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Farbenspiele in der Galerie NordDas geheime Leuchten

Von der Wirkmacht der Farben und ihrem malerischen Drängen in den Raum handelt die Ausstellung „Gravity’s Rainbow“ in der Galerie Nord in Moabit.

Franziska Hüning breitet Fundstücke auf Planen, teils übermalt, im Raum aus Foto: Bernd Borchardt

Dieses farbige Leuchten sollte man nicht verpassen. Es entsteht in einem schmalen Raum, den man meistens gar nicht wahrnimmt, im Abstand zwischen Wand und Bild, etwa bei Gabriele Barsch und Anja Gerecke. Die Farben der bemalten Rückseiten ihrer Arbeiten werden von der weißen Galeriewand reflektiert. Es ist ein überraschender Moment, wenn man das entdeckt in der Ausstellung „Gravity’s Rainbow“ in der Galerie Nord/Kunstverein Tiergarten.

Den Farben ist die Ausstellung gewidmet, den Farben im Fluss und im Stillstand, ihrer Materialität und ihren pastosen Eigenschaften. Farben sind im Spiel, wenn wir die Wirklichkeit wahrnehmen, Farben schaffen aber auch eigene Wirklichkeiten. In der Aussstellung, an der zwölf Künst­le­r:in­nen (aus Berlin und aus Dänemark) beteiligt sind, tritt der Fluss der Farben oft über die Ufer der begrenzten Flächen und setzt sich fort im Raum.

Die Kraft, die ein menschlicher Körper einsetzen muss, um mit dem Rakel einen breiten Streifen Farbe über das Acrylglas zu ziehen, ist spürbar in den transparenten Bildern von Nicola Staeglich. Auch hier spricht die Wand mit, sieht man sie doch durch die Bilder hindurch. Die Bewegung mit dem Arbeitsinstrument und ihr Anhalten, der Wechsel der Richtung und die Unterbrechung der Kontinuität bestimmen den Rhythmus ihrer Malerei.

In den Körper hineinsehen

Im nächsten Raum nutzt Ellen Hyllemose die Farben von textilen Fundstücken für ihre Komposition. „Inside Landscape“ hat eine Außen- und eine Innenansicht. Von außen ist die amorphe Form, die an einem Haken von der Decke hängt und vage an einen Torso erinnert, mit fleischfarbenem Stoff bespannt. Durch Löcher kann man hineinsehen in diesen Körper, auf die Holzlatten, die die Ausbuchtungen ausmachen und von bunten Textilresten umwickelt sind, ein fröhlich chaotisches Innenleben.

Die Ausstellung

„Gravity’s Rainbow“ in der Galerie Nord/Kunstverein Tiergarten, Di.–Sa. 11–19 Uhr, bis 22. März

Malerisch komponieren mit Vorgefundenem: Das macht auch Franziska Hünig, auf deren Initiative die Ausstellung zurückgeht. Sie zerschneidet Werbeplanen und hängt die teils übermalten Streifen über Stangen in einem Gerüst.

Das Bild, das entsteht ist ausschnitthaft und scheint nur eine Möglichkeit von vielen, wie das Sichtbare und das Verdeckte in Beziehung treten können. Es ist das Provisorische, was die Installation reizvoll macht und zugleich einen Zustand beschreibt, dem man in der Realität täglich begegnet.

Fotografie und Malerei werden manchmal als Gegensatz behandelt, das Abbildende gegen das Gestaltende gesetzt. Über diese Position gehen Astrid Busch und Sophia Schama hinaus, die gewissermaßen mit Fotografie malen, Tromp l'oeil schaffen, in denen die Grenzen von Realem und Illusion zerfließen.

Das Bild, das entsteht ist ausschnitthaft und scheint nur eine Möglichkeit von vielen, wie das Sichtbare und das Verdeckte in Beziehung treten können

Bei Astrid Busch sind Elemente von Fotografie, von Raumansichten, auf Tapete und Gazestoffe gedruckt. Wellen von Vorhängen verbinden den realen und den abgebildeten Raum: Damit entsteht zugleich die Vorstellung, dass sich zwei Zeiten, Gegenwart und Erinnerung, begegnen und übereinander schieben.

Mit dem nicht mehr Vorhandenen, dem Weggenommenen arbeitet auch Gabriele Basch in ihren Cutouts. Die Folien und Papiere, auf die sie zuerst malt, oft auf beiden Seiten, werden anschließend mit dem Cutter bearbeitet. Nur ein Teil bleibt stehen, ein Gerüst, ein Skelett, ein nacktes Astwerk, das sie dann teils von der Decke hängen und Falten bilden lässt. Man kann viele Prozesse damit vom biologischen Werden und Vergehen assoziieren.

Streichen der Künstlerhonorare

Ein Ausgangspunkt für diese Künstler:innen, von denen einige über 50 Jahre alt sind, ist die Ausdehnung der Malerei, ihre Ablösung von der Fläche, die Reflektion ihrer Bedingungen. Es kommt heute nicht mehr oft vor, dass diese ästhetischen Forschungen zum Anlass einer Ausstellung genommen werden.

„Gravity’s Rainbow“, von der Malerin Franziska Hünig mit der Leiterin des Kunstvereins Nord, Veronika Witte zusammen kuratiert, beweist aber, dass es sich lohnt.

Der Ausstellungsraum gehört zu den kommunalen Galerien in Berlin. Es galt als ein Fortschritt, dass diese in Berlin seit 2016 ein schmales Künstlerhonorar zahlen konnten, auch wenn dies oft weder den Arbeitsaufwand noch die Materialkosten abdecken konnte.

Der sogenannte Fonds Ausstellungsvergütung für bildende Künstlerinnen und Künstler umfasste 650.000 Euro im Jahr. Er wird nach den Entscheidungen des Senats jetzt gestrichen. Der Rat der Künste hat dagegen schon protestiert. In der Galerie Nord liegt ein „Aufruf zur Unterstützung“ aus, in dem sich vier Sprecherinnen für Kultur aus den Parteien CDU, SPD, Grüne und Linke voller Empörung gegen diese „Geringschätzung und Entwertung künstlerischer Arbeit“ wenden. Es scheint, dass viele auch in den Fraktionen von Berlins Regierung deren Politik nicht mittragen wollen.

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