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Fehlsteuerung bei ArbeitsmarkthilfeMillionen gehen retour

CDU kritisiert, dass Mittel für Langzeitarbeitslose an den Bund zurückfließen. Ein-Euro-Jobber geben schneller auf.

Dürfen nur noch bei "mehreren Vermittlungshemmnissen" die Stadt aufräumen: Ein-Euro-Jobber. Bild: dpa

Schlechten Stil wirft CDU-Faktionschef Dietrich Wersich Arbeitssenator Detlef Scheele (SPD) vor. Dieser habe die Spielregeln des Parlaments missachtet, als er am Freitag die wichtigsten Zahlen aus der Antwort auf eine Anfrage der CDU-Abgeordneten Friederike Föcking der Presse mitteilte, noch bevor die sie erhielt. Wersich: „Er hatte wohl Angst vor der Reaktion auf die verlorenen zehn Millionen und wollte sicherstellen, dass er seine Lesart zuerst streuen kann.“

Zehn Millionen Euro sind es wohl mindestens, die von den insgesamt 110 Millionen Euro des Eingliederungstitels (EGT) für Langzeitarbeitslose 2012 übrig bleiben und an den Bund zurück fließen. Föcking, die nun ihre Zahlen hat, rechnet angesichts der tatsächlichen Ausgaben gar mit 15 Millionen. Scheele macht dafür rigide Vorgaben der Bundesarbeitsagentur verantwortlich, die er ändern will.

Doch Wersich findet, der Senator schiebe die Schuld „mal wieder“ anderen zu. Schon im Vorjahr, als 20 Millionen übrig blieben, hatte Scheele gestreut, der geschasste Jobcenter-Chef Thomas Bösenberg sei dafür verantwortlich. Doch im Jahr 2010 – zu CDU und Bösenberg-Zeiten – wurde der EGT zu 98 Prozent ausgeschöpft. „Damals galten die gleichen Vorgaben der Bundesagentur“, weist Föcking Scheeles Argument zurück.

Die CDU fordert nun, Geld von 2012 auf Maßnahmen im Januar 2013 zu übertragen. „Das geht“, sagt Föcking. So würde immerhin etwas gerettet. Um gut zu steuern und zu wirtschaften, müsse Hamburg dann zu Jahresbeginn 110 Prozent des bewilligten Geldes verplanen.

Das Geld ist unter anderem bei den Ein-Euro-Jobs übrig, die seit 2010 ohnehin von rund 9.000 auf 4.200 Plätze radikal gekürzt wurden. Laut Senatsantwort kommen auf diese Plätze aber über 11.000 Zuweisungen, weil Teilnehmer oft Maßnahmen vorzeitig beenden. Hier liege ein Kern des Problems, sagt Jobcenter-Sprecherin Heike Böttger. Für Arbeitsgelegenheiten (AGH) kämen nur noch Arbeitslose mit „mehreren Vermittlungshemmnissen“ in Frage. Die hielten im Schnitt nur noch vier Monate durch. Um einen Platz ein Jahr besetzt zu halten, brauche man heute drei Teilnehmer, in der Zwischenzeit seien Plätze „oft unbesetzt“.

Träger-Sprecherin Petra Lafferentz lastet auch dies Scheeles Politik an: Der Senator lehne es ab, über AGHs soziale Infrastruktur zu finanzieren. Nun gebe es kaum noch AGHs in Stadtteilprojekten.

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4 Kommentare

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  • SU
    systemimmanente Unfähigkeit

    Interessant das "rigide Vorgaben der Bundesarbeitsagentur" vorhanden sind. Wer soll das glauben?

     

    Da erhält eine Landesregierung Mittel zur Verfügung und gibt ca. 10% am Jahresende zurück.

    Wer möchte Jahresanfang nicht gerne 10-15 Millionen Euro zur Spekulation an der Börse für 12 Monate nutzen?

     

    Typische Politik, die eigene Unfähigkeit auf den Schultern anderer ausbaden und die Justizkasse zahlt ihre Aussenstände der Betreuerbestellung nicht.

    @Barbara Uduwerella: Viele gesetzlichen Betreuer erhalten ihr Geld nicht, ein Skandal erster Güte.

     

    Eine bundesweite kleine Anfrage welche Bundesländer Bundesmittel aus dem Eingliederungstitels (EGT) zurück geben, dürfte die Augen weiter öffnen.

    Illegale Querfinanzierung der Landeskassen, zum Wohle der Landesbanken deren Vorstände teilweise aus der Politik kommen, somit Doppelverdiener sind?

    Linke Tasche, rechte Tasche und die Mitte ein Bordell.

