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Feinheiten des Teig­strang-GebäcksFragen Sie die Brezologin

Am Sonntagabend zur Wahl in Baden-Württemberg kann es nur ein passendes Gebäck geben: dünnarmige schwäbische Brezel mit dickem Bauch.

Hatte schon Einfluss auf die Weltpolitik: schwäbische Brezel Foto: Shotshop/imago

Als mich der Auftrag ereilte, ich möge einen Text über Brezeln schreiben, war meine erste Reaktion ein nie dagewesener Panikanfall. Mein Gesicht wurde fahl, meine Ohren heiß und rot, und meine Arme begannen unkontrolliert zu schlackern. „Ein Text über Brezeln“ – sollte ich mich wirklich auf dieses hochgefährliche Minenfeld voller Fettnäpfchen wagen? Sei’s drum.

Als gebürtige Westfälin dachte ich immer, Brezel sei halt Brezel. Wie dumm ich doch war. Dann aber führte mich ein amouröses Abenteuer tief in die südlichen Gefilde unseres Landes, weit in einen Kulturkreis, der dem meinen so fremd und deshalb so faszinierend war. Ich erlernte mehr oder weniger gut die Sprache und fühlte mich inmitten feiernder baden-württembergischer Eingeborener plötzlich nicht mehr wie eine Idiotin, die nichts versteht und nur blöd gucken kann. Ich begann auch, den Unterschied zwischen Schwaben und Badensern … oh, Verzeihung, zwischen Schwaben und Badenern zu lernen. Heute vermag ich zu sagen, dass ich in der Urbevölkerung mittlerweile als eine der Ihren akzeptiert werde.

Wie anders verhielt es sich da mit den Brezeln. Ich hatte ja nicht geahnt, welche Vielfalt da über mich hereinbrechen sollte, welche symbolische Bedeutung und religiöse Sprengkraft die verschiedenen Ausführungen dieses geheimnisvollen Gebäcks besitzen.

Ich erinnere mich, als wäre es erst gestern gewesen, als ich im Ländle frohgemut zu einer Backstub’ sprang, um leichten Herzens meine erste eigene Brezel zu kaufen. Doch kaum hatte ich den duftenden Laden betreten, stockte mir auch schon der Atem. Brezeln über Brezeln in der Auslage, dicke, dünne, helle, dunkle, große, kleine, mit Streuseln oder ohne – ich wollte schon den Rückzug antreten, als sich die Bäckerin vor mir aufbaute und nach meinem Begehr fragte.

Es war eine Brezel, die den Präsidenten George W. im Januar 2002 daheim vom Sofa schubste

Heute bin ich mir nicht mehr sicher, ob ich wirklich einen spöttischen Zug um ihre Mundwinkel wahrnahm, damals aber wusste ich genau, dass sie in mein Innerstes blickte. „Bitte“, so flüsterte ich mit gebrochener Stimme, „ich möchte eine Brezel kaufen.“ Die Bäckerin betrachtete mich mit stechendem Blick, deutete mit einer fast segnenden Handbewegung auf die Auslage und fragte schnarrend: „Nun, welche?“ Ich konnte meinen Blick nicht von dem ihren befreien, ich stand da wie das Kaninchen vor der Schlange und deutete nur mit bebendem Zeigefinger irgendwohin und krächzte leise: „Die da.“

Was ich dann nach Hause trug, war ein wagenradgroßes, wabbeliges, fast weißes Teil mit riesigen Zuckerstücken bestreut und ganz gewiss nicht das, was ich ursprünglich hatte haben wollen. Eine österliche Fastenbrezel, wie ich mittlerweile weiß. Ich wurde mir meiner eigenen Unzulänglichkeit bewusst, und mein Ehrgeiz war geweckt.

Fortan widmete ich mich in jeder freien Minute der Brezologie. Ich erlernte den Unterschied zwischen der gleichmäßig dicken Bayerischen Brezn zur dünnarmigen Schwäbischen Brezel mit dem dicken Bauch. Ich weiß jetzt auch, dass man die Bayrische Brezn nur mit Weißwurst, Weißbier und vor zwölf Uhr mittags essen darf, sonst wird man vom Blitz erschlagen. Die Reihenfolge historischer Erwähnungen verschiedener Brezeltypen, ihre Bedeutung für die Freimaurer und die mannigfachen Legenden ihrer Herkunft kann ich inzwischen auswendig aus dem Effeff hersagen, genauso wie die geheimen Codes der Bäcker-Innungen. Auch ihren Einfluss auf die Weltpolitik weiß ich jetzt zu schätzen. War es doch eine Brezel unbekannter Herkunft, die am 12. Januar 2002 den US-amerikanischen Präsidenten George W. Bush wagemutig vom Sofa geschubst hatte.

