: Feindbilder
■ Die türkische Presse polemisiert gegen die Armenier
Istanbul (taz) - „Die Kreuzritter des 20. Jahrhunderts... Schon wieder provozieren die Armenier... ihr Ziel: Die Eroberung türkischen Landes und der Traum von Groß Armenien“. Mit solchen Schlagzeilen meldete die türkische Presse in den letzten Tagen die Auseinandersetzungen zwischen Armeniern und Aserbeidjanern in der Sowjetunion. Die ethnischen Konflikte in den beiden Sowjetrepubliken liefern in der Türkei den Stoff, um abermals das Feindbild vom terroristischen Armenier an die Wand zu malen. Der Völkermord an den Armeniern, von dem mit Deutschland verbündeten jungtürkischen Regime 1916 geplant und durchgeführt, gehört schließlich auch zu den Tabu–Themen in der türkischen Republik, während die Attentate der armenischen Untergrundorganisation „Asala“ stets einen Aufschrei der Empörung nach sich ziehen. Die Kommentare in der türkischen Presse, die fast durchweg für die türkischstämmigen Aserbeidjaner Partei ergreifen, reichen von Schadenfreude, daß die Armenier nun auch dem kommunistischen Erzfeind Sowjetunion Ärger bereiten, bis hin zu Mitgefühlen für die sowjetische Führung. „Die Ereignisse müssen dem Kreml die Augen öffnen. Der Traum von Groß–Armenien ist eigentliches Ziel der armenischen Militanten, und diese Stoßrichtung stellt nicht nur für die Türkei eine Bedrohung dar, sondern ebenfalls für die nationale Einheit und den inneren Frieden in der Sowjetunion“, schreibt Haluk Ülman in der größten türkischen Tageszeitung Hürriyet. Regierungsnahe Kreise warnen davor, den Konflikt hochzuspielen und als Trumpf gegen die Sowjetunion auszuspielen. Wir sollten nicht vergessen, daß das Potential der Sowjets, der Türkei Unannehmlichkeiten zu bereiten, größer ist als umgekehrt“, warnt M. Ali Birand in der Milliyet unter Anspielung auf die unterdrückte kurdische Minderheit in der Türkei. Die extreme Rechte wittert dagegen schon Chancen für ein vereinigtes Großtürkisches Reich. „Jetzt ist die schwache Zeit des Kreml. Wir sind eine Kultureinheit mit Aserbeidjan“, ist in Tercüman zu lesen. FORTSETZUNG VON SEITE 1
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