: Feuer und Flamme für Olympia
In einer Woche entscheidet das IOC über die Vergabe der Olympischen Spiele / Fans und Gegner im Endspurt / Anschläge gegen Sponsoren ■ Aus Berlin Uwe Rada
Der olympische Countdown läuft: Heute in einer Woche entscheiden die 91 Mitglieder des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) in Monte Carlo über die Vergabe der Sommerspiele im Jahr 2000. Die Berliner Delegation, vertreten durch den Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU), Olympia- GmbH-Chef Nawrocki, Daimler- Boß Reuter, Innenminister Kanther sowie die Sportlerinnen Steffi Graf und Franziska van Almsick wird bereits am Samstag in Monaco erwartet. Dann soll das „Herzstück der Berliner Bewerbung“, die rund 50minütige Präsentation mit TV-Moderator Günter Jauch noch einmal IOC-gerecht durchgespielt werden. Wenn am Abend des 23. September dann der IOC-Präsident und einstige Franco-Anhänger Juan Antonio Samaranch das Couvert mit der Siegerstadt öffnet, verfolgen in Berlin Olympiabefürworter und Nolympics wenige Meter voneinander entfernt die Entscheidung: die einen am Brandenburger Tor, die anderen im Tränenpalast, der ehemaligen Wartehalle am Grenzübergang Friedrichstraße.
Geht es ums Reizthema Olympia äußern sich insbesondere die Berliner Spielemacher in Durchhalteparolen und peinlichen Vorschlägen: So sollen sämtliche Mitglieder des Abgeordnetenhauses ihre Haltung zu Olympia namentlich bekunden. Schließlich, so entfuhr es vor einer Woche dem parlamentarischen Geschäftsführer der CDU, hätten die Berliner ein Recht zu wissen, wer die „Saboteure ihrer Zukunft“ seien. Selbst vor devoter Anbiederung an das IOC schreckt man nicht mehr zurück. Voller Lobes hofierte der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) dem allseits wegen seiner kommerziellen Ausrichtung kritisierten Altherrenclub vor wenigen Tagen mit den Worten, „weltweit wichtige gesellschaftliche Funktionen vergleichbar der UNO-Friedensinitiative“ auszuüben.
Daß den Berliner Berufsolympioniken zur Zeit die Nerven blank liegen, ist kein Wunder: Schließlich hat Diepgen das Schicksal der Stadt mehrfach an den Zuschlag des IOC geknüpft: Berlin brauche Olympia, weil Olympia gut für Berlin sei. Diepgen gegenüber der Presse: „Ich sehe keine Alternative zu dem Weg, den wir letztlich beschritten haben. Der Versuch, Olympia auch als ein Identität stiftendes Projekt zu gestalten, ist gelungen.“ Mittlerweile sollen zwar 71 Prozent der Berliner für die Spiele sein, doch das kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Hauptstädter bei weitem nicht die Begeisterung zeigen, die die Große Koalition gerne hätte. Nur etwa 500 CDU-Fans werden in Monte Carlo dabei sein, von der vielbeschworenen Olympiaeuphorie ist in der Stadt nichts zu spüren. Es scheint, als könnten die Befürworter im Volk mit einer Niederlage leben, die den Regierenden Kopf und Kragen kosten könnte.
Während die Grünen sich nach einer Klausur im Mecklenburgischen flugs als alternative Regierungspartei präsentierten und für den Fall eines Berliner Zuschlags erneut eine Volksabstimmung zu Olympia forderten, verfolgen die militanten Olympiagegner eine Strategie ganz eigener Art: Nach mehreren Brandanschlägen auf Fahrzeuge von Olympiasponsor Telekom am Wochenende zündeten gestern nacht drei Sprengkörper an Gebäuden der Berliner Bank, Daimler-Benz und einer Hertie-Filiale. Der Sachschaden betrug etwa 10.000 Mark. Alle drei Firmen sind Lizenznehmer der Olympia GmbH. Daß es in Berlin keine Spiele ohne Krawall und Feuer geben wird, ist auch der Tenor einer Hochglanzbroschüre aus dem autonomen Spektrum. Das Heft, in der Aufmachung der offiziellen Bewerbung täuschend ähnlich, wurde bereits an die IOC-Mitglieder verschickt.
So geht denn die Stadt halb im Fieber und halb gelassen der „Jahrhundertentscheidung“ entgegen. Die Olympia-Opposition, ein Bündnis von Grünen, PDS, Jusos, Asten und Autonomen, geht am Samstag unter dem Motto „Olympia–und tschüß“ auf die Straße, und die Olympia GmbH ist stolz, endlich den „offiziellen“ Button für den 23. September im Programm zu haben. Die Londoner Buchmacher haben inzwischen ihre Wettbüros geschlossen. Die Wahrscheinlichkeit, daß die Jubelfeier am Brandenburger Tor zum Fiasko des Regierenden Bürgermeisters wird, liegt demnach bei zehn zu eins. Nur in Istanbul ist die Quote noch schlechter. Doch dort wurde nie geleugnet, daß es auch ein „Leben ohne die Spiele“ geben könnte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen