piwik no script img

Film über Gentrifizierung in Berlin„Kein Schubladendenken“

Der Film „Verdrängung hat viele Gesichter“ nimmt Baugruppen in den Blick. Die wollte man aber nicht denunzieren, so Filmemacherin Hanna Löwe. Heute ist Premiere.

Für viele bleibt das leider nur ein Wunsch: Graffito in Berlin. Bild: dpa
Interview von Peter Nowak

taz: Frau Löwe, Thema des Films „Verdrängung hat viele Gesichter“ ist die Gentrifizierung. Warum beschäftigt er sich schwerpunktmäßig mit Baugruppen?

Hanna Löwe: In Treptow begann der MieterInnenwiderstand, nachdem eine Stadtteilinitiative gegen die Bebauung eines Grundstücks durch Baugruppen Sturm lief und die Beteiligung ehemaliger Linker daran thematisierte. Danach begannen im Stadtteil Diskussionen, inwieweit der Bau von Eigentumswohnungen einen Kiez aufwertet und der Mieterhöhung preisgibt.

Gab es bereits die Kritik, dass im Film die Baugruppenmitglieder ihre Position ausführlich darlegen können?

Ja, aber darauf sind wir stolz. Wir wollten keinen Film machen, der das Schubladendenken bedient. Es wäre einfach gewesen, die Kämpfe der Bewegung als die Position der „Guten“ darzustellen und alles andere zu denunzieren. Wir müssen aber niemand herabwürdigen, um die Probleme beim Namen zu nennen.

Gleich zu Beginn des Film verweigert eine Baugruppe die Kommunikation. War das öfter der Fall?

Die Premiere

Der Film "Verdrängung hat viele Gesichter" setzt sich mit der Gentrifizierung am Beispiel von Alt-Treptow auseinander. Premiere heute um 18.30 Uhr im Moviemento, Kottbusser Damm 22. Weitere Termine: berlingentrification.wordpress.com

Baugruppenmitglieder sehen sich vordergründig als Menschen, die niemand verdrängen wollen. Ein Teil weiß aber genau, dass ihr Verhalten andere verdrängt, und nimmt es billigend in Kauf. Sie verweigern Interviews, weil sie die Kritik trifft. Eine Baugruppe in Treptow hat sich selber ein Gentrifizierungsfrei-Zertifikat ausgestellt, obwohl ein Mitglied seine Wohnung jetzt für 1.900 Euro kalt vermietet und in München wohnt.

Wieso kommt es im Film bei Begegnungen mit Baugruppen oft zu Diskussionen über die persönliche Verantwortung?

Viele Mitglieder von Baugruppen wollen nur die Lösung für ihre Probleme und fallen aus allen Wolken, wenn sie mit Kritik konfrontiert wurden. Sie haben oft großen Rechtfertigungsbedarf.

Im Interview: Hanna Löwe

38, ist Künstlerin und in stadtpolitischen Gruppen aktiv. Als Teil des Filmkollektivs Schwarzer Hahn hat sie "Verdrängung hat viele Gesichter" produziert.

Wieso sind Baugruppen sogar bei aktiven Linken zum Teil beliebt?

Wo Geld ist, weil eine Erbschaft auf den Nachfolger oder die Nachfolgerin wartet, da wird schnell mal die linke Idee dem eigenen Lebenskonzept angepasst. Das gilt ja nicht nur für den Bau von Eigentumswohnungen, sondern auch bei der Jobvergabe. Man geht in bestimmte Gruppen, weil dabei der Job bei einer NGO, einer Stiftung oder einer Partei abfällt.

Mehrmals werden im Film die Füße von sprechenden Personen gezeigt, die dann fast wie Hände gestikulieren. War das ein künstlerisches Stilmittel?

Das war nicht geplant, sondern hat sich so ergeben. Manchmal mussten wir die Kamera nach unten drehen, weil Gesichtsaufnahmen unerwünscht waren. Bei einem Politiker waren wir so fasziniert, wie der mit seinen Füßen redet. Das musste als humoristische Einlage drin bleiben. Im Abspann zeigen wir die vielen Füße einer Demonstration, das war gewollt. Die Füße symbolisieren Dynamik, Bewegung, alles ist im Fluss.

Sind zur Filmpremiere auch die BaugruppenbewohnerInnen eingeladen?

Am 5. November ist im Zirkus Cabuwazi eine spezielle Kiezpremiere in Treptow geplant, zu der wir auch die Baugruppenmitglieder einladen. Wir hoffen auf kontroverse Diskussionen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

13 Kommentare

 / 
  • Wenn man das Prinzip "Eigentum" generell ablehnt, dann sind Baugruppen natürlich böse. Und andere Formen von Eigentums-Neubauten natürlich auch. Und Wohnung mieten auch (damit unterstützt man den kapitalistischen Vermieter). Und WGs auch (weil die kurzlebig sind und höhere qm-Preise zahlen). Dann wird das richtige Leben halt schon sehr schwierig.

     

    Aber damit ist man halt doch in der deutlichen Minderheit. Wenn man aus dieser Position einen Film dreht, Baugruppenmitgliedern im Interview Doppelmoral vorwirft (weil sich deren Denken angeblich dem Handeln angepasst hat), dann kann man sich am Ende drüber wundern, dass von den so Angegriffenen keiner zur Premiere kommt. Das ist dann aber kein Wunder. Die Baugruppenteilnehmer haben nämlich vielleicht erst nachgedacht und dann konsequent gehandelt.

    • @Markus M:

      Hallo Markus, das ist ja interessant. Warst Du bei der Premiere? Woher weißt Du das keine Baugruppenmitglieder da waren? Außerdem gibt es doch eine Kiezpremiere. Zu der sind Baugruppenmitglieder explizit eingeladen.

       

      Und natürlich kann ein Mensch Eigentum generell ablehnen - aber darum geht es doch in dem Film überhaupt nicht (Oder Du musst mir den noch mal mit Deinen Worten erklären).

       

      Es geht doch darum das durch den Bau von Eigentumswohnungen ganze Viertel "aufgewertet" werden, was soviel heißt wie das die Mieten steigen. Oder das die Mietwohnungen umgewandelt werden zu Eigentumswohnungen. Und das hat doch zur Folge das einkommensschwache Menschen verdrängt werden. Es geht in dem Film doch auch nicht um "gut" und "böse".

       

      Sondern wie Verdrängung funktioniert. So habe ich den Film verstanden.

       

      Warst Du überhaupt in dem Film? Da wurde sehr offen diskutiert. Ich habe nicht den Eindruck das Du die Kritik des Filmes an Dich ranlässt.

  • "Sozialneid" ist ein Kampfbegriff der Besitzenden, um die Wut der Besitzlosen zu ersticken. Arme und von Mieterhöhung Betroffene sollen sich nicht wehren dürfen. Sondern einem neoliberalen Wohnmodell , wie die Baugruppe eines ist, die Absolution erteilen. Guter Film!

    • @holga:

      Die hier angesprochenen Protestler sind Leute die teilen wollen, aber nur mit Leuten, welche mehr haben als sie. Darin liegt das Problem!

      • @Joe Montana:

        Deine Antwort verstehe ich nun gar nicht... Was meinst Du?

        Meinst Du das die Leute die gegen Baugruppen protestieren nicht bereit sind zu teilen?

         

        Woher nimmst Du das? Das ist für mich einfach nur eine Behauptung und eher ein Vorurteil.... Oder muss ich das anders verstehen?

         

        Vielleicht wäre es ja auch toll im übrigen in einer Gesellschaft zu leben in der alle alles teilen können, und auch Wohnraum zu gleichen Bedingungen für alle da ist. .. Aber nein, dieser Run auf das Eigentum zu Lasten anderer, das soll Freiheit sein?

         

        Das ist nicht schön, nicht menschlich

  • Hier geht´s leider nicht um Gentrifizierung, sondern um Sozialneid. Frau Löwe und die Querulanten aus Treptow müssten mal dringend aus Ihrem "Schubladendenken" rauskommen und akzeptieren, dass es auch genug Leute gibt, die über lange Zeit gespart haben um sich jetzt eine zentrale und trotzdem günstige Wohnung kaufen wollen. Der Kaufpreis bei den ganzen Bauprojekten dort lag im Schnitt knapp über 2000 Euro/m² - es ist mit einer langfristigen Planung also für fast alle erreichbar, die nicht gerade Hartz4 erhalten.

     

    Und welches Recht nehmen sich die derzeitigen Bewohner raus zu bestimmen, wer neben Ihnen wohnen darf? Vielleicht noch welches Auto die Nachbarn fahren dürfen? Auch wenn es den gescheiterten Künstlern vor Ort weh tut, wenn es auch erfolgreiche Lebensmodelle gibt: die Baugrundstücke lagen vorher brach und hätten auch von den "Demonstranten" weiterentwickelt werden können.

     

    unnützer Film!

    • @Joe Montana:

      Jetzt stellen Sie sich einfach mal vor, der Rest der Welt bringt Ihnen so viel Verständnis entgegen wie andersherum, Dann wäre Ihnen vielleicht auch klar, warum niemand Sie als Ńachbarn haben möchte. Falls nicht - mir doch scheissegal. Nicht mein Problem. Hauptsache Sie hauen ab!

