Fehmarnbelt-Querung: SPD geht auf Distanz: Schweres Wetter über Fehmarn
Die SPD in Schleswig-Holstein geht auf Distanz zum Tunnel unter der Ostsee. Die Gefahren für Tourismus und Dumpinglöhne beim Bau seien nicht akzeptabel. Gegner des Projekts sind zum Dialog bereit.
HAMBURG taz | Schleswig-Holsteins SPD geht auf Distanz zur geplanten Querung des Fehmarnbelt. Er sei "erstaunt über die einhellig positive Haltung in Dänemark zu dem Vorhaben", sagte der Partei- und Fraktionsvorsitzende im Landtag, Ralf Stegner. Es gebe "ernsthafte und gewichtige Argumente gegen das Projekt". Deshalb werde die SPD auf ihrem Parteitag am Wochenende in Husum ihre Position "neu bestimmen", so Stegner.
Auf einer Veranstaltung des DGB Norddeutschland in Eutin nannte Stegner eine Reihe von Bedingungen, die erfüllt werden müssten, damit die SPD sich doch noch für das Milliardenprojekt aussprechen könne. Die Region zwischen Fehmarn und Hamburg dürfe "nicht zum Transitland" werden, die Bahntrasse müsse von den Kurorten an der Ostsee ins Binnenland verlegt werden, um den Tourismus nicht zu gefährden. Der Fremdenverkehr ist in der betroffenen Region Ostholstein der wichtigste Wirtschaftszweig. 2008 verzeichneten die Badeorte zwischen Lübeck und Fehmarn fast 17 Millionen Übernachtungen.
Auch müsse Schleswig-Holstein durch einen Bauhafen, in dem Elemente des geplanten Tunnels gefertigt würden, an Wertschöpfung und Arbeitsplätzen beteiligt werden. Und zwar "zu deutschen Löhnen", wie Stegner und auch der Vorsitzende des DGB Nord, Uwe Polkaehn, klarstellten. Eine Fertigung zu Dumpinglöhnen in Polen, die die dänische Realisierungsgesellschaft Femern A/S angeblich plant, sei nicht akzeptabel.
Die Fehmarnbelt-Querung soll die dänische Insel Lolland und die deutsche Insel Fehmarn durch einen Tunnel zwischen den jetzigen Fährhäfen Rødby und Puttgarden miteinander verbinden.
Kapazität: Der 18,2 Kilometer lange Tunnel bietet in drei Röhren Platz für eine vierspurige Autobahn und zwei Bahngleise.
Fahrzeiten: Die Durchfahrt mit dem Auto soll in etwa zehn Minuten möglich sein (Tempolimit: 110 km/h), mit dem Zug in sieben Minuten (Tempolimit: 200 km/h).
Bauweise: Der Absenktunnel besteht aus 89 Elementen aus wasserdichtem Beton. Die jeweils etwa 200 Meter langen Segmente sollen in Bauhäfen in der Nähe hergestellt werden, unter anderen bewirbt sich Lübeck als Standort. Der Tunnel wird mit einer 1,2 Meter dicken Gesteinsschicht vor Kollisionen mit Schiffen geschützt.
Zudem dürfe "der Fehmarnsund kein Nadelöhr werden", forderte Stegner. Der Ausbau oder Ersatz der fast 50 Jahre alten zweispurigen Brücke zwischen Fehmarn und dem ostholsteinischen Festland ist nicht möglich, weil sie unter Denkmalschutz steht. Ein ergänzender Tunnel wäre nach ersten Schätzungen mit mindestens 300 Millionen Euro zu veranschlagen - eine Summe, die noch in keiner Planung enthalten ist.
Dem Parteitag liegt inzwischen ein entsprechender Antrag vor, der die Fehmarnbelt-Querung als "gewaltige Fehlinvestition" bezeichnet. Die Rentabilität der Verbindung sei nicht gesichert, der Tunnel dürfte "zum Milliardengrab" werden. Auch drohten "unkalkulierbare biologische und hydrologische Folgen in einem von der EU geschützten Flora-Fauna-Habitat". Deshalb könnte die Haltung der SPD zum Bau der Querung "heute nur NEIN lauten", so der Antrag, dessen Annahme durch den Parteitag die Antragskommission empfiehlt.
Dänemark will das mindestens 5,1 Milliarden Euro teure Projekt dennoch auf eigene Kosten verwirklichen, die deutsche Seite wäre nur für den Ausbau von Straßen und Schienen in Schleswig-Holstein zuständig. Die Kosten dafür werden auf 800 Millionen geschätzt. Der Bundesrechnungshof geht inzwischen vom doppelten Betrag aus, ein zusätzlicher Tunnel unter dem Fehmarnsund würde die Summe auf über zwei Milliarden Euro anschwellen lassen. Grundlage für den Bau ist ein deutsch-dänischer Staatsvertrag von 2008. Dieser enthält jedoch eine Ausstiegsklausel für den Fall erheblicher Kostensteigerungen.
Die "Allianz gegen die feste Fehmarnbeltquerung" erklärte am Dienstag ihre Bereitschaft, sich an einem "Dialogforum" zu beteiligen. Dessen Einrichtung unter neutraler Leitung hatte Wirtschaftsminister Jost de Jager (CDU) in Eutin angekündigt. Dabei gehe es aber "nur um das Wie, nicht mehr um das Ob", stellte de Jager klar. "Unser grundsätzliches Nein zur festen Fehmarnbelt-Querung bleibt bestehen", sagt Bündnis-Sprecher Malte Siegert. Der Dialog müsse allerdings "ergebnisoffen" ein. Auch die Grünen im Landtag fordern, dass "sehr wohl über das Ob der Querung gesprochen werden muss", so ihr Verkehrsexperte Andreas Tietze: "Greenwashing funktioniert nicht."
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