: Feine Unterschiede
Zwischen Nation und Bohème: Die Ausstellung „Im Lichte Caspar David Friedrichs“ ■ Von Hajo Schiff
Kunst und Politik halten trotz vieler Sonntagsreden nicht viel von- einander und sind doch aufs Engste miteinander verbunden. Wenn dieses ganze Jahr von Kopenhagen aus ein „Kulturvorstoß“ erfolgt und ein mächtig gefördertes Programm „Danmark til Hamborg“ für Kunst aller Art aus unserem nördlichen Nachbarland sorgt, so hat das sicher aktuelle Gründe. War die Stadt Altona auch einst die zweitgrößte unter dänischer Krone und benutzen die Hamburger gerne Ferienhäuser in Jütland, geht es heute auch um den nach 1989 veränderten, baltischen Wirtschaftsraum, an den Dänemark zentral angrenzt.
Der traditionelle Teil des Programms „Danmark til Hamborg“ beginnt mit einer hochkarätigen Kunstausstellung in der Hamburger Kunsthalle, die die übergreifenden Beziehungen der Künstler in Dänemark und Norddeutschland am Beginn des 19.Jahrhunderts zum Thema hat. Die Akademien in Kopenhagen und Dresden waren damals Fixpunkte einer Künstlertopografie, in der natürlich auch Rom nicht fehlen durfte. Das Licht des italienischen Südens zog sie alle an, auch die großen Kopenhagener Lehrer wie den in Schleswig geborenen Christoffer Wilhelm Eckersberg und seinen mit beeindruckenden Bildern vertretenen Schüler Chris-ten Købke.
Auch Caspar David Friedrich studierte in Kopenhagen und lebte später mit dem im dänisch-norwegischen Bergen geborenen Johan Christan Clausen Dahl im selben Haus in Dresden. Die Nordeuropäische Malerei war damals international und zeichnete sich durch einen neuen, ebenso genauen wie frischen und ganz unpathetischen Stil aus: Das Bestreben nach genauer Beobachtung von Stadt und Land führt zum scharfen Blick auf bisher Unbeachtetes, zu ungewöhnlichen Blicken auf Hinterhöfe und in bisher kaum darstellungswürdige Landschaften – und die Malerei selbst mit innerer Logik zur Fotografie.
Die Wahrnehmung feinster Unterschiede der Landschaft und die Romantisierung des speziellen Kulturerbes bereitet aber auch aus einer internationalen Künstlergeneration heraus in der Ablehnung klassischer Verbindlichkeiten die Haltung vor, in der die Nationalstaaten entstehen werden: Norwegen und Schleswig-Holstein verlassen den liberalen und so lange erfolgreichen dänischen Gesamtstaat, nach weit über tausend Jahren beginnt Italien eine staatliche Einheit zu suchen und Preußen übernimmt die Führung in ein neues deutsches Reich. Louis Gurlitt aus Altona wird nun für zwei nationale Kunstgeschichten reklamiert, der in Dresden gestorbene Johan Chris-tian Clausen Dahl wird als Norweger wahrgenommen, und Berthel Thorwaldsen, der sein ganzes Leben als Künstlerstar in Rom zugebracht hat, wird zum dänischen Künstler und bekommt in Kopenhagen ein eigenes Museum gebaut.
Aber in dieser Malerei ist nicht nur der Weg zum Realismus und zur Staatskunst gleich welcher goldenen Zeitalter angelegt. Ebenso liegt hier in der Romantik auch die Quelle eines zweiten, ganz anderen Weges: Der antiklassische Blick war um 1800, wo an den Akademien mehrheitlich heroische Malerei gelehrt wurde, die Haltung einer progressiven Minderheit. Und der Versuch, aufs Genaueste das Spiel des Lichtes, die Brüche des Gerölls und den schnellen Zug flatterhafter Wolken zu erfassen, führt zu einer befreiten Malerei, zur subjektiven Malgeste, letztlich zum Impressionismus eines ein für alle Mal einzigen Augenblicks. Und den zu erfassen ist nur das einsame Künstlergenie mit seiner besonderen Individualität in der Lage: So begründen sich hier auch antibürgerliche Bohème und verabsolutierender Künstlerkult.
Im Lichte Caspar David Friedrichs – Frühe Freilichtmalerei in Dänemark und Norddeutschland“, Hamburger Kunsthalle, bis 26. März. Katalog 220 Seiten, 39 Mark
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