  • BU
    Barbara Uduwerella

    Die ARGE arbeitet mit dubioen Mitteln und fehlendem Durchblick.

    Einem Kunden der ARFE, dem man auch als Laie ansehen konnte, dass der psychische Probleme hat, wurden die Leistungen auf 75 € monatl. zusamengekürzt und ihm keine Esensgutscheine ausgehändigt.

    Als er sich hochgradig suizidgefährdet bei unerem Projekt meldete, konnte ich ihm einen 1€-Job klar machen, vorausgesetzt, die ARGE erteilt die Zustimmung.

    Die Zustimmung wurde nicht erteilt, da man angeblich für die Tätigkeit ein poliz. Führungszeugnis benötigen würde, was lt. 1€- Jobstelle Unfug sei, da es sich um einfache Malerarbeiten handeln würde. Auch der Teamleiter, an den ich mich beschwerdemäßig wandte, sah nach und bestätigte den Irrtum seine Mitarbeiters, aber die Zuweisung wollte er niht umgehend ausstellen.Empört wurde ich gefragt, ob ich wisse, welchen Arbeitsufwand dieses bedeuten würde....

    Schon dreist, wenn man als "Spielverderber" das Beamtenmikado stört. Eine Woche später hatte er dn nächsten Termin, aber immer noch nicht die Zuweisung.

    Bis zum heutigen Tag wurde diese nicht erteilt!

    Ich bin dafür, dass das Gehalt dieser leute bei solchen Dienstfehlrn in gleicher Weise gekürzt wird, wie den "Kunden" der ARGE. Vielleicht kommen sie dann bei der Ausgabe der Hamburger Tafel mal ins Gespräch und lernen durch Erfahrungsaustausch.

    Personen, die ih im Leistungsbezug der ARGE befinden, bekommen wertvolle Hilfen bei der Arbeitslosen-Telefonhilfe in HH.

    zentrum@arbeitslosen-telefonhilfe.de

  • L
    Lillie

    Wenn das übriggebliebene, also nicht in Eingliederungsmaßnahmen eingebrachte Geld nun an den Bund zurück fließt, ist das schon ein Systemfehler seitens des Jobcenter-Reglements. Das gilt auch für die Bezuschussung von Ein-Euro-Job-Maßnahmen, die vorzeitig abgebrochen werden.

     

    Die Eingliederungsmaßnahmen führen eindeutig nicht zur Eingliederung in den 1. Arbeitsmarkt, in eine sozialversicherungspflichtige Vollzeitarbeit schon längst nicht mehr. Zumeist oder anteilig am höchsten bieten die Jobcenter Trainingsmaßnahmen für Bewerbungen an, danach kommen zweifelhafte "Fortbildungsmaßnahmen", die oft keinerlei Wert für Firmen darstellen oder am Markt vorbei durchgedrückt werden, denn der Erwerbslose MUSS die ja annehmen. Lehnt er ab, führt dies zu einer Leistungskürzung oder gar völligem Wegfall des Arbeitslosengeldes. Abbrüche infolge eigeninitiativer Jobsuche oder wegen Krankheit sind an der Tagesordnung.

     

    Böte man sinnvolle, nach Nachfrage gestaffelte Weiterbildungen an, wäre die Fluktuation nicht so hoch. Also auch hier systembedingt. Auch sind die Ein-Euro-Jobs so angelegt, dass, sobald der Ein-Euro-Jobber einen anderen Arbeitsplatz in Aussicht hat, diesen Ein-Euro-Job sofort beenden kann. Das ist so gewollt und auch sinnvoll so, denn richtige Arbeit geht doch wohl vor. Aber insgesamt zeigt sich, dass das schon systembedingt ist, wenn Gelder übrigbleiben. Auch dass die zurück an den Bund gehen, ist richtig so, denn dort können sie wieder umverteilt werden an bedürftige andere Jobcenter oder Landesarbeitsämter, um dort wiederum Maßnahmen durchführen zu können.

  • H
    Harro

    Die Arbeitsgelegenheiten (AGH) sind einfach ohne Erfolg. Dass muss man wissen, bevor man hier liest, was fuer ueble Verdrehungen der Senator mache. Uebrings ist Scheele selber ein Fan der Arbeitsgelegenheiten gewesen. Er duerfte als Chef der Hamburger Arbeit immer noch den Rekord in der Schaffung dieser Massnahme halten.

     

    Wenn man allerdings weis, dass die Erfolgsquoten bei unter 15 Prozent liegen, also 85 Prozent komplett ins Leere laufen, dann sollte niemand mehr in diese Massnahmen ueberhaupt geschickt werden. Das Geld sollte an die BA tatsaechlich zurueck gehen, dort findet sich vielleicht eine produktivere Nutzung.