piwik no script img

Fangquoten kaum verändertNullrunde für den Dorsch gefordert

Wenn sich nichts ändert, fehlen der Ostsee bald die Fische. Eine Wende hin zur ökologischen Fischerei wollen die EU-Agrarminister*innen aber nicht.

Ein Dorsch allein im Meer, und wenn sich nichts ändert, fehlen in der Ostsee bald die Fische Foto: G.Lacz/imagebroker/imago

Wird so weitergefischt wie bisher, war’s das mit Hering und Schweinswal in der Ostsee – neue Berechnungen des Geomar Helmholtz-Zentrums in Kiel zeigen, dass die Bestände mit den heute geltenden Fangquoten kaum zu halten sein werden. Rettung brächten ein zeitweiliger Fangstopp für bestimmte Arten und der Umschwung zu einem ökosystembasierten Fischereimanagement, sagt Rainer Froese, Fischereibiologe am Geomar. Doch die EU-Agrarminister*innen werden bei ihrem Treffen in Brüssel wohl die bestehenden Quoten fortschreiben.

Das Meer steckt im Computer: Das Wissenschaftsteam des Kieler Zentrums für Ozeanforschung hat mit riesigen Datenmengen ein Modell des Ökosystems der westlichen Ostsee erzeugt und dann Faktoren verändert, um herauszufinden, was passiert, wenn weniger, mehr oder genauso gefischt wird, wie es zurzeit der Fall ist. Die Antwort ist eindeutig: „Aktuell entnimmt die Fischerei mehr, als nachwachsen kann“, sagt Froese. Mit dem Umstieg auf ein ökobasiertes System dagegen könnten die Schwärme bedrohter Arten wie Hering oder Dorsch wieder auf stabile Größen anwachsen. Ökobasiertes Fischereimanagement bedeutet, alle Faktoren wie Planktonwachstum und das Verhalten der Arten untereinander einzubeziehen. Auf dieses Verfahren hätte sich die EU sogar geeinigt, sagt Froese, und sie sei ökologisch wie wirtschaftlich sinnvoll: „Angesichts der Daten würde jeder Manager etwas ändern. Solche klaren Entscheidungen müsste auch die Politik treffen.“

Doch der Wissenschaftler ist pessimistisch, was die in dieser Woche laufenden Beratungen der EU-Agrarminister*innen angeht. Zu Recht, wie sich am Montagnachmittag zeigte: Aktuell darf Dorsch nur als „Beifang“ gefischt werden, Hering nur mit kleineren Kuttern. Die Fangquoten bleiben auch 2023 ähnlich, von einem ökosystembasierten System keine Spur.

Froese ärgert, dass dies in der Öffentlichkeit als harter Sparkurs diskutiert wird: „Es reicht eben nicht – wir brauchen eine echte Nullrunde für Hering und Dorsch.“ Fi­sche­r*in­nen sollten für einige Jahre entschädigt werden, schlägt er vor: „Sie tragen keine Schuld, sie fischen, was ihnen erlaubt ist.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • Ernsthafte, frühe Hinterfragung der religiös-philosophischen Grundlagen unserer naturfeindlichen (Un-)Kultur könnte evt. noch etwas helfen. Literatur hierzu gibts ja tonnenweise.

  • Er wenn der letzte Fisch gefangen......

  • Was weg ist ist weg. So einfach ist das manchmal. Aber viele Menschen denken teils aus Eigennutz nur bis morgen und leider nicht weiter.

  • Wieso ist der Mensch so dumm? Sehenden Auges rennt der Mensch in sein Verderben. Wer hat denn ein Interesse daran so weiter zu machen, dass es später kein weiter so mehr geben kann? Ganz egal welche betroffene Interessengruppe betrachtet wird. Alle werden mehr verlieren, wenn die Tiere erstmal ausgerottet sind, als wenn man sich temporär beschränkt. Und was sind das für unfähige Politiker, die ihre grundlegenden Pflichten versäumen? Ich bin ratlos.

  • Fangquoten werden das Hauptproblem der Ostsee nicht lösen:



    Es ist in erster Linie die maßlose und ungehemmte Überdüngung des Gewässers durch Phosphate und andere Nährstoffe aus der Landwirtschaft.



    Die seit Jahrzehnten steigenden Nährstoffrachten haben dazu geführt, das in weiten Bereiche der westlichen Ostsee mittlerweile sauerstoffreie Todeszonen entstanden sind.



    Der Klimawandel führt nun erschwerend dazu, das auch die oberen Gewässerschichten sauerstoffärmer werden, sodaß in vielen Bereich nur noch das Mittelwasser als Lebensraum übrig bleibt.



    Dorsche, die in diese Todeszonen vordringen, ersticken dort.

    Dies hat zusammen mit der Überfischung der Bestände zum Kollaps der Herings- und Dorschpopulation in der westlichen Ostsee geführt.



    Ein Verbesserung dieser Situation kann daher nur durch eine massive Verringerung der Phosphat- und Nährstoffeinträe aus der Landwirtschaft herbeigeführt werden.

    Fangverbote oder restriktive Quoten von nicht mehr vorhandenen Beständen sind daher reine Kosmetik.

    Die Ostsee wird im Hinterland verschmutzt, und kann auch nur von dort aus wieder regeneriert werden.