Feministische Zeitung aus Guatemala: Eine Stimme für die Frauen
„La Cuerda“ ist Zentralamerikas einzige feministische Monatszeitung. Sie kämpft seit 18 Jahren für die Rechte von Frauen und Indigenen.
Viele Frauen sind auf der Titelseite der 191. Ausgabe von La Cuerda zu sehen. Beim Diskutieren, beim Singen, beim Demonstrieren, beim Argumentieren, aber auch beim Turnen und Kochen wurden die Guatemaltekinnen abgelichtet. Unbekannte Frauen, aber auch Symbolfiguren wie Claudia Paz y Paz oder Thelma Aldana, die beiden Generalstaatsanwältinnen, die der einst diskreditierten Justiz in Guatemala zu neuem Ansehen verholfen haben und verhelfen. Darunter prangt in dicken Lettern: „Erheben wir unsere Stimmen“.
Eine typische Zeile für La Cuerda, deren Redaktion in der dritten Straße im Zentrum von Guatemala-Stadt nicht weit vom Präsidentenpalast entfernt liegt. Ein unscheinbares zweistöckiges Haus. Oben ist die Redaktion, wo in aller Regel einer oder mehrere der drei Herausgeber*innen anzutreffen sind.
Ana María Cofiño ist eine von ihnen und hat die Zeitung vor nunmehr 18 Jahren mitgegründet. „La Cuerda ist ein Nachzügler, denn als in Zentral- und Südamerika in den 1970ern die ersten Frauenzeitungen und kommunalen Radios entstanden, tobte in Guatemala der Bürgerkrieg“, sagt die großgewachsene Anthropologin und schiebt hinterher: „An die Gründung einer Zeitung mit Anspruch war nicht zu denken.“ Die fand schließlich 1998, zwei Jahre nach dem Ende des blutigen Bürgerkriegs, statt. Heute hat das Monatsmagazin eine Auflage von 20.000 Exemplaren, es gibt rund 1.300 Abonnent*innen, 14.000 Besucher hat die Webseite täglich, und rund 8.000 Menschen folgen der Redaktion bei Facebook. „Ziel war es damals und ist es heute, die Stimme der Frauen in der Gesellschaft zu stärken. Das heißt ganz konkret, gegen Sexismus im Bildungssystem und in der Gesellschaft vorzugehen, die verbreitete Straflosigkeit und den Rassismus anzuprangern sowie die Rechte der Frau durchzusetzen“, erklärt Cofiño.
Dabei sind die Guatemaltek*innen ein ganzes Stück weitergekommen. Schon beim sogenannten Jahrhundertprozess vom Mai 2013 gegen Exdiktator Efraín Ríos Montt wurden indigene Frauen gehört, die ihre Vergewaltigung anzeigten. Im Februar 2016 erging dann das erste Urteil gegen zwei einstige Militärs wegen der Versklavung und wiederholten Vergewaltigung von fünfzehn Frauen der Ethnie der Maya-Q’eqchín.
Die Speerspitze im Prozess
Der Prozess war ein voller Erfolg für Guatemalas Frauenbewegung, denn die beiden Militärs wurden nicht nur zu langjährigen Haftstrafen verurteilt, auch das Verfahren setzte neue Maßstäbe: Die Frauen mussten nicht ins Kreuzverhör, sondern ihre Aussagen wurden per Video eingespielt. Das könnte zukünftig auch in anderen Vergewaltigungsprozessen zum Standard werden, hofft zumindest Luz Méndez von der Frauenvereinigung Guatemalas UNAMG. Bei der Berichterstattung über den Prozess sei La Cuerda die Speerspitze gewesen, sagt Méndez: „Die Redaktion hat schon vor der formellen Anklage berichtet, immer wieder neue Details geliefert und unsere Realitäten in den mittelamerikanischen Kontext gesetzt.“
Für die Redaktion genauso selbstverständlich wie Berichte über die Situation der Frauen mit indigenen Wurzeln, die zwar die Bevölkerungsmehrheit bilden, aber trotzdem über Jahrzehnte fast unsichtbar waren. „Zu unserem Anspruch gehört es, zu erklären, Bildung zu vermitteln und zum gesellschaftlichen Wandel beizutragen“, erklärt Ana María Cofiño.
Ana María Cofiño, „La Cuerda“
Wie ihre Redaktionskollegin Rosalinda Hernández, eine mexikanische Journalistin, schreibt sie eine Kolumne in der linksliberalen Tageszeitung El Periódico und steht wie alle aus dem 20-köpfigen Redaktionsbeirat für Diskussionen und Seminare über Feminismus zur Verfügung. „Das sorgt für frisches Blut in unserer Redaktion. Junge Frauen kommen vorbei, um sich zu informieren. Manche bleiben, weil unsere Arbeitsweise ihnen gefällt“, sagt Hernández.
Einige der Frauen, die die Titelseite der Nr. 191 zieren, haben dazu beigetragen, dass Frauenrechte in Guatemala heute ein Thema sind. So zum Beispiel die beeindruckend souveräne Richterin Jazmín Barrios, die trotz vieler Anfeindungen historische Urteile gesprochen hat, oder die afroguatemaltekische Journalistin Joanna Wetherborn. Die schreibt auch für La Cuerda – unentgeltlich wie alle anderen, denn Geld hat die Redaktion, die sich vor allem durch Spenden und Projektunterstützung aus dem Ausland finanziert, in aller Regel nicht zu vergeben.
Omnipräsente Gewalt gegen Frauen
Das ist bis heute so, und auch der Vertrieb läuft nach wie vor über Frauen- und soziale Organisationen, Kulturzentren, Museen und auch Botschaften. Dazu kommen Radio- und Videoclips auf der Homepage und der Verbreitungsweg Facebook.
Ein wiederkehrendes Thema ist die omnipräsente Gewalt gegen Frauen: Jedes Jahr werden mehr als 800 Frauen in Guatemala ermordet – von Partnern, Ehemänner, Angehörigen oder Unbekannten.
Sexuelle Gewalt ist weit verbreitet. 2015 wurden 2.100 Mädchen zwischen 12 und 14 Jahren registriert, die nach einer Vergewaltigung schwanger wurden. Rund 56.000 Vergewaltigungen werden pro Jahr angezeigt. „Auf diese Realität weisen wir immer wieder hin. Demonstrationen wie in Peru im August machen sichtbar, worunter fast alle Gesellschaften in Mittel- und Südamerika leiden“, erklären Hernández und Cofiño unisono. In Lima gingen am 14. August mehr als 50.000 Menschen gegen Gewalt gegen Frauen auf die Straße. Etwas Vergleichbares hat es in Guatemala bisher nicht gegeben.
Das soll sich ändern, und der schon angesprochene Sepur-Zarco-Prozess könnte dabei ein Wendepunkt sein. Rund um den Prozess wurde in Guatemala sehr differenziert über Gewalt gegen Frauen debattiert. Ein Fortschritt, der einiges mit den Frauen von La Cuerda zu tun hat.
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