "eine Sensation", so nennt er das selbst, mit Sitzbadewannen, "alles meine Idee". Es folgten: Old Eden, New Eden, Eden Playboy Club, Big Eden. Frauen kamen in den ersten Jahren kostenlos rein. "Wo Frauen sind, gibt es Männer. Das ist der älteste Trick", sagt er.
Eine seiner Lieblingsbeschäftigungen besteht darin, Namen von Stars aufzuzählen, die in seinen Clubs waren. In der Galerie hängt eine Collage, da sind viele zu sehen. Eddie Constantine, Caterina Valente, Ella Fitzgerald, Mario Adorf. Dazwischen blanke Busen. Man kann Eden viel fragen, er wird in fast jeder Antwort darauf verweisen, wie "happy" er ist, wie sehr mit der Welt, mit den sieben Kindern von sieben Frauen, den fünf Enkeln, vor allem aber mit sich selbst im Reinen. Wagin dagegen hadert. "Sie haben keine gute Meinung von Menschen", will Schicketanz wissen. "Bis jetzt noch nicht."
Im Grunde verarbeiten der Playboy und der Baumpate das Schrecklichste, was ein Mensch erleben kann, glaubt die Autorin: den Krieg. Als er in Deutschland begann, waren sie neun Jahre alt. Als er endete, lag Wagin in einem eiskalten Eisenbahnwaggon, der Boden voller Pferdemist. Die anderen hatten sich in die Wagen gedrängt, in denen es nicht stank. Wahrscheinlich hat der Dung ihm das Leben gerettet. Als er unter einen Haufen Stroh schaute, sah er dort 30 oder 40 tote Kinder. Erfroren.
Damals ist sein Bild entstanden, von den Menschen und von der Natur. "Ohne das, was in der Erde wächst, haben wir keine Chance", sagt er. Der Künstler hat sich für seine Mission einen der zähesten Bäume ausgesucht, den es gibt. Den Ginkgo. Er geht beim Pflanzen mit der Hand in die Erde. Man bekomme eine Antwort, sagt er. Wagin hat Mitte der 60er-Jahre beschlossen, sein restliches Leben lang danke zu sagen.
Rolf Eden spricht nicht darüber, was vor 1950 war, schon gar nicht vom Krieg. Seine Familie ist nach Israel ausgewandert. Er sagt nur, dass er sich Anfang der 50er selbst erfunden hat, als der, der er heute ist. Grundwerte: Geld und Frauen. Grundstimmung: happy. Vielleicht hat er es wirklich geschafft, dass die fröhliche Maske haften blieb. Wenn er im Film Akkordeon spielt, Marke "Weltmeister", sieht es sekundenlang aus, als würde sie reißen, als sei da etwas Echtes. Man lebe, wenn man verdrängen kann, dreimal so gut wie normal, sagt Eden.
Als nach dem Mauerfall sein Westberlin implodierte, als er nach dem Verkauf seines Big Eden kein Clubbetreiber, sondern nur noch Immobilienbesitzer war, machte er einfach weiter. Gerade erst hat ihm seine Braut die erste Hochzeit seines Lebens spontan abgesagt. Es gibt viel zu tun, aber er schiebt das weg. Schließlich hat er immer noch seine Anleitung, das Buch "How to make friends", das gerade einmal sechs Jahre jünger ist als er. Die wesentlichen Regeln: schmeicheln und lächeln. Es klappe dann ungefähr bei jeder zehnten Frau.
Wagin verdrängt nicht: "Du hast einfach ne bessere Schublade für dich rausgezogen", sagt er. "Meine, die ich da rausziehe, die klemmt jeden Tag."
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