Farbenspiele: Grün ist die Hoffnung
Die Hamburger CDU warnt ihre Basis vor Übermut und der FDP. Nur mit den Grünen könne gut regiert und ein Linksbündnis verhindert werden. Die Grünen sehen das lockerer - die SPD aber gilt ihnen als unattraktiv.
In der Hamburger CDU geht die Angst um. Nach den jüngsten Wahlerfolgen fürchtet die Parteispitze den Hochmut der eigenen Basis. "Es ist kein Selbstgänger, die Nummer eins in Hamburg zu sein", versucht Landesvorsitzender und Finanzsenator Michael Freytag jeglichen Überschwang der Mitglieder im Keim zu ersticken. "Wir haben mit den Grünen gute Erfahrungen gemacht", wird Bürgermeister Ole von Beust nicht müde zu beteuern. Die Erkenntnis der beiden lautet, dass nur mit der Fortsetzung der Koalition mit der Grün-Alternativen Liste (GAL) ein Linksbündnis an der Elbe zu verhindern ist.
Hamburgs Christdemokraten hätten durchaus Anlass zum Jubeln. Bei der Bundestagswahl nahmen sie der jahrzehntelang sieggewohnten SPD drei der sechs Wahlkreise ab und wurden erstmals stärkste Partei im Stadtstaat. Allerdings unterhalb der 30-Prozent-Marke. Grund genug für Freytag, vergangene Woche vor den Delegierten eines Kleinen Parteitages Bodenhaftung anzumahnen: "Wir sind noch keine Hamburg-Partei."
In ungewohnter Deutlichkeit stecken deshalb Bürgermeister und Parteichef zur Zeit den Kurs für die nächsten Jahre ab. Auf die in Hamburg zerstrittene und seit acht Jahren außerparlamentarische FDP dürfe man nicht hoffen, warnt von Beust. Diese "populistischen Dampfplauderer" würden die schwarz-grüne Primarschule ablehnen und im Bundestag das Rettungspaket für die Reederei Hapag-Lloyd verzögern. Solches Verhalten sei, so von Beusts vernichtendes Urteil, "unhanseatisch".
Bei der Bundestagswahl am 27. September wurde die CDU erstmals stärkste Partei in Hamburg.
Bei den Erststimmen gewannen die Christdemokraten drei der sechs Wahlkreise direkt. Gewöhnlich holte sonst die SPD sämtliche Direktmandate.
Ein Direktmandat errungen hatte die CDU erst ein Mal: 1993 im Wahlkreis Hamburg-Nord.
Bei den Zweitstimmen liegt die Union mit 27,8 Prozent hauchdünn vor der SPD (27,4%). Die CDU verlor gegenüber den Bundestagswahlen 2005 lediglich 1,1%, die SPD hingegen 11,3%.
Die Hamburger Bürgerschaftswahl 2008 brachte folgendes Ergebnis: CDU 42,6%, SPD 34,1%, GAL 9,6%, Linke 6,4%, FDP 4,6%.
Finanzsenator Freytag assistiert, er sei "lieber mit den Grünen an der Regierung als mit der FDP in der Opposition". Denn es gebe wie in vielen Bundesländern so auch im Stadtstaat an der Elbe "eine strukturelle linke Mehrheit", haben die beiden Parteistrategen erkannt. Und die CDU dürfe SPD, Grüne und Linke "nicht auf die dumme Idee bringen, von dieser Mehrheit Gebrauch zu machen".
Bei soviel Umarmungsstrategie beginnt sich Hamburgs grüne Parteichefin Katharina Fegebank leicht unwohl zu fühlen: "Das ist ein bisschen verfrüht", meint sie im Hinblick auf die nächste Bürgerschaftswahl im Februar 2012. Es sei zwar "richtig" gewesen, voriges Jahr an der Elbe die erste schwarz-grüne Landesregierung zu bilden, das sei aber "keine Festlegung für die nächste Legislaturperiode". Für Fegebank ist es nicht vorstellbar, die einstige Bindung an die SPD durch eine Anlehnung an die CDU zu ersetzen: "Wir müssen offen sein für Bündnisse, die sich an Inhalten orientieren und nicht am Lagerdenken."
Und deshalb reagieren Hamburgs Grüne erfreut auf den Beschluss der Parteifreunde im Saarland, ein Jamaika-Bündnis mit CDU und FDP zu versuchen. "Atomausstieg und Schulreform - das sind doch gute Ergebnisse", sagt GAL-Vize Anjes Tjarks, das könne ein tragfähiges Bündnis werden. Auch von Beust sieht Jamaika an der Saar als "Schritt hin zu politischer Normalität".
Die aber erblickt Tjarks auf der anderen Seite des Spektrums noch nicht. Seit ihrem Einzug in die Hamburger Bürgerschaft vor 19 Monaten habe sich die Linke, in der auch manche Ex-Grüne Asyl gefunden haben, zwar keineswegs als Schreckgespenst erwiesen: "Es gibt keinen Grund für Jubel, aber auch keinen zur Dämonisierung." Das Problem sei die vollkommen zerstrittene SPD. Die müsse sich erstmal strukturell festigen, programmatisch erneuern und dann einen attraktiven Spitzenkandidaten präsentieren. "So lange die in der SPD einander nicht trauen", sagt Tjarks, "haben wir keinen Anlass, der SPD zu trauen."
Und damit die GAL nach der nächsten Wahl nicht auf abwegige Gedanken kommt, stellt von Beust klar, dass er jetzt keinen Posten im schwarz-gelben Bundeskabinett bekleiden wolle. Denn ohne den in der Hamburger Bevölkerung über die Unionswählerschaft hinaus beliebten Regierungschef würden der CDU bei der Bürgerschaftswahl 2012 arge Verluste drohen.
Wenn einer die Spitzenposition der CDU und deren Attraktivität für die GAL sichern kann, dann nur Ole von Beust. Und deshalb gibt er jetzt schon die Marschrichtung aus: "Ich tue alles dafür, dass Schwarz-Grün länger als vier Jahre erfolgreich ist."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen