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Fernsehen in den USARaus aus der Endlosschleife

Das linke US-Publikum informiert sich abseits vom Kommerz-TV. Die Auswahl ist jedoch nicht sehr groß und hat auch ihre Schwächen.

Es ist zum Durchdrehen: Fernsehen in der USA. Bild: Skobakemann/photocase.com

WASHINGTON taz | Fernsehen ist für die Texanerin Diane Wilson mit Freiheitsberaubung verbunden. Ihr eigenes Gerät hat sie längst weggeschmissen. „Es kommt einfach nichts Brauchbares heraus“, sagt die Fischerin, Schriftstellerin, Feministin und Umweltaktivistin.

Ihre Informationen sucht sie im Web. Meist bei Non-Profit-Seiten und auf Internetportalen von Zeitungen. Sie ist weit gereist. Gut vernetzt. Politisch aktiv. Und macht manchmal selbst Schlagzeilen. Zum Beispiel, als sie sich bei einer öffentlichen Anhörung mit einer zähflüssigen, schwarzen Soße überschüttete, die aussieht wie das Öl von BP, das im Golf von Mexiko schwappte. Aber Fernsehen guckt sie nur, wenn eine ihrer Demonstrationen mit einer Festnahme endet.

„In den Gefängniszellen im Victoria County beschallen sie dich permanent mit Fox News“, beschreibt sie, „die Geräte sind in die Wand geschraubt. Unerreichbar hoch. Mit einem Eisendrahtkäfig davor. Ohne Ausschaltknopf. Es ist zum Durchdrehen.“

So radikal gegen das Fernsehen eingestellt wie die Texanerin sind längst nicht alle Linken in den USA. Viele suchen vor allem Alternativen zu den Kommerznachrichtensendern, die US-Haushalte durchschnittlich fünf Stunden pro Tag beschallen: Fox News (für das republikanische Publikum), MSNBC (für das demokratische Publikum) und CNN (für das dazwischen).

Alle drei Sender hüllen ihr Publikum in Endlosschleifen aus Nachrichten, Unterhaltung und Werbung ein. Und alle drei bringen neben kleinen Nachrichtenhäppchen in schneller Abfolge sehr viel Personality-Show.

Nachrichten von Satirikern

Wer den Kommerzsendern Fox News (das zum Murdoch-Imperium gehört), CNN (Time Warner) und MSNBC (General Electrics) entkommen will, sich aber dennoch im Fernsehen informieren möchte, hat in den USA nur eine beschränkte Auswahl. Sie reicht von einer Reihe von Fernsehsendern auf Englisch, die von ausländischen Regierungen finanziert werden, über den landesweiten öffentlichen Sender PBS bis hin zu zuschauerfinanzierten Magazinen.

Wer mit diesen Alternativen nicht zufrieden ist, hat Pech gehabt. Viele Jugendliche, die im vergangenen Herbst während der Occupy-Bewegung Plätze quer durch das Land besetzten, haben genau das getan. Anstatt aus Nachrichtensendungen holen viele ihre Informationen ausschließlich von zwei politischen Satirikern: Jon Stewart und Stephen Colbert.

Im Washington des Sommers 2012 kann die Investigativjournalistin Barbara Koeppel sich nicht daran entsinnen, wann sie zuletzt einen US-amerikanischen Kommerzsender geschaut hat. Früher war sie Zuschauerin der BBC. Doch dann „amerikanisierte“ sich der britische Sender.

Al-Dschasira im Weißen Haus

Jetzt schaut sie jeden Abend die einstündigen Nachrichten bei einem Sender, der von dem Scheich des arabischen Staates Katar finanziert wird: „Al-Dschasira hat eine viel größere internationale Berichterstattung als sämtliche amerikanischen Sender“, begründet sie. „Zugleich hat er Korrespondenten überall in den USA. Sie trivialisieren nicht. Und sie gehen umsichtig und sorgfältig mit Nachrichten um.“ Barbara Koeppel war schon vor dem Arabischen Frühling Al-Dschasira-Zuschauerin.

Die Wikileaks-Veröffentlichungen enthüllten, dass Al-Dschasira politische Weisungen aus Washington erhielt und befolgte. Doch im vergangenen Jahr, als der Sender in vorbildlicher Art und Weise zum Arabischen Frühling berichtete, verstummten SkeptikerInnen. Selbst im Weißen Haus lief damals al-Dschasira.

Vor dem Kongress lobte Außenministerin Hillary Clinton den Sender als „professionell gemacht“ und „effizient“. Das steht in scharfem Kontrast zu Expräsident George W. Bush. Zu seiner Zeit galt al-Dschasira wegen seiner Berichterstattung über die Kriege im Irak und im Gaza-Streifen als „teuflisch“ und „antiamerikanisch“.

