■ Film Script: Verlust der Unschuld
Es soll ja Begabungen für Buchtitel geben. Peter Handke wird als eine solche gerühmt. Auch der Film- und Kunstkritiker Daniel Kothenschulte darf hier als Talent gelten: „Nachbesserungen am amerikanischen Traum“ nannte er seinen Band über den Regisseur – nicht den Schauspieler – Robert Redford.
„Nachbesserungen am amerikanischen Traum“: Robert Redford selbst scheint eine zu sein. Denn wenn er einmal der sportliche, attraktive, gutaussehende All American Boy war, dann in einer leichteren, unaufdringlicheren Version als der gebißbleckenden, blonden, blauäugigen, in der ihn derzeit etwa Matt Damon verkörpert. Nachbesserungen am amerikanischen Traum heißt natürlich auch, an diesen Traum zu glauben. Den Wunsch zu haben, seine Unschuld wiederzuentdecken.
Wenn auch nicht immer die Unschuld, so doch die Frische und das Wagnis, das liefern seit 1981 auch Robert Redfords Sundance Institute und das Sundance Film Festival aus dem Mormonenstaat Utah nach Hollywood, in die alte, mächtige, aber kalt und zynisch agierende Traumfabrik der 200-Millionen-Dollar-Projekte. Das Entwicklungshelfer-Image hat Redford, der Politaktivist und Naturschützer, weg. Anders als sein Schauspieler- und Regisseurs-Kollege Clint Eastwood, der als konservativer Rebell gilt, wird Redford gerne für ein progressives Denken vereinnahmt. Doch genau besehen ist diese Einordnung falsch.
In Kothenschultes Band wird man ebenfalls einen Konservativen kennenlernen. Ob in seinem Erstlingsfilm „Ordinary People“ (1980) oder in seinem letzten Film „Der Pferdeflüsterer“ – es ist die gefühlskalte im einen und die arbeitssüchtige Mutter im anderen Fall, die den Familienzusammenhalt gefährdet. Dagegen verkörpern der Vater oder der Pferdeflüsterer eine Emotionalität, die die Frauen erst lernen müssen. Der Verlust der Unschuld, der sich für den Autor als das große Thema der fünf Regiearbeiten Robert Redfords herauskristallisiert, die Vertreibung aus dem Paradies, ist also Eva gedankt. Redfords Filme plädieren durchgängig, so Kothenschulte, „für eine Rückkehr zu den traditionellen familiären Werten, die von weiblicher Seite in Frage gestellt sind“. Daß Redford im Pferdeflüsterer die Sexszenen der Romanvorlage radikal strich, hängt denn auch damit zusammen, daß Redford „dem Ehebruch (kaum) eine positive Funktion innerhalb einer weiblichen Selbstfindungsgeschichte zubilligen“ wird.
Aber der Mann, der mit seinen Filmen dieses romantische und konservative politische Anliegen an die amerikanische Gesellschaft hat, ist auch der Mann, der das Qualitätskino verteidigt, in Liebhaberunternehmungen, die jahrelange Vorbereitungszeiten haben. bw
Daniel Kothenschulte: „Nachbesserungen am amerikanischen Traum. Der Regisseur Robert Redford“. Schüren Verlag, Marburg 1998, 192 Seiten, 28 Mark
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