Die nächste große Aufgabe, die ich bei meinen Forschungen in Angriff nehmen werde, ist die vollständige und endgültige Beantwortung der Frage, wer wann und wo genau die Brezel erfunden hat. War es der Hofbäcker Frieder aus Urach, der nach einem Frevel sein Leben nur retten konnte, in dem er einen Kuchen buk, durch den man dreimal die Sonne sehen konnte? Oder war es sein elsässischer Kollege Dorebaek aus Ingwiller, der ein gleichartiges Pro­blem mit einem dreifenstrigen Brot löste? Oder wer ganz anders? Ich werde es herausfinden und mir damit mächtige Feinde machen. Doch auch Galileo war die Wahrheit wichtiger als seine Angst vor der Obrigkeit.

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11 Kommentare

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  • Die klassischen Laugenbrezeln mag fast jeder auf Anhieb. Bei uns arbeiten Schwarz- und Nordafrikaner, Inder, Rumänen, Franzosen ,Spanier etc. und eine knusprige Laugenbrezel verschmäht keiner. Leider bringt selbst im Kernland der Laugenbrezel nicht jeder gute Ware hin. Mein Tipp"Bäcker Weismann in Wilschbach".

  • Ein Hamburger, ein Zürcher und ein Schwabe fahren im Zug von Zürich nach Frankfurt. Fragt der Zürcher den Hamburger: "Bisch z Züri gsi?" Der Hamburger: "Häääh"? Und der Schwabe (zum Hamburger): "Är moint "gwee""

    :-)

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Wo gibt es die schlechtesten Brezeln in Berlin? Bei REWE!



    Das ist nicht genießbar.

    • @17900 (Profil gelöscht):

      Hey hey, bitte keine Werbung sonst rennen noch alle Leute in den Laden und probieren, ob es wirklich die schlechteste ist...

  • Schade, dass man in den Rheinlanden und Westfalen verschämt zum ALDI-Backautomaten schleichen muss um wenigstens ansatzweise ordentliche Brezeln zu bekommen. Die üblichen übriggebliebenen Dorfbäcker, genau wie die großen Filalketten schaffen nur ein pappiges Etwas und die völlig überteuerten Brezeln eines schweizer Konzerns, die an großen Bahnhöfen und Flughäfen feilgeboten werden, passen nur zum reduzierten Allerweltsgeschmack der Businesswelt.

    Also werden Brezelfreundin und Freund aus dem Norden, kommen sie nach Baden-Württemberg, den Abstecher aufs Dorf machen müssen und in den Warteschlange den garstigen und misstrauischen Blicken der schwäbischen Hausfrauen so lange standhalten bis man die gesamten Brezelvorräte der Bäckerei in mehreren Tüten verstaut und das Ortsschild sicher hinter sich gelassen hat.

    • @Khaled Chaabouté:

      Khaled, als Schwabe find ich's natürlich klasse, dass du schwäbische Brezeln magst. Aber tütenweise Vorräte mitzunehmen, ist bei richtigen, guten schwäbischen Brezeln keine besonders empfehlenswerte Idee. Sie sollten immer frisch gegessen werden, am besten mit dick Butter. Noch am gleichen Abend schmecken sie „lätschig“, besonders wenn das Wetter feucht ist. Also, immer nur so viel kaufen, wie man gerade auch braucht...

  • Die von der ehemaligen Landsmännin beschriebene "Fastenbrezel" ist hier im westlichen Westfalen/östlichen Ruhrgebiet vor allem an St. Martin anzutreffen. Ansonsten scheint mir die Brezel tatsächlich hier nicht regional verankert.

  • Also die beschde Brezzle hatts friehr immer beim Helmer in de Karl-Friedrich-Schdrooß in Karlsruh gewwe. Schee warm sin die außem Ofe direkt in d’Gugg komme. Der Lade haaißt heit anerschd, awwer gut sind die immer noch, un dess isch jeds koi Schleichwerbung.

    • @Jürgen Vogt:

      Dess isch awer scho lang her mit'm Helmer. Die Brezzle ware klasse! Der Laade haoißt heit 'Badisch Backstub'. Unn isch nix b'sonners meh............ :-)

    • @Jürgen Vogt:

      Awa, d bescht giits immerno bim beha z' Villinge!