Filme im Flughafen Tempelhof: Kino zum Abheben
Große Halle, große Streifen: Zwei Monate lang zeigt ein Pop-Up-Kino im Flughafen Tempelhof Klassiker der Filmgeschichte und mehr.
Geht man durch die erstaunlich kleine Tür in dem gigantischen, am frühen Abend bereits ganz vom Schatten verschluckten Gebäude, tritt man in der Zeit zurück. Im Angesicht der bordeauxrot gestreiften Decken und den Säulen, die weit hinaufragen in die Tempelhofer Haupthalle, denkt man sofort an rauchende Männer in Hut und weit geschnittenem Anzug, in braun oder grau.
Genau das bekommen die Gäste an diesem Donnerstagabend dann auch. Die Haupthalle des 2008 stillgelegten Flughafens verwandelt sich nämlich Donnerstags bis Sonntags in ein Kino. Gezeigt werden bis Ende Dezember vor allem Klassiker, aber auch Animationsfilme für Kinder. Organisiert hat das ganze Carolin Ruder, Geschäftsführerin der „Neuen Kammerspiele Kleinmachnow“.
Nach einem kurzen Hinweis, dass man die Stühle bitte nicht auf den wertvollen PVC-Boden rücken sollen, geht es mit dem ersten Klassiker los. „Immer gebührt der Liebe der erste Platz im Universum“, heißt es auf der Website des Projekts „thf cinema“ und so startet die Reihe am Donnerstag mit „Außer Atem“ von Jean-Luc Godard.
Das Licht geht aus. An der rechten Seite des Saales glühen 12 Säulen in rötlichem Licht. Man hat das Gefühl, die Charaktere könnten jeden Moment aus der Kinoleinwand hinaustreten und ihre Rauchschwaden in das Flughafengebäude dampfen, das dafür wie geschaffen scheint. Das liegt nicht nur an den weiten Anzügen und Hüten, sondern auch daran, dass jedes Wort im Saal sein Echo findet.
Die Caféstühle aus Eisen sind unbequem. Legt man allerdings den Pulli unter den Hintern, merkt man wie kalt es in der Halle ist. Die 300 Leute, die vor der Leinwand Platz genommen haben, sind eben doch nicht genug, um den leeren Saal zu wärmen. Die meisten, vorhin noch im Corona-Abstand aufgestellten Stühle sind inzwischen zu Pärchen zusammengerückt worden. Das Wärmen geht ja auch à deux.
Bevor es zu kalt wird, ist der Film auch schon zu Ende. Der letzte Schuss hallt durch die Halle, die letzte Rauchwolke dampft aus Belmondos Gangster-Maul und Jean Seberg fährt sich mit tiefem Blick über die Lippen.
„Der Typ war so 'ne Nullnummer! Warum dreht man einen ganzen Film über ein konsequentes Arschloch?“ moniert ein Mann in der Reihe hinter uns. Ich kann nur zustimmen. Doch dann erklärt uns seine Freundin, dass „Außer Atem“ einer der ersten feministischen Filme gewesen sei. Im damaligen Kontext sei die Figur des Michel eine Karikatur gewesen, ein ironischer Kommentar auf den Film Noir.
In der Flughalle aus den 1930ern – und damit noch älter als der Film – ist diese Ironie wohl an mir vorbeigezogen. Also vielleicht doch nicht das richtige Ambiente für „Außer Atem“. Nun ja, vielleicht gehe ich in der ersten Dezemberwoche noch einmal hin. Dann läuft Solaris. Und was kann es Befreienderes geben, als von einem Flughafen, von dem schon lange nichts mehr abhebt, ab ins All zu starten – mag es auch das All der 70er-Jahre sein.
Vom 25.11. bis zum 26.12.2021, Donnerstags bis Sonntags. Tickets auf thf-cinema.de. 10 Euro Erwachsene, 7 Euro ermäßigt, 5 Euro Kinder
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