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Fanny Gonella über Bremer Kunstszene„Man kann hier bequem werden“

Fanny Gonella verlässt als Kuratorin das Künstlerhaus Bremen und geht nach Metz. Die Kunstszene in Bremen sei vielfältig, aber selbstbezogen.

Geht von Bremen nach Metz: Fanny Gonella Foto: Hannah Wolf
Interview von Radek Krolczyk

taz: Frau Gonella, ab dem Frühjahr leiten Sie ein bedeutendes Kunstinstitut in der französischen Stadt Metz, das FRAC Lorraine. Warum haben Sie sich aus Bremen wegbeworben?

Fanny Gonella: Der FRAC in Metz ist bekannt für Qualität. Dass ich dort gelandet bin, war aber eher Zufall. Meine Stelle beim Künstlerhaus in Bremen lief aus.

Wäre die Leitung der Weserburg nichts für Sie gewesen?

Das Museum ist durch die Debatten um die Finanzierung und um den Umgang mit den verpassten Schenkungen vorbelastet. Ich finde die Räume unübersichtlich. Es ist gut, wenn das Museum unter der neuen Direktorin Janneke de Vries sich deutlich umgestaltet.

Auch Ihre Vorgängerinnen am Künstlerhaus haben Karriere gemacht: Susanne Pfeffer wird Direktorin des Museums für Moderne Kunst Frankfurt. Stefanie Böttcher leitet die Kunsthalle Mainz. Dabei ist das Künstlerhaus der kleinste Ausstellungsort in Bremen …

Es hatte seit der Gründung 1992 ein überragendes Programm. Schon Ende der 1990er-Jahre hatten Erwin Wurm und Thomas Hirschhorn hier Einzelausstellungen. Heute sind sie weltberühmt. Die Show des amerikanischen Videokünstlers Kenneth Anger 2006 war eine Sensation.

Woran liegt das?

Man hat hier viele Freiheiten und kann alles machen, muss aber auch alles selbst machen können!

Metz ist wesentlich kleiner als Bremen.

Naja, in Frankreich gibt es nur drei Städte mit mehr als einer halben Million Einwohnern: Paris, Marseille und Lyon. In Metz leben 125.000 Menschen.

Im Interview: Fanny Gonella

Die Kunsthistorikerin, Jahrgang 1976, ist in Paris geboren und war seit 2014 künstlerische Leiterin des Künstlerhauses in Bremen. Zuvor arbeitete sie für Galerien in Paris und Berlin, an der Hamburger Kunsthalle und beim Bonner Kunstverein. Im Frühjahr 2018 übernimmt sie die Leitung des FRAC Lorraine in Metz.

FRAC, die „Fonds régionaux d’art contemporain“, sind öffentliche Sammlungen für zeitgenössische Kunst in Städten der bisherigen 22 Regionen Frankreichs. Eingerichtet wurden sie 1982 unter François Mitterrand, um zeitgenössische Kunst auch außerhalb der Metropole Paris auszustellen.

In Deutschland wäre das kulturelle Einöde. Ist der Charakter kleinerer Städte in Frankreich anders?

Ich habe vorher noch nie in der französischen Provinz gewohnt, aufgewachsen bin ich in einem Vorort von Paris. Aber Metz ist kein Dorf. In der Agglomeration wohnen 600.000 Menschen.

Was wird den Leuten dort kulturell geboten?

Es gibt viel Kultur, gleich zwei gute Theater. Daneben existiert, wie so oft in Frankreich, ein fantastisches Kinoprogramm, eine Kunsthochschule und seit 2010 eine Außenstelle vom Centre Pompidou. Natürlich gibt es auch das FRAC.

Was genau ist so ein FRAC?

Die Idee kommt aus den 1980er-Jahren, ein früher Versuche der Dezentralisierung in Frankreich. Jede der 22 Regionen bekam ihr eigenes FRAC. Es hat die Aufgabe, zeitgenössische Kunst zu sammeln, sie auszustellen und die Region damit zu bespielen. Jedes FRAC hat sich unterschiedlich entwickelt. Manche etwa haben Schwerpunkte in Architektur oder Fotografie.

Was interessiert Sie besonders an der Sammlung in Metz?

Mir gefällt, dass meine Vorgängerin sich dafür engagiert hat, dass Frauen in der Sammlung gleichberechtigt angekauft werden.

Welchen Schwerpunkt hat das FRAC dort?

Die Sammlung ist besonders – die meisten Kunstwerke dort sind immateriell.

Wie stelle ich mir das vor?