Institutionelles Schattendasein

Al-Dschasira English ist 2006 als einer der ersten Ableger des ebenfalls erst 1996 gegründeten arabischsprachigen Senders entstanden. Seither hat al-Dschasira weltweit expandiert und Ableger in mehreren Sprachen gegründet – als Nächstes steht Französisch mit Sitz in Dakar auf dem Programm – sowie mehrere Spezialkanäle, unter anderem für Fußball. Doch in den USA führt al-Dschasira institutionell immer noch ein Schattendasein.

Nur in der Hauptstadt Washington sowie in einem halben Dutzend anderer Gemeinden haben örtliche Anbieter den Sender in ihre Kabelangebote integriert. Die großen Kabelanbieter schneiden al-Dschasira immer noch, als wäre es eine patriotische Pflicht. In weiten Teilen der USA ist der weltweit ausgestrahlte Sender ausschließlich über einen Livestream im Internet zu sehen. Dabei hat al-Dschasira English das dichteste Netz von AuslandskorrespondentInnen aller US-Sender und die ausführlichste Auslandsberichterstattung.

Seine Berichterstattung über die südlichen Nachbarn der USA ist stärker als die der Konkurrenz. Und auch wenn es um Informationen zu „Whistleblowern“, Guantánamo-Häftlingen und Drohneneinsätze geht, stellt er andere Sender in den Schatten. Und er kommt in den USA bislang komplett ohne Werbung aus.

Berichterstattung über Occupy

Doch bei anderen kleinen Sendern, die ein linkes Publikum in den USA erreichen, ist al-Dschasira unter journalistischen Beschuss geraten. So kritisiert RT – ein englischsprachiger, russischer Sender – al-Dschasira für eine unausgewogene Berichterstattung aus dem Libyen-Krieg und aus Syrien. In Syrien soll al-Dschasira Rebellen mit elektronischen Geräten ausgestattet haben. Und in Bahrein, so die KritikerInnen, folge al-Dschasira English einer Staatsräson aus Katar, anstatt sorgfältig über die Protestbewegung gegen das Regime zu berichten.

Auch RT zieht ein linkes Publikum in den USA an. Seine Berichterstattung über die Occupy-Bewegung und andere soziale Themen in den USA ist extrem nah dran. In diesem Frühling nahm RT den Wikileaks-Gründer Julian Assange für eine Serie von Interviews unter Vertrag. Doch kritische Töne gegenüber Moskau gibt es auf RT nicht. Und seine ModeratorInnen pflegen einen Stil, der an die Shows der Kommerzsender der USA erinnert.

Konzentriert und scheinbar ohne persönliche Eitelkeit treten die JournalistInnen von PBS bei ihren einstündigen Abendnachrichten vor die Kamera. Im Kontrast zu der Aufgeregtheit und dem missionarischen Eifer von ModeratorInnen bei der privaten Konkurrenz nimmt PBS sich extrem viel Zeit für seine Themen, wirkt dabei aber fast ein wenig verschnarcht – und ist immer um politische Korrektheit bemüht.

Wenn an einem Abend eine republikanische Stimme zu Wort kommt, steht am nächsten Abend eine demokratische Replik an. Und umgekehrt. Allerdings nicht am Wochenende – da macht PBS zwei Tage lange Pause. Der Sender steht unter genauer Beobachtung der RepublikanerInnen im Kongress. Sie wollen alle öffentlichen Mittel für PBS streichen. Schon jetzt beteiligen sich die ZuschauerInnen mit Spenden an seinem Etat.

Live vom Tatort

Komplett von den Spenden seiner ZuschauerInnen finanziert sich „Democracy Now – the war and peace report“. Das einstündige Programm von Amy Goodman und Juan Gonzalez erscheint fünfmal in der Woche im Internet und wird landesweit in 950 Radio- und TV-Sender eingespeist.

Wenn in Florida ein afroamerikanischer Teenager von einem privaten Wachmann erschossen wird, verlagert Goodman ihre Sendung von New York City an den Tatort. Und während der Occupy-Bewegung machte sie Live-Sendungen auf besetzten Plätzen. Bei dem republikanischen Parteitag 2008 wurde die komplette journalistische Belegschaft von „Democracy Now“ festgenommen. Doch sie hat auch viele Preise in den USA erhalten.

„Democracy Now“ ist engagiertes Fernsehen. Das Magazin bringt selten Filmbeiträge, dafür täglich lange Gespräche zu aktuellen Themen. Die Namen der Interviewten reichen vom Filmemacher Michael Moore über Friedensaktivistin Yoko Ono bis hin zu der indischen Schriftstellerin Arundhati Roy.

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1 Kommentar

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  • R
    Rupert

    Wenn es solch eine Auswahl kritischer Medien nur auch in Deutschland gäbe...