      Verstehstejetzt?

      • @Hans Hunz:

        Welches Verständnis bringen denn die Querulanten entgegen? Vollgetankt mit Vorurteilen soll alles "andere"bekämpft werden. Frust pur, weil die Umgebung aufgewertet wird. Verkehrte Welt. Den Einzelhandel vor Ort wird es auf jeden Fall freuen.

        • @Joe Montana:

          Baugruppen sind reine Mittelschichtserscheinungen. Sie sind diejenigen, die auf die Verwertungsinteressen hereingefallen sind und sind die nützlichen Ideologieträger der Eigentumslogik. Eigentum heißt immer auch Ausgrenzung. Das Mein führt zur Abgrenzung. So auch in den Kiezen. Als Ideologieträger sind Sie Vorbereiter der ewig gleichen Umwandlung. Erst entmietung - dann aus Mietwohnungen werden Eigentumswohnungen - dann Neuvermietung zu wesentlich teueren Mieten. Die Angst der Mittelschichtler, die im Grunde sich teure Mietwohnungen leisten führt zu Eigentum und die damit einhergehende Ausgrenzung anderer. Na Prost!

          • @Karla Kater:

            ok, jetzt verstehe ich: Sie wissen nicht, was es mit einer Baugruppe auf sich hat! Somit sind auch ihre Ableitungen leider völliger Kokolores... Aber zur Abhilfe:

             

            1)Eine Baugruppe kauft i.d.R. ein freies Baugrundstück und bebaut dieses. Bis auf wenige Ausnahmen leben die Käufer auch in diesen Wohnungen.

             

            2) Daraus folgt, dass auch vorher nicht entmietetet werden konnte, weil gar nichts da stand.

             

            3) Die Wohnungen in den Baugruppen sind weit günstiger als die bereits bestehenden Angebote auf dem Markt.

             

            4) Es gibt viele Freiberufler, die eine Eigentumswohung kaufen. Für diese ist es häufig auch einer Art "Rentenversicherung", da sie nach ca.20 Jahren mietfrei wohnen und mehr von ihrer Rente haben.

             

            Sehr schade, dass sich einige Leute für eine weitsichtige Lebensweise, bei der NIEMAND einen Nachteil hat, auch noch entschuldigen müssen. Daher: purer Sozialneid!

            • @Joe Montana:

              Man kann natürlich die Antwort sehr eng führen. Also: Baugruppen sind teil einer Suche nach Eigentum. In Berlin und anderswo ist das Marktgeschehen bestimmt durch einen immer höheren Anteil an Eigentumswohnungen (nicht im Neubau sondern auch gerade im Bestand) Baugruppen so die These agieren aus der Angst um verteuerten Mietwohnraum und Verdrängung aus den angesagten Kiezen. Rentenversicherung und günstige Anlage sind schon ideologisierte Bereiche - siehe Werbung der Immowirtschaft. (Kaufen ist günstiger als mieten!) Der Nachteil dieser Orientierung auf Eigentum ist Verdrängung, weiterer Anstieg der Mieten bei zu wenig Neubau, Homogenisierung der Sozialstruktur in den Kiezen.

              Richtig ist: Die Baugruppeneigentümer leben in den nun vorhandenen Eigentumswohnungen und seehen diese seltener als reine Kapitalanlage.

              • @Karla Kater:

                "Baugruppen so die These agieren aus der Angst um verteuerten Mietwohnraum und Verdrängung aus den angesagten Kiezen."

                 

                Ist halt nur eine These... Irgendwelche handfesten Argumente dazu fehlen leider im Artikel wie auch in den Kommentaren. Oder brüllt sich diese These nur besonders gut auf der nächsten Frust-Demo?

  • „Manchmal mussten wir die Kamera nach unten drehen, weil Gesichtsaufnahmen unerwünscht waren.“

    Es handelt sich hier um Leute, die ihre Mitbürger schikanieren, aber selbst lieber im Dunkeln bleiben. Sie fordern Verantwortung ein, sind aber nicht bereit, die Verantwortung für ihr Handeln zu übernehmen. Sie machen ihre Kritik am sozialen Status anderer fest, verstecken aber ihren eigenen Status und ihre Herkunft.

    Typischerweise handelt es sich bei den Mitgliedern dieser Grüppchen um zugezogene (werdende) Akademiker, die in beliebte Viertel strömen und so selbst zur Gentrifizierung beitragen.

    Wohngruppen als zentraler Feind: eine Konstruktion. Bei Karla Pappel und Co handelt es sich um deklassierte Kleinbürger, die identitäre Politik betreiben, die auf Abgrenzung und Ausschluss basiert.

    PS: Habe selbst nicht mit Baugruppen am Hut.