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Fatale Trainingsbedingungen„Das wären keine fairen Spiele“

Der US-Schwimmtrainer David Marsh erklärt, weshalb die Olympischen Spiele unbedingt nächstes Jahr stattfinden sollten.

Knappe Trainingsmöglichkeiten: Schwimmbäder sind auch für Profisportler kaum noch zugänglich Foto: imago/Sven Simon
Sebastian Moll
Interview von Sebastian Moll

taz: Herr Marsh, gerade hat IOC-Mitglied Dick Pound bekannt gegeben, dass die Olympischen Spiele mit großer Wahrscheinlichkeit verschoben werden. Was halten Sie von dieser Entscheidung?

David Marsh: Es ist die absolut richtige Entscheidung. So lange die Spiele nicht abgesagt werden, versuchen die Athleten mit allen Mitteln, ihr Niveau zu halten, und gehen damit große Risiken für ihre Gesundheit ein. Wir schwimmen in öffentlichen Bädern, wir machen in Fitnessstudios Krafttraining, wir müssen zu den Trainingsstätten fahren. Ich bin deshalb froh, dass die Entscheidung jetzt hoffentlich schnell kommt, nachdem Kanada und Australien die Initiative ergriffen haben. Vorgestern hieß es noch, das IOC braucht vier Wochen, um sich zu entscheiden. Das wäre verrückt gewesen.

Wie sind Ihre Athleten in den vergangenen Wochen mit der Unsicherheit umgegangen?

Die Situation hat sich für uns jeden Tag geändert. Zunächst einmal haben wir Tag für Tag dazulernen müssen, wie ernst die Lage ist. Dann sind unsere Trainingsbedingungen jeden Tag schlechter geworden. Zuerst hatten wir zwei wundervolle Bäder, in denen wir trainieren konnten. Dann war es nur noch eines. In den letzten Tagen haben wir in einem 12 Meter langen Pool in einem Apartmentgebäude trainiert und haben per Videokonferenz Fitnesstraining gemacht. Viele meiner Schwimmer haben sich auch Neoprenanzüge gekauft und schwimmen im Pazifik, obwohl der im Moment gerade einmal 12 Grad hat.

Konnten sich die Sportler unter diesen Umständen noch motivieren?

Es gab einige, die haben Schwierigkeiten mit der Motivation und der Konzentration gehabt. Die Deutschen Marius Kusch und Jacob Heidtmann hatten diese Probleme nicht. Das sind zwei der motiviertesten Schwimmer, mit denen ich je gearbeitet habe. Ich musste sie eher noch bremsen.

Wie geht es jetzt weiter?

Das weiß im Moment niemand so genau. Wir müssen jetzt erst einmal durchatmen. Für die beiden deutschen Schwimmer ist die große Frage, ob sie von ihrem Verband weiter gefördert werden, wenn die Spiele verschoben werden. Wenn nicht, können sie beide nicht hier bleiben und bei uns weitertrainieren.

Im Interview: 

Wie haben die Sportler auf die Ankündigung reagiert, dass die Spiele vermutlich verschoben werden?

Sogar meine älteren Schwimmer, denen die Zeit wegläuft, haben gesagt, dass es keine gute Idee gewesen wäre, die Spiele in diesem Jahr abzuhalten. Allein schon aus dem Grund, dass nicht mehr überall Dopingtests durchgeführt werden können. Das wären keine fairen Spiele gewesen.

Was wäre für Sie der beste Zeitpunkt für die Spiele?

2021 wäre der perfekte Zeitrahmen. Das würde den Sportlern erlauben, jetzt Pause zu machen, sich auf ihre Gesundheit zu konzentrieren und dann wieder voll in das Training einzusteigen, sobald sich die Dinge beruhigt haben. Ein Jahr lang kann man das Niveau halten, das man sich aufgebaut hat. Zwei Jahre wäre schwieriger, dann würden viele Sportler aufhören. Viele könnten es auch nicht mehr finanzieren, ihre Lebensumstände nicht mehr aufrechterhalten. Außerdem wird ja die Konkurrenz durch jüngere Sportler immer größer.

Was machen Ihre Sportler jetzt, wenn die Spiele verschoben werden und sie nicht trainieren können?

Sie sollen sich erst einmal erholen und Verletzungen auskurieren. Natürlich müssen Sie sich auch fithalten. Ich habe ihnen aber auch gesagt, dass sie die Zeit dazu nutzen sollen, etwas für ihre Zukunft zu tun und sich damit auseinanderzusetzen, was sie nach Olympia mit ihrem Leben machen wollen.

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