: Fasanenstraße-Kessel - 28. September
■ E R S T E D O K U M E N T A T I O N
Gegen ein Uhr nachts werden wir, zehn Frauen, in die Zelle B3 in der Kruppstraße verlegt. In der Zelle gibt es acht Betten ohne Matratzen. Zudecken gibt es nicht für jede Frau; sie sind aus Zellstoff. Die Wände und die Tür sowie die Fenster sind mit alten Speiseresten verschmutzt.
In der Zelle sind sechs verletzte Frauen: Eine hat Blutergüsse von Tritten von Polizeibeamten am Körper in Höhe der Nieren und beidseitig der Wirbelsäule. Eine andere ist auf der Fahrt von der Festnahme zur Kruppstraße erheblich verletzt worden. Der Fahrer des Transportfahrzeuges hatte ganz offensichtlich absichtlich - mehrfach Vollbremsungen vorgenommen. Dadurch war die Frau mit großer Wucht mit dem Gesicht gegen die Zellentür gestoßen. Ihre Oberlippe war aufgeplatzt und blutete stark. Die Vorderzähne waren gelockert, die Nase dick geschwollen. Die Frau klagte über Übelkeit, Schüttelfrost, Schwindel, Kopfschmerzen und Sehstörung.
Eine dritte Frau wird ebenfalls im Gefangenentransportwagen durch eine der Vollbremsungen am Jochbein und der Schläfe verletzt. Auch sie hat Kopfschmerzen. Eine vierte hat eine Verletzung am Rücken erlitten - ebenfalls während der Vollbremsung des Gefangenentransportes. Eine fünfte ist durch Polizeiknüppel am Kopf verletzt worden und eine sechste durch einen Schlag an der rechten Schulter.
Auch für die im Gesicht verletzte Frau wird durch den Richter die Fortdauer der Freiheitsentziehung angeordnet. Auf richterliche Anordnung soll sie einem Arzt vorgeführt werden. Gleichwohl wird sie wieder in die Haftzelle verbracht. Ihr Zustand verschlimmert sich während der Nacht; die Mitgefangenen fordern eine sofortige gründliche ärztliche Untersuchung. Erst morgens gegen acht Uhr wird sie aus der Zelle geholt und in einem anderen Gefängnis einer Ärztin vorgestellt. Die Ärztin ordnet aber die Aushändigung eines Kaffees und eines Kopfkissens an. Nachdem die Frau in die Zelle zu den anderen zurückgebracht worden ist, verlangt sie einen Arzt ihres Vertrauens. Der Haftrichter gibt diesem Verlangen statt. Die Polizei gibt zunächst eine Stunde Zeit, in der die Frau sich einen Arzt besorgen soll. Gegen 9.30 Uhr erklärt ein Polizeibeamter aber dann doch, es sei nicht möglich, einen Arzt von draußen reinzulassen. Zwischenzeitlich sollen zwei Ärztinnen versucht haben, zu der Frau zu gelangen. (...)
Am Augustaplatz kommen die Frauen in eine Sammelzelle; ihnen werden Schnürsenkel, Tabak, Uhren, Ohrringe und alles andere abgenommen. 23 Frauen sind in einer Zelle. In die Zelle kommt keine Frischluft. Die Fenster sind dicht geschlossen. Vier Stunden lang dürfen die Frauen weder die Toilette aufsuchen noch telefonieren, noch Wasser trinken. Erst am Abend des 29.9. nach acht Uhr werden die Frauen entlassen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen