Feministische Wohnungspolitik: Gebt den Girls die Innenstadt
Migrantisierte und alleinlebende Frauen sind auf dem Wohnungsmarkt stark benachteiligt. Die Linksfraktion fordert eine feministische Wohnungspolitik.
Im Vorfeld des Frauenkampftags am 8. März, diskutierte die Linke in einem Fachgespräch unter dem Schlagwort „feministische Wohnungspolitik“ über die Lage von Frauen auf dem Wohnungsmarkt und feministische Perspektiven gegen die Ökonomisierung von Wohnraum.
„Wohnen ist eine Klassenfrage“, erklärte die feministische Wohnforscherin Sarah Klosterkamp, „aber nicht nur“. Über Zugangs- und Verteilungsfragen entschieden mehrere Faktoren, etwa soziale und nationale Herkunft, Geschlecht oder Sexualität. Der Wohnungsmarkt sei das Ergebnis sozialer und ökonomischer Machtstrukturen.
„Frauen haben durchschnittlich weniger Einkommen und Vermögen als Männer und müssen daher einen größeren Teil ihres Einkommens für das Wohnen aufwenden“, so Klosterkamp. Während Männer häufiger bezahlte Lohnarbeit ausübten, übernähmen Frauen häufiger unbezahlte Care-Arbeit. Frauen hätten zudem weniger Zugang zu Bildung und sozialem Wohnraum und seien seltener Besitzende von Immobilien.
Gleichzeitig seien diejenigen, die Care-Arbeit leisteten, und das sind nun mal überwiegend Frauen, von bestimmen Lagen und Bedarfen in der Stadt abhängig sowie von sicherem Wohnraum, sagte Klosterkamp. So verfestigten sich die Strukturen und Abhängigkeitsstrukturen auf dem Wohnungsmarkt.
Intersektionale Diskriminierung
„Am häufigsten werden Wohnungssuchende aufgrund ihres Geschlechts, ihrer ethnischen Herkunft sowie ihres sozialen Status diskriminiert“, ergänzte die migrationspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Elif Eralp. Alleinerziehende und leistungsbeziehende Frauen, Frauen, die Gewalterfahrungen gemacht haben, People of Color: Sie alle hätten einen richtig schweren Stand.
Meist wirkten mehrere Unterdrückungsmechanismen zusammen. Die „ungünstigste Kombination“ mit Blick auf Diskriminierungserfahrungen betreffe Frauen mit Migrationshintergrund. Das ergebe sich aus den Diskriminierungsbeschwerden, die bei der Ombudsstelle für die Durchsetzung der Rechte nach dem Landes-Antidiskriminierungsgesetz (LADG) eingingen. Ursächlich für die Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt sei vor allem die massive Konkurrenzsituation sowie rassistische und sexistische Denkmuster bei den Entscheider*innen, so Eralp.
„Die unsoziale Wohnungspolitik ist kein Zufall, sie ist politisches Programm“, sagt auch Katalin Gennburg. Insbesondere die SPD habe ein Interesse an einer „strategischen Aufwertung der Stadtmitte“. Mit ihrer „Bauen, bauen, bauen“-Politik sorge sie dafür, dass „planlos nachverdichtet“ würde, während die Bedarfe von Quartieren ignoriert würden.
Der Gegenentwurf: Eine feministische Wohnungspolitik
Eine Erfahrung, die auch Jutta Brambach, Geschäftsführerin eines Wohnprojekts für lesbische Frauen, gemacht hat. „Es ist schwierig alternative Wohnformen mit anderen räumlichen Bedürfnissen zu entwickeln, weil das außerordentlich heteronormative Bauen von der Verwaltung unterstützt wird“, sagte sie.
Der Gegenentwurf zur „patriarchalen, neoliberalen Wohnungspolitik“: eine feministische Wohnungspolitik, die von Mieter*innen für Mieter*innen gemacht wird. „Der Hauptschlüssel liegt darin, der Verwertungslogik ein Ende zu setzen“, so Elif Eralp. Wohnraum solle kein gewaltvoller Ausschluss sein, sondern eine kollektive Praxis der Verbundenheit und Solidarität im Kiez, sagte auch die Frankfurter Wissenschaftlerin Tabea Latocha: „Wir wollen keine Marktpolitik, sondern eine inhaltlich gestaltende Politik, bei der die Bedürfnisse und Gemeinschaft im Mittelpunkt stehen.“
Dazu brauche es mehr Wohnraum für den sozialen Wohnungsbau, mehr Einrichtungen für geflüchtete Frauen und mehr Frauenhäuser und barrierefreie Wohnungen. Kurzfristig brauche es eine Stärkung des Verbandsklagerechts sowie der Fachstellen gegen Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt, sodass Betroffene sich stärker zur Wehr setzen und klagen könnten.
Langfristig müsse es endlich stärkere Vorgaben für den privaten Wohnungsmarkt geben. Aber auch die landeseigenen Wohnungsunternehmen seien in der Pflicht, mehr Transparenz herzustellen und Anti-Diskriminierungsstrategien aufzusetzen.
Modellbeispiel einer feministischen Wohnungspolitik
Obwohl die Situation „nicht so hoffnungsfroh“ sei, gebe es bereits einige Positivbeispiele, die ihr Kraft gäben, so Gennburg. Eines davon sei das Lesbenwohnprojekt und queere Zentrum von Jutta Brambach in der Berolinastraße in Mitte. Der Bau enthält 72 Wohnungen, eine Pflegewohngemeinschaft, einen Gemeinschaftsraum, Veranstaltungs- und Beratungsräume, und eine Kiezgastronomie.
„Es sieht toll aus, es ist auch toll, aber es ist auch ein Lehrstück für nicht-vorhandene Gendergerechtigkeit und das ständige Abarbeiten an Genderstrukturen“, berichtete Brambach. Es gebe keine stabile Finanzierung und die Zusammenarbeit mit der Vermieterin, der Wohnungsbaugesellschaft Berlin-Mitte (WBM), sei eine „komplizierte Konstruktion“.
Am Mittwochabend waren sich die Frauen einig: „Das sind noch ungewohnte und utopische Praxen. Aber wir wollen sie konkret werden lassen. Packen wir’s an!“
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