piwik no script img

Fazit der Basketball-EMDas war ja ganz hübsch

Die Basketball-EM war bisweilen spektakulär. Schade nur, dass sich in der öffentlichen Wahrnehmung des Sports nichts ändern wird.

Jubel in Berlin: Die Spanier feiern ihren vierten Titel Foto: dpa

W ie ein Sport in Deutschland final funktioniert, wird sehr unsentimental nach den Regeln der Aufmerksamkeitsökonomie verhandelt. Entscheidend dabei: Verwurzelung, Tradition, Bild- und Innovationskraft. Der Basketball ist hierzulande vielleicht die Nummer drei oder vier – hinter dem Allesbeherrscher Fußball. Dahinter rangeln Handball, Wintersport, Volleyball oder Leichtathletik um die Brosamen, die vom Kickertisch gefallen sind.

Das Koordinatensystem des „Football first“ ändert sich nur dann ein wenig, wenn Spektakuläres gelingt. Aber dass selbst ein Fast-Olympiasieg der deutschen Eishockeyspieler nur ein ephemeres Ereignis bleibt, sagt alles über die betonierten Strukturen in Fußballland. Der Hype verfliegt, und das Gehabte dominiert wie eh und je. Dagegen ist kein Kraut, kein Dunk, kein Schlagschuss, kein Schmetterball gewachsen.

Eine Basketball-Bronzemedaille ist angesichts dieser Hegemonie der Stollenträger hübsch, aber sie ändert nun wirklich nichts, gar nichts an den Strukturen, zumal die Basketball-Europameisterschaft, die alles bereithielt, was ein Sportfan schätzt, zu Beginn des Turniers in der Nische eines Streamingdienstes versteckt wurde; Magenta Sport zeigte nur die Spiele der Deutschen kostenfrei. Das öffentlich-rechtliche Fernsehen übertrug nichts von dem Event, das in Köln regelmäßig 18.000 Fans in die Arena lockte und in Berlin immerhin 14.000. Der Präsident des Deutschen Basketball-Bundes erregte sich zwar über das ÖRR-Desinteresse, dagegen machen konnte Ingo Weiss aber wenig. Seine Laune hob sich etwas, als RTL die Knock-out-Partien schließlich zur besten Sendezeit ins Fernsehen holte.

In der Spitze sahen bis zu vier Millionen Menschen zu, im Durchschnitt an die zwei Millionen. Auch das ist ganz hübsch. Für einen Impuls, der zu einer grundlegenden Veränderung führt, wäre vielleicht ein EM-Sieg mit einem krachenden 110:70-Blow-out gegen Frankreich nötig gewesen; Dennis Schröder macht 35 Punkte im Endspiel, wird zum MVP ausgezeichnet, zum wertvollsten Spieler des Turniers, und sein NBA-Kollege Franz Wagner folgt dicht dahinter.

Mit allem Pipapo

Es war im Grunde möglich: die ganz große Basketball-Erzählung mit allem Pipapo. Das DBB-Team hat das spektakuläre Ding knapp verpasst, weil Coach Gordon Herbert im Halbfinale gegen den Turniersieger Spanien vielleicht einen klitzekleinen Fehler gemacht hat und das Team dann doch etwas zu schlecht in manchen Defensivstatistiken wie Rebounds (Platz 8), Blocks (14.) und Steals (19.) war.

Der Angriff war bisweilen spektakulär, auch die Dreierquoten von Andreas Obst oder Maodo Lo. Dreimal kam Basketball-Deutschland über die Marke von 100 Punkten, und die grandiose Partie gegen Griechenland bleibt wohl nicht nur eingefleischten Basketballfans noch lange im Gedächtnis – genauso wie die Show des italienischen Trainers Gianmarco Pozzecco im Spiel seiner Mannschaft gegen Serbien oder die Begrünung der Arenen durch litauische Fans.

Gute Geschichten gab es in erklecklicher Zahl: das frühe Scheitern der NBA-Stars Jokic, Antetokounmpo und Doncic, die bisweilen erratischen Pfiffe der Schiris, die Wiederauferstehung der Zonen-Verteidigung oder die Renaissance des Teambasketballs. Die Frage ist freilich: Wie werden diese Geschichten erzählt? Und wo? Werden sie gehört? Gibt es dafür überhaupt Leser?

Nach gut zwei Wochen EM steht fest: Ein paar gibt es schon. Aber die sind bald wieder weg. Die Lockrufe des Fußballs sind unwiderstehlich. Und am Freitag ist eh wieder Fußball-Länderspiel.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Redakteur
Seit 1998 mehr oder weniger fest bei der taz. Schreibt über alle Sportarten. Und auch über anderes.
Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Wenn "Nischensportarten" mehr Relevanz bekommen sollen, müssen die Leute halt auch mal zuschauen, wenn es keine Großevents gibt. Jammern hilft nicht viel, wenn man dann doch immer nur Herren-Fussball schaut und nicht ins Stadion geht um sich die Frauen-Bundesliga anzuschauen.

    Handball, Basketball, Tischtennis und Volleyball wird es ab nächstem Jahr zum Beispiel gebündelt beim neuen Anbieter S-Nation (Arbeitstitel) geben. Und ausgewählte Spiele bei Partnern wie der ARD, Bild, usw. Mal sehen, wie viele Leute sich dafür ein Abo holen werden...

  • Basketball, American Football und Baseball sind in den USA Big Player, Fussball ist in Europa die Sportart schlechthin. Eine Veränderung der Machtverhältnisse auf den jeweils anderen Kontinenten halt ich für nicht realistisch. Das betrifft sowohl die Sportler selbst, deren entscheidende Wegmarken in den Colleges der USA und nicht in Europa gesetzt werden , als auch zahlende Zuschauer, die sich sich ein Streaming-Abo für die NBA oder NFL holen wird anstatt in Deutschen Landen einen Nischensport in einer Halle oder Stadion anzuschauen.

  • Basketball-EM im eigenen Land und unser Staatsfernsehen zeigt kein einziges Spiel. Wofür verbraten die eigentlich unsere Kohle?