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Ferien mit Tante Ingeborg von Uli Exner

Die Falle schnappt kurz vor Ende der Tagesthemen zu. Nach dem vierten Eierlikör und noch vor dem Wetterbericht. Falscher Fuß. Flucht Richtung Luftmatraze ausgeschlossen, beziehungsweise nur bei vorzeitigem Abbruch sämtlicher diplomatischer Beziehungen zu realisieren. „Was-issn-dieser-Herr-Vorschau-eigentlich-für-einer?-Im-Fernsehen-macht- der-ja-immer-soo-einen-guterzogenen-Eindruck.“

Wie Tante Ingeborg auf den Politik-Trichter gekommen ist, läßt sich im Nachhinein nicht mehr präzise feststellen. Tante Ingeborgs Nichte verwies später auf die roten Socken am Wäscheständer. Ich dagegen tippe nach wie vor auf Meyer-Bönnigstedt von nebenan. Einer von jener Sorte Nachbarn, die ihren Vorruhestand dazu nutzt, das Treppenhaus in eine Art speaker's corner zu verwandeln. Wobei Meinungsvielfalt vor Meyer-Bönnigstedts Tür in der Regel nicht allzu sehr gefragt ist.

„Der-soll-ja-auch-son-Roter-sein-der-Herr-Vorschau?“ Auch oberflächliche Beobachter der Hamburger Polit-Szene werden zugeben müssen, daß man diese Frage nicht so einfach mit ja oder nein beantworten kann, ohne eine wißbegierige ältere Dame aus Celle mutwillig auf das falsche Gleis zu setzen.

Also: SPD-Mitglied ist der Voscherau schon noch, Tante Ingeborg, aber ... „Och-wirklich-dabei-sieht-der-immer-so-adrett-aus“ ... aber das muß er hier als Bürgermeister auch sein. Das ist in Hamburg mit der SPD so ähnlich wie bei euch in Celle mit der CDU.

Das Ablenkungsmanöver gelingt. Vorläufig zumindest. „Wir-haben-ja-jetzt-den-Biermann-also-ich-weiß-ja-nicht-ob-das-nun-der-R ichtige-ist-Der-läßt-jetzt-einfach unsere-ganze-Straße-aufreißen-bis-zum-Bahnübergang-Oder-ob-da-auch-wiede r-der-Schröder-hintersteckt-dem-traue-ich-ja-alles-zu-Kannste-da-nicht-m al-was-drüber-schreiben?“

Der hilfesuchende Seitenblick in Richtung Tante Ingeborgs Nichte landet auf einem verlassenen Sessel. Desertiert.

„Wen-wählst-Du-denn-eigentlich?“ Das klingt ziemlich bestimmt. Bitte, Onkel Herbert, du rufst doch sonst dauernd an. Los jetzt, machst du dir denn gar keine Sorgen um deine Frau?

Macht er sich nicht.

„Also-der-Scharping-wie-der-schon-aussieht-Mein-Herbert-sagt-ja-imm er-der-wär-gar-nicht-anders-als-der-Kohl-Aber-allein-dieser-Bart-finste- nicht-auch-Ich-hatte-ja-früher-mal-nen-Bekannten-der-hatte-nen-ganz-süße n-Schnäuzer-Aber-so-einen ...“ Tante Ingeborg genehmigt sich noch einen Eierlikör ... „Nee-Da-war-der-Helmut-Schmidt-doch-ein-ganz-anderer-Son-patenter-Kerl-E rinnert-ja-son-bißchen-an-den-Herrn-Vorschau.“

Ja, Tante Ingeborg, da hast du recht.

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