Farid Bang und der Düsseldorfer OB: Rap ist keine Pädagogik
Bürgermeister Thomas Geisel will mit Farid Bang Coronaregeln an Jugendliche vermitteln. Das ist auf mehreren Ebenen schlecht durchdacht.
Der Versuch des Düsseldorfer Oberbürgermeisters Thomas Geisel könnte hoffnungsvoll stimmen. Weil er den Rapper Farid Bang dazu bewegte, junge Menschen zur Einhaltung der Coronaregeln zu ermahnen, muss sich der Sozialdemokrat nun aber öffentlicher Kritik stellen. Nach den Eskalationen in Stuttgart und Frankfurt am Main entschied sich Geisel dafür, junge Menschen anzusprechen, statt wie Kollegen in Baden-Württemberg und Hessen nur über sie zu sprechen – und nach der Härte des Rechtsstaats (was ist das eigentlich?) zu rufen.
Deren Herangehensweise liegt eine gefährliche Annahme zugrunde: Jugendliche randalieren, weil sie einen Migrationshintergrund haben, weil sie asozial sind, weil sie unsere (wer sind wir?) Normen verachten.
Deshalb ist das, was Geisel gemacht hat, vielleicht ein erster Schritt in die richtige Richtung: die jungen Menschen direkt anzusprechen. Als Nächstes könnten er und andere aus seiner Zunft ernsthaft mit ihnen sprechen, ihnen zuhören, sich aufrichtig fragen, was hinter der immer wieder unvermittelt ausbrechenden Gewalt steckt. Was hat das mit rassistischer Ausgrenzung, was mit sozialer Ungleichheit zu tun? Mit Fehlern jener, die politische Entscheidungen treffen oder den gesellschaftlichen Diskurs prägen? Irgendwo muss die Gewalt ja herkommen.
Weil eine gute Absicht aber nicht automatisch zur durchdachten Tat führt, steht Oberbürgermeister Geisel nun ein bisschen blöd da: Der umstrittene Rapper Farid Bang ist bekannt für frauenfeindliche und antisemitische Texte und entspricht deshalb nicht unbedingt dem, was man gemeinhin als Vorbild bezeichnen würde. Er ist jener Rapper, der mit einer menschenverachtenden Zeile über KZ-Häftlinge für das Ende des Musikpreises Echo sorgte; einer, der sich in sozialen Medien über Gewalt gegen Frauen lustig macht.
Auf Popkultur spucken
Darum ist die Kritik, sie kommt unter anderem von Politiker:innen und der jüdischen Gemeinde, berechtigt. Auch wenn Oberbürgermeister Geisel auf diese antwortet, der Rapper sei eine „ausgesprochen kontroverse Figur“ und er halte selbst „manches, was er gemacht hat, für widerwärtig“, und darauf hinweist, dass der Musiker frühere Texte bereue.
Die Kritik ist selbst dann noch berechtigt, wenn FDP-Politiker:innen, darunter Geisel-Herausfordererin Agnes Strack-Zimmermann, am lautesten schreien, weil sie in der Causa womöglich eine Chance sehen, vor den Düsseldorfer Kommunal- und Oberbürgermeisterwahlen am 13. September ein paar Stimmen mehr zu mobilisieren.
In deren Milieu sollte es ohnehin nicht allzu schwer fallen, verachtend auf das zu herabzublicken, was sich da auf den Plätzen deutscher Großstädte regelmäßig zusammenrottet. Auf deren Popkultur spuckt man ja sowieso. Ja, mit seiner spezifischen Rapper-Auswahl hat es Oberbürgermeister Geisel der politischen Konkurrenz ausgesprochen leicht gemacht.
Eine andere Sache ist aber der Denkfehler, der am Anfang des Projekts steht: Die Idee, dass Rap als pädagogisches und ordnungspolitisches Instrument dienlich sein könnte. Und dies vor dem Hintergrund jener Verachtung, die dieses Genre im ordnungsbesorgten, staatstragenden bürgerlichen Milieu für gewöhnlich genießt. Anfang des Jahres manifestierte sich diese in einer Spiegel-Titelgeschichte.
Früher Subkultur, heute Mainstream
Deutschrap war einmal Subkultur. Heute ist er lukrativer Mainstream. Er hat gesellschaftlich an Deutungshoheit gewonnen, er prägt den Geschmack und Stil von jungen Menschen. Auch Kinder von FDP-Politiker:innen und Spiegel-Autor:innen hören Deutschrap. Eine Konstante, die er sich aber bewahren konnte, ist zugleich der Grund, weswegen sich viele junge Menschen, auch auf ambivalente Weise, mit dem Genre identifizieren: Rap erzählt echte oder fiktive Geschichten der an den Rand der Gesellschaft Gedrängten. Seine Kunstfiguren spiegeln der Mehrheitsgesellschaft ihre Diskurse und Vorurteile zurück, in dem sie die ihnen zugeschriebenen unsittlichen Eigenschaften zuspitzen.
Rap ist also keine Pädagogik, kein Benimmkurs, keine Volkshochschule. Auch wenn die Wahl eines anderen Rappers weniger provoziert hätte, der Denkfehler wäre derselbe geblieben. Denn am wenigsten ist Rap dafür da, gesamtgesellschaftliche Fehler, auch jene von Politiker:innen, wettzumachen; er ist ihr bitterer Kommentar. So rappt Bushido in „Eure Kinder“: „Ihr habt mich erschaffen und jetzt guckt, wie euer Weltbild umfällt.“
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