Feministische Kunst: Feine Unterschiede
Die Ausstellung „Der feine Unterschied“ führt im Kunstverein Langenhagen vier Generationen feministischer Künstlerinnen zusammen.
„Der kleine Unterschied und seine großen Folgen“, so heißt das Buch, das Alice Schwarzer 1975 zum bekanntesten Gesicht der zweiten Welle des Feminismus in der Bundesrepublik Deutschland gemacht hat. Als Angelpunkt der Frauenfrage machte Schwarzer darin die Sexualität aus: Unterwerfung, Schuldbewusstsein und Männerfixierung als pathologische Indizien weiblicher Ohnmacht in einer von Männern dominierten Welt. Das so offensichtlich problembeladene Private müsse als strukturelles gesellschaftliches Phänomen thematisiert werden.
„Der feine Unterschied“, so heißt nun in Abwandlung von Schwarzers bahnbrechendem Buch eine internationale Gruppenausstellung im Kunstverein Langenhagen – die das ganze Jahr über ausschließlich Arbeiten von Künstlerinnen zeigt. Der Hintergrund: Obwohl Frauen wohl mehr als die Hälfte der Kunst-Studierenden ausmachen, zeigen Museen und Ausstellungshäuser nach wie vor vor allem Einzelausstellungen von Künstlern.
„Der feine Unterschied“ führt nun Künstlerinnen, die schon in den 60ern und 70ern – also zu Beginn der zweiten Welle des Feminismus – aktiv waren, mit Künstlerinnen zusammen, die in den 60ern, 70ern und 80ern geboren wurden: Als Protagonistinnen einer sich explizit und reflexiv auf feministische Praktiken beziehenden Kunstproduktion beschäftigen sie sich mit dem Zugriff auf (öffentliche) Räume und dem Umgang mit spezifisch weiblichen Darstellungen in Bildern der visuellen Massenkultur. Die schwierige Botschaft, vielleicht: Nur in differenzierter intellektueller Revision geht’s für die Geschlechter weiter.
Der Leiterin des Kunstvereins, Ursula Schöndeling, war dabei wichtig, internationale Positionen aus vier Jahrzehnten versammeln zu können. Das Altersspektrum reicht von der mittlerweile 73-jährigen Wiener Medien- und Performancepionierin Valie Export bis zur 30-jährigen Hamburgerin Franziska Nast, die unter anderem mit Techniken und Motiven des Tattoos arbeitet.
Dabei will Schöndeling im Zeitalter kontroverser Diskussionen um Herdprämie und Quotenfrauen keine neue feministische Revolte lostreten. Vielmehr geht es ihr um den Dialog zwischen den Generationen. Und um Impulse im kleinen Städtchen bei Hannover. Dafür orientiert sie ihre Themen nah an deren Lebenswelt, wie sie sagt.
Im Schaufenster des Kunstvereins steht etwa die Arbeit „Common Land“ der 72-jährigen Britin Margaret Harrison. Eine Nachbildung ihrer Zauninstallation, die während des Friedenscamps im Greenham entstand. Von 1981 bis zur Auflösung 2000 protestierten dort 30.000 Frauen gegen die Stationierung nuklearer Cruise Missiles. Harrison hängte Babywäsche, Kinderfotos und Küchenutensilien an den Zaun. Um zu zeigen, dass die militärische Entscheidung weit in den Alltag hineinreicht.
Ursula Schöndeling weiß natürlich um das Risiko, mit derlei nicht ganz unproblematischen Symbolen konservativer Rollenzuweisungen zu operieren. Die Arbeit sei aber schon vor der offiziellen Ausstellungseröffnung eine Attraktion geworden. Interessiert seien die Passanten, vor allem Migrantinnen, davor stehen geblieben.
Konfrontiert wird die raumgreifende Arbeit mit zwei feinen Objekten der jungen deutschen Künstlerin Jenny Tischer. Sie webt oder plissiert Fotokopien programmatischer Texte, etwa von der US-amerikanischen Sprachkünstlerin Gertrude Stein, in neutrale Rahmen. Auch dies Techniken, die an traditionell weibliche Textilarbeit denken lassen.
Im Hauptraum des Kunstvereins geht es dann mit einem geballten Videoangebot weiter. Hier buchstabiert beispielsweise die US-Amerikanerin Martha Rosler in ihrem Klassiker von 1975, den „Semiotics of the Kitchen“, mit temperamentvollen Aktionen das traditionelle Inventar einer Küche durch: von A wie Apron – Schürze – bis zum X, Y, Z aus martialischen Besteckformationen.
Andrea Fraser, ebenfalls aus den USA, ließ sich wiederum 2001 durch einen Audioguide in Frank Gehrys Guggenheim-Museum in Bilbao im wahrsten Sinne des Wortes von seiner Architektur verführen. Fraser arbeitet in ihren Aktionen ganz offen mit Bildern der Sexualität, die sie als Kritik an Institutionen und Präsentationsformen des Kunstbetriebs einsetzt.
Und die kanadische Video-Künstlerin Diane Nerwen montiert Ausschnitte des deutschen Films „Die große Liebe“ von 1942 – Hauptdarstellerin: Zarah Leander – mit Szenen aus Streifen Marlene Dietrichs. In jiddischer Synchronisation entsteht so ein intimes Gespräch zwischen der Emigrantin Dietrich und dem NS-Liebling Leander über Liebe, Verrat, Enttäuschung.
Körperliche Aneignung im Selbstversuch bieten wiederum die Objekte der 36-jährigen Berlinerin Hella Gerlach. Sie arbeitet mit Textilien, aus denen sie beispielsweise das „Conversation Piece“, eine Art Paravent für zwei oder vielleicht auch mehrere Personen erstellt. Verschiedene Konstellationen zwischen offen und eingeschnürt lassen sich performativem Situationismus anpassen. Ihre Handschmeichler aus (vibrierender) Keramik wollen angefasst werden, während Gerlachs kubisches „Element XIII, Sauna“ aus dem Push-Textil einschlägiger BH-Modelle in einen schwarzen Schwitzkasten einlädt.
Den Ausstellungsraum durchmessen zwei großformatige Fotos der „Körperkonfigurationen“ der Grande Dame Valie Export. Ab den 1970er-Jahren entstand ihre Serie mimetischer Annäherungen an herkulische Architekturen der Wiener Ringstraße: die ganz offensichtliche Diskrepanz zwischen fremdem und ihrem eigenem Körper.
■ bis 22. September, Kunstverein Langenhagen, Mi–So 14–1 Uhr
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