Ein Großteil der Sammlung besteht aus Anweisungen, Partituren und Protokollen. Vieles davon bezieht sich auf vergängliche Formen wie Performances oder Installationen, die sich im Laufe der Ausstellung erst entwickeln. Das bedeutet, dass die Basis dieser Institution physisch schwer greifbar ist. Die Werke müssen oft mit den Künstlern erst reaktiviert werden. Ich mag die Herangehensweise, merke aber auch, dass sie Schwierigkeiten mit sich bringt. Du kannst nicht einfach ein paar Bilder aufhängen …

Was für Werke sind das?

„Fog“ von Veronika Janssen etwa. Es basiert auf einer Sammlung verschiedener Arten von Nebel. Dazu gibt es ein Aufführungsprotokoll, in dem aufgelistet ist, welche Materialien man benötigt, welche Bedingungen nötig sind und wie groß der Raum mindestens sein muss, in dem man sie zeigt. Man hat gleichzeitig alles und kann die Arbeit trotzdem nicht einfach so erfahren.

Dieses Kunstverständnis müsste Ihnen vertraut sein. Sie haben das Künstlerhaus mit Vorliebe mit Kunst bespielt, die weniger materiell und mehr atmosphärisch war.

Würden Sie das so sagen?

Es gab Ausstellungen, in denen Sie ganz ohne klassische Kunstwerke auskamen. Etwa 2016 die Ausstellung der amerikanischen Künstlerin Margaret Honda. Sie hatte die Galeriefenster mit farbiger Folie beklebt. Ausgestellt wurde fast nur Licht.

Das war materiell aber eine sehr aufwendige Ausstellung! Die Fenster der Galerie sind in 56 kleinere quadratische Scheiben unterteilt. Wir haben sie mit dem gesamten Sortiment an farbigen Lichtfiltern der Firma Rosco überklebt. Man verwendet sie in der Filmindustrie. Es war eine sehr langsame Ausstellung, weil der „Film“, der im Raum ablief, vom wechselnden Licht der unterschiedlichen Tageszeiten angetrieben wurde und weil wir alle 434 Filter benutzt haben. Alle 13 Tage wurden die Filter komplett ausgetauscht, so entstanden „neue Filmsequenzen“.

Wie blicken Sie auf Ihre vier Jahre in Bremen zurück?

Es war toll. Die Szene war offen, die Leute neugierig.

Das klingt zu schön …

Es gab auch Probleme. Das Künstlerhaus ist außerhalb Bremens bekannter als in der Stadt. So geht es vielen Institutionen hier. Niemand hat das Budget, um über seine Aktivitäten zu kommunizieren. Die Kunsthalle mag da eine Ausnahme sein.

In Bremen geht es immer darum, dass kein Geld da ist.

Es gibt ein Budget, auch wenn es klein ist. Die Frage ist, wie man das wenige Geld sinnvoll einsetzt. Prozesse, wie die Vergabe der Projektmittel für die freie Szene im Bereich bildender Künste, sind leider nicht transparent. Kaum jemand versteht, welche Summen genau zur Verfügung stehen. Ab diesem Jahr gibt es wenigstens die Möglichkeit zu erfahren, welche Projekte gefördert worden sind. Aber wie es zur letztendlichen Entscheidung durch die Kulturdeputation kommt, verstehe ich bis heute nicht ganz.

Was ist spezifisch an der Bremer Kunstszene?

Der konzeptuelle Ansatz ist sehr stark. Aber ich habe mich manchmal nach mehr Spontaneität und Unregelmäßigkeiten gesehnt. Man kann in Bremen schnell bequem werden. Künstler sein und Bequemlichkeit gehören für mich nicht zusammen.

Ist die Kunstszene hier inzestuös und zu wenig neugierig?

Das sind Ihre Formulierungen. Ich denke, die Szene ist so selbstbezogen, weil sie so groß ist. Sie ist so vielfältig, dass man das Gefühl bekommt, sie reicht vollkommen aus.

Gibt es Bremer Künstler, die Sie in Metz zeigen werden?

Ich mache zunächst eine Veranstaltung mit Daniel Meißner, der interdisziplinär mit Text, Musik und Performance arbeitet. Ich schätze auch die Herangehensweise von Dieter ­Schmal, der derzeit auf dem Dach der Kunsthalle seine Bienenstöcke pflegt. Der macht das mit so viel Ruhe und mit einer gewissen Selbstverständlichkeit. Das gefällt mir wirklich gut. Außerdem ist Honig unglaublich politisch geworden. Es gibt im FRAC einen wunderbaren Garten, in dem man so etwas vielleicht machen könnte.

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