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Filmemacher im InternetYouTube macht den Superstar

Nachwuchsfilmer starten ihre Karriere zunehmend im Internet: Sie ziehen Produzenten an und sammeln Preise. Klassische TV-Sender sehen sie kritisch.

Das Amateurleben ist schmerzhaft, aber manchmal ruhmreich: Besonders wenn der Film im Internet läuft. Foto: Born to skate/Sebastian Linda

Über eine Million Menschen haben sich die Filme von Sebastian Linda auf der Videoplattform Vimeo im letzten Jahr angeschaut. Einen Webvideopreis gab es außerdem. Der Berliner „Audiovisual Artist“, so beschreibt er sich selbst, gilt mittlerweile als innovativer Filmemacher, der auch von Werbern aus dem In- und Ausland gebucht wird.

Start seiner Karriere war „Born to Skate“. Die Skateboard-Doku, ein Roadtrip rund um die Welt, war eigentlich als Studienabschlussarbeit entstanden. Linda hatte sie auf Vimeo hochgeladen – 2010 wurde sie in zahlreichen deutschen Kinos gezeigt und lief anschließend auf ZDFkultur.

Das in den USA ansässige Videoportal Vimeo hat seinen Schwerpunkt auf Qualität und Kreativität der Inhalte gelegt und sieht sich damit als hochwertige Alternative zu YouTube. Nach eigenen Angaben besuchen mehr als 150 Millionen Nutzer die Seite pro Monat.

Für Linda jedenfalls war sie ein Glücksfall, denn viele Kreative fanden sofort Gefallen an seiner Arbeit, darunter auch Cine Plus. Die Postproduktion stieg als Koproduzentin bei „Born to Skate“ ein. Dazu kam dann noch eine Auszeichnung von Vimeo selbst, die für einen weiteren Bekanntheitsschub sorgte: das „Staff Pick“-Siegel. Vergeben wird es von einer Jury aus Filmexperten und Journalisten, die jede Woche Hunderte Videos anschauen und besonders hochwertige Beiträge auszeichnen.

Filmschulen nutzen Online-Kanäle

„Für junge Filmemacher war es früher kaum möglich, Eingang in das Filmbusiness zu finden, weil es so viele Gatekeeper gab“, sagt Jordan McGarry, die das „Staff Pick“-Team leitet. Heute sei es interessant zu sehen, was passiert, wenn sie und ihre Kollegen ein Video ausgewählt hätten: Viele der Ausgewählten bekämen so Kontakt zur Filmindustrie.

So geschehen etwa bei der Webserie „High Maintenance“. Die Internet-Comedy kam so gut an, dass sich TV-Produzenten für das Projekt interessierten. Resultat: Dieses Jahr wird eine Fernsehversion auf dem US-Sender HBO ausgestrahlt.

Mittlerweile werden besonders an den Filmhochschulen Onlinekanäle verstärkt genutzt. Die ifs internationale filmschule köln etwa betreibt eigene Kanäle auf YouTube und Vimeo, wo Trailer und Making-ofs von ifs-Produktionen eingestellt werden.

Mit dabei ist auch Luise Brinkmann, die sich im Abschlussjahrgang für Filmregie befindet. Ihre Serie „Emmas Welt“, die auf YouTube läuft, wurde letztes Jahr auf dem Webfest Berlin mit einem Preis bedacht. „Internetplattformen sind schon eine Hilfe, um sich zu präsentieren. Ich würde allerdings nie einen kompletten Film ins Netz stellen, da dann das Interesse an einer Aufführung im Kino oder im Fernsehen sinkt.“

Hohes Maß an Unabhängigkeit

Nachdem sie für ihren Zweitsemesterkurzfilm eine Freigabe ihrer Filmhochschule erhalten und ihre Arbeit ins Netz gestellt hatte, erhielt die angehende Regisseurin vor Kurzem eine Anfrage vom Dortmunder „Tresen – Filmfestival“ für eine Teilnahme.

YouTube hat ebenfalls einige Projekte angeschoben, um Talente zu fördern. Der YouTube Space in Berlin beispielsweise verleiht Equipment an Filmstudenten und gibt Videonachhilfe. Den „Your Turn“-Videowettbewerb, den YouTube gemeinsam mit dem Medienboard Berlin-Brandenburg sowie Endemol Beyond veranstaltet, gewannen letztes Mal Studenten von der Filmuniversität Babelsberg.

Die Nachwuchskreativen schätzen besonders das hohe Maß an Unabhängigkeit, das die digitalen Distributionswege ermöglichen. Fast durchweg kritisch sehen sie das klassische Fernsehen: Zu viele Bedenkenträger sorgten für zu wenig Innovation, Spontanität beim Dreh sei selten erwünscht.

Fragt sich nur, wie lange sich die etablierten Sender das noch leisten können. Die Nachwuchsfilmer jedenfalls suchen sich derweil ihre Heimat im Netz.

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