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Fasziniert von ArschlöchernDark Darling

Darf man sich für jemanden interessieren, der ein Arschloch ist? Von absurder Faszination.

Auf widerliche Art faszinierend: Frauke Petry Foto: Sebastian Willnow/dpa

W as macht eigentlich Frauke Petry?“, fragt der Freund im trüben Licht beim Kaffee am Weiher.

„Warum jetzt die? Zumindest dieses Grauen habe ich vergessen!“, sagt die Freundin und starrt mürrisch auf den Teich.

„Die hatte so eine unterkühlt fiese Interessantheit!“, sagt der Freund.

„Zuletzt saß sie abseits, trist und allein hinten im Bundestag.“

„Gründete sie nicht noch eine blaue Partei?“

„Klingt melancholisch.“

„Bereut hat die aber nichts.“

„Doch, den Machtverlust.“

„Sie schrieb ein Buch dazu und nannte es Requiem.“

„Arschloch bleibt Arschloch, egal ob das Arschloch Depressionen bekommen hat, weil andere Arschlöcher das Arschloch noch übertroffen haben.“

Waghalsiger Quatsch

„Sie war auf widerliche Art faszinierend.“

„Mich faszinieren nur Leute, die echt gute Sachen machen!“

„Du bist so eindimensional – wolltest mir ja auch immer meine Verehrung für Angela Merkel verbieten!“

„Die Verehrung ist absurd, da du ihre Politik fast ausnahmslos falsch fandest.“

„Man muss Politik und Mensch auch mal trennen können!“

„Waghalsiger Quatsch, Politik ist doch nicht Kunst!“

„Aber Mensch is Mensch, egal, was Mensch beruflich macht, die Person kann trotz allem gute Gesellschaft oder zumindest eine gute Gesprächspartnerin sein!“

„Du hast doch noch nie mit Angela Merkel gesprochen!“

„Hätte ich aber, bei gutem Essen und Wein in meiner Küche!“

„Du gehst nicht wählen, willst aber die CDU mit Pasta und Burgunder verwöhnen?“

„Dinner ist Dinner, da ist alles 100 Prozent vollkommen! Wählen ist was anderes, da passt mir keine Partei zu 100 Prozent und wenn ich was mach, dann ganz oder eben gar nicht.“

„Nehmen wir an, jemand ist ein echt beschissener Herzchirurg und verantwortlich für den Tod vieler Menschen, trotzdem würdest du ihn schön bekochen, falls er eloquent und charismatisch ist?“

„Das ist was anderes.“

Meine Güte, jetzt bind mich ab vom Pranger, ich werde ohnehin nie wen aus dem Bundestag bekochen!

„Ist es nicht, nur unverhüllter!“

„Meine Güte, jetzt bind mich ab vom Pranger, ich werde ohnehin nie wen aus dem Bundestag bekochen, weder alt noch aktuell!“

„Aber du liest all ihre Biografien!“

„Und das mit Wonne – Kohl und Süssmuth genauso wie Ströbele und Joschka Fischer!“

„Was macht der eigentlich?“

„Ist der nicht Fitnesscoach?“

„Hat zumindest mit seinen Gewichtsschwankungen Schlagzeilen gemacht, und mit seinen wechselnden Beziehungen, fast so wie Boris Becker!“

„Becker hat alle beeindruckt, weil er echt gut im Tennis war, was soll man da schon groß falsch machen?“

„Und dann hat er ohne Tennis brachial nachgelegt!“

Boris wollte düster schillern

„Steffi Graf nicht, die ist glücklich und fertig.“

„Boris Becker wollte mehr, er wollte düster schillern.“

„Als Dark Darling.“

„Fulminant faszinieren kannste eben nicht, wenn du nur nett bist!“

„Boris war auch politisch interessant, hat damals die Hafenstraße unterstützt!“

„Hat der die Häuser mitbesetzt?“

„Nicht, dass ich wüsste. Hat aber überall und auch in der Bild verkündet, er sei Sympathisant!“

„Was macht eigentlich die Hafenstraße?“

„Ist auch alt geworden.“

„Dort gibt’s ’n echt gutes Restaurant.“

„Da muss man rechtzeitig reservieren, spontan kriegt man da keinen Platz.“

„Boris Becker bestimmt!“

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Jasmin Ramadan
Jasmin Ramadan ist Schriftstellerin in Hamburg. Ihr neuer Roman Roman „Auf Wiedersehen“ ist im April 2023 im Weissbooks Verlag erschienen. 2020 war sie für den Bachmann-Preis nominiert. In der taz verdichtet sie im Zwei-Wochen-Takt tatsächlich Erlebtes literarisch.
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