Fanfestival und Demokratiedemo: Der Aufstieg ist politisch
Der FC St.Pauli hat am Montag seinen Aufstieg in die erste Bundesliga gefeiert. Verbunden hat der Verein das mit einer Kundgebung gegen Rechts.
Unter dem Titel „Alle gemeinsam zur Demonstration und Abschlussfeier“ hatte der FC St. Pauli für Pfingstmontag zu einem „Aktionstag“ eingeladen, der gleich zwei Funktionen erfüllen sollte: Eine Demonstration für Demokratie und gegen rechts sowie für den Erhalt der Clubkultur in Hamburg, die für den Stadtteil St. Pauli – noch – prägend ist. Und ein vom Verein organisiertes Festival zur Feier des Aufstiegs in die erste Bundesliga, der seit Mitte Mai feststand. Seit er am Sonntag mit 2:1 beim SV Wehen Wiesbaden siegte, ist der Verein nicht nur Aufsteiger, sondern auch Meister der 2. Bundesliga.
Darum scheint es am Montagmittag auf dem Rathausplatz auch erst mal zu gehen. Im Eingangsbereich der U-Bahn-Station stehen, da wo der Regen sie nicht mehr erwischen kann, rund 50 Menschen. Ein paar springen auf der Treppe auf und ab und rufen „Spitzenreiter, Spitzenreiter, hey, hey“ und „Die Nummer eins der Stadt sind wir“. Sie tragen St.-Pauli-Trikots, Fan-Schals und braune Pullover mit dem Totenkopfsymbol, das zum zweiten Logo für den Verein und auch den namensgebenden Stadtteil geworden ist.
Als der Regen ein wenig nachlässt, strömen die Fans auf den Rathausplatz. Aus Lautsprechern tönen Rockgitarren, als die Spieler des FC St. Pauli in einheitlichen weißen Poloshirts und schwarzen Hosen über den Rathausmarkt laufen. Die Menschen laufen hinterher, jubeln und machen Fotos, bevor die Spieler im Hintereingang des Rathauses verschwinden.
Für den Verein passen Demo und Aufstiegsfeier gut zusammen: „Sport und Politik gehören beim FC St. Pauli zusammen“, sagt Pauli-Pressesprecher Patrick Gensing der taz im Vorfeld. „Wir nutzen unsere Bekanntheit ja immer wieder für politische Themen.“
Jannik (37), St.-Pauli-Fan
Auch das diesjährige „entscheidende Wahljahr“ ist für den Verein ein Grund für die Doppelveranstaltung: „Demokratiefeinde versuchen, unsere gemeinsamen Grundsätze zu zersetzen und werden immer aggressiver, lauter und bedrohlicher“, wurde Vereinspräsident Oke Göttlich im Vorfeld in einer Mitteilung zitiert. Wegen seiner progressiven Fanszene, die teilweise aus der Hamburger Hausbesetzerszene der 80er-Jahre hervorgegangen ist, gilt St. Pauli als linker, politischer Verein.
Als die Kundgebung beginnt, trauen sich ein paar mehr Menschen auf den Platz und in den weiter anhaltenden Regen. „Dieser Regen repräsentiert die Widrigkeiten, gegen die ihr euch stellen müsst und die Widrigkeiten, durch die das Team gehen musste“, sagt Oke Göttlich von einem LKW aus.
Die verbale Verbindung von Sport und Politik zieht sich durch die ganze Kundgebung. Die Omas gegen Rechts überbieten sich in ihrer Rede mit politischen Fußballmetaphern. Sie wollen „Menschenhass ins Abseits schießen“ und fordern „Stopp. Keine Verlängerung für rechts“ und „Abpfiff für die NSAfD“. Die Menge, die inzwischen auf über Tausend Menschen angewachsen ist, jubelt.
Unter ihnen sind Inge (32) und Jannik (37), die gekommen sind „weil wir St.-Pauli-Fans sind und weil wir auf die Demo gehen wollen“ sagt Inge. „Wir mögen die Demokratie“, ergänzt Jannik. Die beiden finden es gut, dass der Verein seine Plattform für politische Inhalte nutzt.
Der 61-jährige Götz ist schon seit den 80ern St.-Pauli-Fan. Er ist auf den Rathausplatz gekommen, um ein „Zeichen gegen rechts“ zu setzen, aber auch weil er bei der Aufstiegsfeier dabei sein will. Die Verbindung findet er „ganz passend“.
Der 18-jährige Julian ist mit zwei Freund*innen gekommen. Sie tippen auf ihre Trikots und sagen, sie sind „offensichtlich“ vor allem für St. Pauli da, finden das mit der Demo aber auch „gut“.
Er sei wegen der Aufstiegsfeier gekommen, sagt der 49-jährige Tim. Auf die Frage nach dem politischen Teil antwortet er trocken: „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.“
Shoa-Überlebender mahnt zur richtigen Wahl
Inzwischen steht der Holocaust-Überlebende Ivar Buterfas-Frankenthal auf der kleinen Bühne. „Unsere Demokratie ist noch nie so gefährdet gewesen wie jetzt“, sagt er, lobt den Verein mit den Worten „diese Leute kämpfen unermüdlich gegen rechts“ – und fordert die Fans dazu auf, bei den nächsten Wahlen „das Kreuz an der richtigen Stelle“ zu machen.
Geplant wurde der Tag ohne Einbezug der aktiven Fanszene „in einem sehr kleinen Kreis“, wie Patrick Gensing der taz auf Nachfrage sagte. „Denn der ganze Fokus lag auf dem sportlichen Erfolg“, so Gensing. Miteinbezogen waren dafür einige gesellschaftspolitische Initiativen für Stadt- und Clubkultur, wie etwa das Clubkombinat, das Hofprojekt Viva la Bernie oder das künstlerische Parkprojekt Park Fiction. „Eine progressive, diverse Kulturszene ist auch ein Gegenentwurf zu einer gleichförmigen Gesellschaft, die autoritäre und rechtsradikale Kräfte anstreben“, sagt Gensing.
Anders als zunächst angekündigt zeigten sich am frühen Nachmittag auch noch die Spieler auf dem Rathausbalkon. Mit dabei: eine selbst gebastelte Meisterschale aus Pappe und Sportsenator Andy Grote (SPD) in echt. Die Original-Schale wurde ihnen erst später beim Festival auf dem Spielbudenplatz überreicht.
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