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Filmfestspiele VenedigVon Müttern und Bürgermeisterinnen

Lidokino 2: Mit Stars in Hochform beginnen die Filmfestspiele von Venedig. Penélope Cruz und Isabelle Huppert bestechen in Dramen.

Milena Smit (l-r), Pedro Almodovar und Penelope Cruz beim Fototermin für Film „Parallel Mothers“ Foto: Joel C. Ryan/dpa/Invision/ap

Wenn man schon einen Farbfilm dreht, dann dürfen die Farben auch laut werden. Beim spanischen Regisseur Pedro Almódovar hat dieses Credo die Züge einer Obsession. Das gilt auch für seinen Wettbewerbsfilm „Madres paralelas“, mit dem die Filmfestspiele von Venedig am Mittwoch eröffneten. Wohnungen sind mit Möbeln in schreienden Tönen ausgestattet, Mobiltelefone haben rote und neon­gelbe Schutzhüllen, selbst ein Jeep für eine Fahrt aufs Land ist in einem knalligen Gelb gehalten.

Ebenso wenig ist der Alltag, von dem Almodóvar in „Madres paralelas“ erzählt, auch nur annähernd grau. In der Begegnung zweier werdender Mütter, die sich im Krankenhaus kennenlernen, kurz bevor sie beide gebären, geht es, wie oft bei Almodóvar, in grell zugespitzter Form um elementare Dinge.

Janis (Penélope Cruz), ist selbstständige Fotografin und Single, sie hat sich vom Vater getrennt, als der Bedenken gegen das Kind geäußert hatte. Ana (Milena Smit), ist von Mitschülern vergewaltigt worden, wer der Vater ist, steht nicht eindeutig fest.

Die Neugeborenen werden nach der Entbindung von den Müttern zur Beobachtung isoliert, es gibt gesundheitliche Risiken. Für Janis, die von ihren Eltern nach Janis Joplin benannt wurde, kommt es zu einer Krise, als der Vater zum ersten Mal seine Tochter sieht und den Eindruck hat, das Kind sei nicht von ihm. In der Folge werden mehrere Gentests vorgenommen, die für die Beteiligten zu überraschenden Einsichten führen.

Schatten des Spanischen Bürgerkriegs

Dieses Drama um zwei Frauen, deren Beziehung zueinander im Verlauf der Geschichte nicht einfacher wird, hätte im Grunde schon ausgereicht. Cruz und Smit tragen den Film mit einem Spiel aus Annäherungen und Abstandnehmen. Almodóvar flicht als Rahmen zugleich eine Erinnerung an die Opfer des Spanischen Bürgerkriegs ein. Janis lernt den Vater ihres zukünftigen Kindes nämlich allein deshalb näher kennen, weil dieser sich von Berufs wegen mit Ausgrabungen auskennt. Und Janis will das Grab ausheben, in dem sie ihren Großvater vermutet, der von faschistischen Falangisten ermordet wurde.

Wie Almodóvar die verschiedenen Erzählungen aneinander fügt, ist nicht immer subtil, doch findet er im Gentest, der bei den Ausgrabungen noch einmal zum Einsatz kommt, eine passende optische Klammer, die zudem eine weitere Ebene schafft. Denn es ist schwer, bei den Teststäben nicht an den Pandemiealltag zu denken.

Ein Drama aus dem Inneren der französischen Lokalpolitik zeigt hingegen Thomas Kruithof in „Les promesses“, dem Eröffnungsfilm der Reihe „Orizzonti“. Isabelle Huppert spielt darin die Pariser Bürgermeisterin Clémence, die kurz vor dem Ende ihrer Laufbahn die Renovierung eines heruntergekommenen Wohnungskomplexes in der Banlieue sicherstellen will. Zusammen mit ihrer rechten Hand Yazid (Reda Kateb) versucht sie, die verschiedenen Interessengruppen von ihrem Plan zu überzeugen, was sich vor allem auf Regierungsebene zäh gestaltet.

Ihre Rolle versieht Huppert mit einer entwaffnend selbstbewussten Unerschütterlichkeit, sie ist ganz die Politikerin mit Kontakt zu den Bürgern, die sich allein der Sache verschrieben hat, für Verlockungen der Macht andererseits nicht völlig unempfänglich ist. Die Handlung gerät dabei jedoch zunehmend zu einer Heldenerzählung über den unerschrockenen Kampf Einzelner gegen einen verfilzten Apparat, mit einigen charmanten Wendungen, in seiner Gesamtbewegung jedoch verdächtig nah an Hollywood-Mustern orientiert. Kruithofs Regie macht daraus einen Politthriller, dem man gebannt folgt, von dessen Drehbuch man sich am Ende aber nicht richtig ernst genommen fühlt.

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