: Festgeschriebener Stillstand
■ Zwischen Trivial-Schwank und Meta-Materialbetrachtung: Mit „Perlimplin“ setzt Jo Fabian auf die Erfindungskraft von Sprache
Dialoge drehen sich im Kreis; Sätze treten auf der Stelle. Reden, Worte: Sie bringen den alten Don Perlimplin in Garcia Lorcas „In seinem Garten liebt Don Perlimplin Belisa“ so wenig aus seiner Einsamkeit wie in der hessischen Dialogfassung von Jo Fabian.
„No Action“ stempelt Fabian quer über die Bühne seines „Perlimplin“. Wir lesen die Warnung auf einem Gazeschleier, der den Blick auf die Bühne filtert. Auf diese Leinwand projeziert der Regisseur eine Hand, die das Bühnenbild skizziert und Dialoge vor- und mitschreibt. Die Redundanz verstärkt den quälenden Stillstand; die geschriebenen Sätze lassen den Sprechenden keine Wahl, die Figuren zappeln im Netz der Buchstaben. Endlos strichelt die Hand einen Wald, und bis dessen Dunkelheit schraffiert ist, müssen Don Perlimplin und seine junge Braut Belisa die Angst vor der Hochzeitsnacht aushalten. Sie sind Gefangene ihres Autors – vielmehr als Opfer der Intrigen der kupplerischen Magd und der geldgierigen Mutter der Braut.
Fabian kokettiert mit der Erfindungskraft der Sprache: Er führt ihre Macht vor, enthält uns das Eintauchen in ihre Erfindungen aber vor. Das ist Kinderzänkerei.
„Das ist mein Triumph! Der Triumph meiner Phantasie!“ ruft Don Perlimplin bei Lorca aus, als er Belisa das Geständnis entlockt hat, in einen Unbekannten verliebt zu sein. Auch in Fabians Inszenierung weiß man nicht, ob der heimliche Liebhaber nicht nur ein gemeinsames Produkt von Perlimplins Ängsten und Belisas Wünschen ist. Denn allein die Briefe (Schrift, ha!), die Perlimplin Belisa widerwillig aushändigt, bezeugen seine Existenz. Es sei denn, der naive Betrachter hält den Gutarrenspieler, der am Rand der Bühne für spanisches Lokalkolorit sorgt, für den Liebhaber.
So kann man der zweistündigen Inszenierung, die Fabian als zweiten Teil seiner Trilogie „House of Lorca“ wieder in einer Koproduktion des Kleisttheaters Frankfurt (Oder) und des Hebbeltheaters herausgebracht hat, zwar ein paar Gedanken über Autorenschaft, Dichtkunst und die Phantome der Liebe abgewinnen; doch verglichen mit den spannungsgeladenen Zustandsbeschreibungen der „Frau in Schwarz“, dem 1. Teil von „House of Lorca“, oder dem rauschhaften Spiel mit Zeichen und Schrift in Fabians „Krähe“ wirkt „Perlimplin“ wie eine lustlose Resteverwertung, die sich zwischen einer Trivialisierung im Schwank und dem Begutachten des theatralischen Materials auf einer Meta-Ebene nicht entscheiden kann. Katrin Bettina Müller
„Perlimplin“. Hebbeltheater bis 9. April, 20 Uhr, ab 17. April im Kleisttheater, Frankfurt (Oder)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen