piwik no script img

Faschistische Attacke in der UkraineSwobodas Verständnis von Freiheit

Abgeordnete der faschistischen Swoboda-Partei haben einen TV-Chef in der Ukraine gewaltsam zum Rücktritt gezwungen. Nun ist die Empörung groß.

Faschisten unter sich: Swoboda-Anhänger in Kiew. Bild: reuters

KIEW afp | Die Misshandlung des Chefs des ukrainischen Staatsfernsehens durch drei Abgeordnete der rechtsextremen Swoboda-Partei hat allgemeine Empörung ausgelöst. Laut einem von der ukrainischen Prawda //www.youtube.com/watch?v=S-zuK_gfQn8:veröffentlichten Video waren die Parlamentarier am Dienstag in das Büro von Fernsehchef Alexander Pantelejmonow eingedrungen und hatten ihn gewaltsam zur Unterschrift unter sein Rücktrittsschreiben genötigt.

Sie warfen dem seit Anfang 2013 amtierenden Leiter des Staatssenders vor, während der Proteste auf dem Unabhängigkeitsplatz in Kiew Propaganda zugunsten des inzwischen entmachteten Präsidenten Viktor Janukowitsch betrieben zu haben.

Während die Staatsanwaltschaft vorläufige Ermittlungen zu dem Vorfall aufnahm, wurde die Aktion von Journalistenverbänden und Politikern scharf verurteilt. Übergangsregierungschef Arseni Jazenjuk sprach von „untragbaren Handlungen“, Innenminister Arsen Awakow bezeichnete sie als „ungeheuerlich“. Präsidentschaftskandidat Vitali Klitschko rief die Abgeordneten zum Rücktritt auf.

Auch Swoboda-Chef Oleg Tjagnibok, dessen Partei an der Koalition in Kiew beteiligt ist, wies seine Abgeordneten zurecht: „Uns muss klar sein, dass wir nicht mehr in der Opposition, sondern an der Macht sind. Wir verfügen über andere Kampfmittel, selbst gegenüber Verrätern“, sagte er.

Ermittlungen gefordert

Der an der Gewaltaktion beteiligte Abgeordnete Igor Miroschnitschenko entschuldigte sein Verhalten später damit, dass er von seinen „Gefühlen“ übermannt worden sei. Einen Rücktritt lehnte der ehemalige Sportjournalist jedoch ab.

Nach Angaben von Amnesty International gehört Miroschnitschenko ausgerechnet dem parlamentarischen Ausschuss an, der sich mit der Pressefreiheit beschäftigt. Die Menschenrechtsorganisation rief die Behörden auf, sicherzustellen, dass „ein derartiges Verhalten in der Ukraine nicht toleriert wird“.

In einem Schreiben an Übergangspräsident Alexander Turtschinow wies die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) darauf hin, dass es schon der zweite Vorfall dieser Art binnen weniger Tage sei. Nach ihren Angaben war vor kurzem eine Gruppe in die Büros des Staatssenders in der nordukrainischen Stadt Tschernigiw eingedrungen, um dessen Direktor Arkadi Bilibajew zum Rücktritt zu zwingen.

Vor dem Büro des Generalstaatsanwalts von Kiew versammelten sich unterdessen rund 20 Demonstranten und forderten Ermittlungen gegen die drei Abgeordneten. „Es muss Schluss sein mit der Gewalt in diesem Land“, sagte der 36-jährige Taras Dantschuk. „Ich habe für Swoboda gestimmt, aber jetzt schäme ich mich.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • Aber, aber!

     

    Wer wird denn einer putinschen Propagandaagentur wie Amnesty International Glauben schenken, die uns über das russische Fernsehen nur indoktrinieren will, um die Krim vor solchen guten Menschen wie die der Swoboda angeblich zu schützen. Wir wissen doch alle, dass diese jungen Menschen nur ein bisschen mehr Freiheit haben wollten und mehr EU-Kapitalismus, den wir doch schätzen.

