Fehlende Grundschulplätze in Mitte: Keiner geht mehr rein
Der Bezirk Mitte hat 500 SchulanfängerInnen mehr als 2014. Kurz vor den Sommerferien wissen viele Eltern noch nicht, auf welche Schule ihr Kind gehen wird.
Dass es im kommenden Schuljahr eng werden wird an den Grundschulen, wurde spätestens in der vergangenen Woche klar. Rund 1.000 SchulanfängerInnen mehr als noch 2014, zitierten Medienberichte die Senatsbildungsverwaltung. Nun ist auch klar, wer die Hauptlast tragen wird. Denn die Hälfte des Schüleransturms entfällt auf nur einen einzigen Bezirk – auf das ohnehin nur mit geringen Platzreserven ausgestattete Mitte.
Für einen Moment herrschte denn auch peinliche Stille in der jüngsten Bezirksverordnetenversammlung im Rathaus an der Karl-Marx-Allee, als Schulstadträtin Sabine Smentek (SPD) die ganze Misere in Zahlen fasste. „Wir haben mit 3.000 Anmeldungen gerechnet, seit ungefähr zwei Monaten wissen wir, dass wir mit 500 Kindern mehr planen müssen.“ Damit gebe es in Mitte mehr Anmeldungen als freie Schulplätze.
Um doch noch alle Kinder unterzubringen, sollen nun zehn Schulen im Bezirk jeweils bis zu zwei zusätzliche Klassen aufnehmen. An einigen Schulen sei „die Kapazitätsgrenze noch nicht voll ausgeschöpft“, so Smentek im Bezirksparlament.
Dieser Satz bringt wieder Leben in die hinteren Saalreihen. Zahlreiche Eltern der Erika-Mann-Grundschule nebst Nachwuchs sind am Donnerstagabend ins Rathaus gekommen. Denn auch die ohnehin immer stark nachgefrage Weddinger Schule soll rund 50 zusätzliche Kinder aufnehmen. Als Smentek von den noch nicht voll ausgelasteten Kapazitäten spricht, lachen einige Eltern höhnisch.
Fehlende Raumplanung
„Das wird zulasten der Qualität unserer Arbeit gehen“, sagt Tina Hilgenfeld, die als Erzieherin an der Erika-Mann-Schule arbeitet und mit einigen KollegInnen ins Rathaus gekommen ist. „Wir wissen erst seit einer Woche von den zusätzlichen Schülern, und es gibt überhaupt keine entsprechende Raumplanung.“ Schon jetzt seien nachmittags bis zu 50 Kinder in einer Hortgruppe.
Auch über zusätzlich benötigtes Personal herrscht nur drei Wochen vor den Sommerferien Unklarheit. „Wir brauchen aus unserer Sicht nun vier Stellen mehr, aber ob wir die so kurzfristig bekommen, kann uns keiner sagen“, meint Hilgenfeld.
Hängengelassen fühlen sich indes auch die Eltern der SchulanfängerInnen. Noch immer warten viele auf einen Bescheid vom Schulamt – und damit auf Klarheit, wo genau ihr Kind denn nun in Kürze lesen und rechnen lernen soll.
„Man hat uns gesagt, es würde dieses Jahr länger dauern, weil die Schulen so überfüllt seien – was auch an den gestiegenen Flüchtlingszahlen läge“, sagt eine Mutter aus Moabit der taz. Wie viele Eltern betroffen sind, sagte Smentek am Donnerstag nicht. Eigentlich sollten die Briefe bis Anfang Juni verschickt sein.
Schulbevölkerung wächst
Die Asylbewerberzahlen können indes kaum der Grund sein, warum der Bezirk nun so überrumpelt dasteht. Insgesamt 333 “Neuzugänge ohne Deutschkenntnisse“, unter ihnen freilich nicht nur Flüchtlinge, sondern auch kürzlich Zugezogene oder aber Kinder aus Roma-Familien, verzeichnet Mitte im kommenden Schuljahr, lässt Schulrätin Smentek auf Anfrage mitteilen. Das sind zwischen ein und vier Deutsch-Lerngruppen pro Schule – durchaus im Rahmen des Üblichen.
Im Bezirksparlament verweist Smentek dann „auf die demografische Entwicklung“ – Berlins Schulbevölkerung wächst laut aktueller Bevölkerungsprognose bis 2030 um 20 Prozent. Zwar hätte sich bereits im Januar abgezeichnet, dass es voll werden würde: Dann melden die Schulen die Schülerzahlen aus ihren jeweiligen Einzugsgebieten. „Aber normalerweise regelt sich das jedes Jahr ein.“ In diesem Jahr nicht.
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