Fernseh-Zensur: Schnittkunst im Sender
Was man nicht senden kann, das muss man schneiden. Im deutschen TV allein zum Wohl der Jugend. Nur kann über das Internet doch alles angesehen werden.
Es war nicht der verdammt knapp sitzende Lendenschurz des Tarzan-Darstellers Johnny Weißmüller, der im Jahr 1934 die Film-Oberprüfstelle in Berlin auf die Palme brachte. Es war vielmehr dessen allgemein als zu wenig menschlich wahrgenommenes Auftreten, das trotzdem oder eben darum Janes (Maureen OSullivan) Interesse weckte.
Der Film "Tarzan, der Herr des Urwaldes" wurde dem deutschen Publikum vorenthalten, um dessen, wie es im Gutachten heißt, gesundes Rasseempfinden nicht zu beeinträchtigen: "Diesen Bestrebungen würde es zuwiderlaufen, wenn im Film gezeigt wird, wie ein Urwaldtier, ein affenähnliches Wesen, von einer Frau umworben, gehegt und geliebt wird."
Andere Zeiten, andere Sitten, andere Verbote. Und wo früher nur Film war, ist heute auch TV. Das deutsche "Schmutz- und Schundgesetz" galt von 1926 bis 1935 und wurde danach durch Einführung der "Reichsschrifttumskammer" überflüssig - die modernen Nachfolger der deutschen Zensur heißen "Freiwillige Selbstkontrolle" (FSK) und "Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften" (BPjS). Geblieben ist das ursprünglich typisch deutsche Anliegen, nämlich der Schutz der Jugend. Vor Sex und Gewalt.
Dieser Text ist der aktuellen Fernseh-sonntaz vom 29./30.8.2009 entnommen - ab Sonnabend zusammen mit der taz am Kiosk erhältlich.
Der Ang-Lee-Film "Brokeback Mountain" zum Beispiel, der von zwei schwulen Cowboys handelt, durfte in vielen Ländern der Welt überhaupt nicht gezeigt werden, in Deutschland mussten lediglich einige Gewalt- und eine - durchaus entscheidende - anale Penetrationsszene im Dunkeln bleiben, wenn auch nur in der Wiederholung im Vormittagsprogramm. Auf der Webseite www.schnittberichte.de konnten neugierige Jugendliche jedoch minutiös nachvollziehen, wie wenig Geschlecht tatsächlich in den herausgeschnittenen Szenen zu sehen ist - bis sie aus Jugendschutzgründen offline gehen musste.
Geschnippelt wird hierzulande nicht von den Zensur-Institutionen, sondern von den Sendern selbst, die über eine Ausnahmegenehmigung eindeutige FSK-Beschränkungen unterlaufen möchten, um Filme dennoch in der Prime-Time senden zu können, also nicht nur zwischen 23 und 6 Uhr morgens.
Doch schon im Jahr 2003 stellte man auf einem Kongress der europäischen Filmprüfstellen in Berlin mit Grauen fest, dass das alles nichts nützt: Fernsehangebote, die in Deutschland nicht zugelassen sind, können über Sender aus anderen europäischen Staaten problemlos empfangen werden. In Frankreich zum Beispiel hat man kein Interesse am Jugendschutz - im fernen Russland laufen die Pornos sogar längst im normalen Programm.
Und dann das Internet. Auch der Zensor nagelt, nämlich den Pudding an die Wand. Doch in der Not ist das Rettende nah, nämlich Ursula von der Leyen, die mit dem Schwert des geradezu potentierten Jugendschutzes herbeieilt, also mit dem Schutz vor Kinderpornografie - dem Eisbrecher unter den Pro-Verbot-Argumenten, in dessen Fahrwasser sich noch so allerhand ausknipsen lässt. Netzsperre.
In China wiederum hat man ganz andere Probleme: der Film "Mumie 3" musste unter das Messer, weil dort "unzulässiger Gebrauch von Geistern" gemacht wurde.
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