     

    Schön, die Revolution frißt ihre Kinder. Die Journalisten, die uns gestern noch erzählen wollten, dass das mit den Faschisten im neuen ukrainischen Regime doch alles russische Propagandalügen sind, bekommen es jetzt erst mal selbst zu spüren.

    Was der Swobada-Faschist unter "anderen Kampfmitteln" versteht, die er jetzt besitzt, um andere Meinungen zum Schweigen zu bringen, wollten die Krim-Bewohner wohl besser erst gar nicht wissen.

    Klug von ihnen!

  • Der Putsch ist gelungen, [Red.: Kommentar gekürzt].

     

    Ob das so einfach ist, nachdem die Faschisten Schlüsselpositionen in der Regierung eingenommen haben und sich bewaffnen konnten?

     

    „Uns muss klar sein, dass wir nicht mehr in der Opposition, sondern an der Macht sind. Wir verfügen über andere Kampfmittel, selbst gegenüber Verrätern“.

     

    Dieser Satz ist ja zweifellos ein eindeutiges Bekenntnis zu Demokratie und Meinungsfreiheit. Demokratischer ist nur noch die 'harte ökonomische Medizin', die IWF und EU in Banderastan durchsetzen werden. :D

  • Gestern wurde noch über Wagenknecht hergezogen, weil sie vor den Neo-Nazis gewarnt hatte...das einseitige Bashing der Linke war völlig fehl am Platz. Hoffentlich besinnen sich die Journalisten jetzt und schreiben mal was Objektives zur Lage in der Ukraine. Und bitte auch mal selbstkritisch reflektieren wie so eine subjektive, realitätsferne Propagandaberichterstattung gegen Putin und gegen die Linke zustande kommen konnte!

  • Cem Özdemir und Göring Eckard, die diese Regierung unterstützen sind untragbar geworden.

     

    So lange die Grünen sich nicht von ihrer bisherigen Ukraine Positionen distanzieren sind sie vollkommen unwähnbar geworden.

    In der Ukraine passiert die rechtsnationalistische Errichtung einer Diktatur wie im EU- Mitgliedsland Ungarn.

    Anscheinend will dieser Grünen Parteivorstand alle linken Wähler ins Lager von Wagenknecht und Konsorten treiben. Die Grünen sollten vor Scham rot werden.

  • Swoboda-Chef Oleg Tjagnibok sagt also: „Uns muss klar sein, dass wir nicht mehr in der Opposition, sondern an der Macht sind. Wir verfügen über andere Kampfmittel, selbst gegenüber Verrätern.“

    Das offenbart doch so einiges von seiner Denkweise. Wäre die Gewaltanwendung also in Ordnung, wäre Swoboda noch in der Opposition? Und auch der Terminus "Verräter" offenbart eine recht archaische Sichtweise.

    Es gibt ja jede Menge Videos, wo Swoboda und Rechter Sektor gewalttätig werden. Daß diese Leute ihre eigenen Untaten so einfach filmen und ins Netz stellen, ist zum einen ein recht pubertäres Verhalten, zum anderen soll wohl potentiellen Gegnern gezeigt werden, wozu diese Leute fähig und bereit sind, und dient damit der Einschüchterung.

    Bizzar übrigens, daß Rechts vom Artikel über den Übergriff der Swoboda-Leute auf einen anderen taz-Artikel verlinkt wird unter dem Thema: "Rechtsextremismusexpertin über Ukraine: "Bedrohung ist russische Propaganda"...

  • C
    cosmopol

    Tja, scheinbar kommt der Terror den Antifaschist*innen und Linke seit gut einem Monat erfahren jetzt auch bei den oberen Zehntausend an. Und die Taz wacht ein bisschen auf ... immerhin. Eine grundsätzliche Absage an Faschist*innen ist wohl aber nach wie vor nur im Inland zu haben.

  • PH
    Peter Haller

    Mich wundert, dass plötzlich die Empörung so gross ist.

    Herr Donath bitte um einen Kommentar !