piwik no script img

Familiensplitting versus EhegattensplittingEine Frage der Ehe

Was ist gerechter: Ehegattensplitting oder Familiensplitting? Nichts von beidem, sagen Familienverbände. Sie fordern individuelle Besteuerung und mehr Kindergeld.

Welches Splitting ist das beste für Familien? Bild: Jennemarie / photocase.com

BERLIN taz | Ehegattensplitting, Familiensplitting, Familienrealsplitting, Individualbesteuerung: es gibt viele Möglichkeiten, das Leben miteinander und die Sorge füreinander materiell zu fördern. Aber was davon ist gerecht? Und welche Steuerform ist tatsächlich geeignet, das Leben mit Kindern finanziell zu begünstigen?

Seitdem 13 Unions-Abgeordnete fordern, verpartnerte Homosexuelle heterosexuellen Eheleuten steuerrechtlich gleichzustellen, mehren sich die Stimmen bei CDU und FDP, das in Deutschland geltende Ehegattensplittung zugunsten des Familiensplittings abzuschaffen. Als Modell hierfür dient der französische „Quotient familial“ (Familienquotient).

Dabei wird das zu versteuernde Einkommen auf alle Familienmitglieder umgelegt. Sind Kinder dabei, verringert sich die Steuerlast der Erwachsenen, weil Kinder ja kein Einkommen haben. Beim „Quotient familial“ ist es egal, ob die Eltern miteinander verheiratet sind oder nicht.

Auch SPD-Chef Sigmar Gabriel ist der „Überzeugung, dass man das Ehegattensplitting umwandeln muss in ein Familiensplitting“. Das sagte er vor wenigen Tagen im Deutschlandfunk. Das Problem dabei: Seine Partei hat sich mit dem „Familienland Deutschland“ längst für eine andere Lösung ausgesprochen. „Wir wollen anstelle des Ehegattensplittings eine Individualbesteuerung von Ehegatten einführen“, heißt es in dem Leitprogramm, das der Parteitag im Dezember 2011 beschloss.

Schwesig korrigiert Gabriel

Manuela Schwesig, SPD-Vize und Sozialministerin in Mecklenburg-Vorpommern, beeilte sich am Montagmorgen, Gabriels Unwissen zu korrigieren. Er habe sich für eine „Familienförderung“ ausgesprochen, sagte Schwesig. Wie aber sieht die aus? Familienverbände, darunter der Deutsche Kinderschutzbund, pro familia und das Zukunftsforum Familie, wissen es: Die Vereine fordern eine „individuelle Besteuerung mit übertragbarem zweitem Grundfreibetrag“. Nur dadurch würden die vielfältigen Familienformen von heute steuerlich gerechter behandelt.

„Familienleben hat mit der Leistungstätigkeit, wie sie unser Steuersystem abbildet, nichts zu tun“, sagt Peggi Liebisch von pro familia. Besser wäre: Jeder zahlt auf sein Einkommen Steuern. Wer also viel verdient, zahlt mehr, wer weniger verdient, weniger. Für jedes Kind soll es ein Kindergeld in Höhe von rund 500 Euro geben.

„Das Ehegattensplitting ist traditionell und antiquiert und gehört abgeschafft“, sagt Liebisch. Aber auch das Familiensplitting ist „unsozial“, „weil es die Besserverdienenden bevorzugt“. Geringverdienende, die keine oder nur wenig Steuern zahlen, profitieren davon nicht.

Ähnlich sieht das auch die Rechtswissenschaftlerin Margarete Schuler-Harms von der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg. In einem gerade erschienenen Aufsatz in der Fachzeitschrift Familie Partnerschaft Recht wies sie darauf hin, dass das Familiensplitting vor allem Familien mit höheren Einkommen nütze.

Auch zahlreiche WirtschaftswissenschaftlerInnen plädieren für eine individuelle Besteuerung. So ergab eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, dass die Individualbesteuerung Anreize dafür schaffe, dass auch verheiratete Frauen arbeiten gingen. Anders als beim Ehegatten- und Familiensplitting würden geringe Einkommen dabei auch nur gering besteuert.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

17 Kommentare

 / 
  • JD
    jemand der sich ärgert

    ich selbst war nie Hausfrau, aber wie kann man die Arbeit einer Hausfrau entwürdigen und dem Bild der Frau an sich indem man das Ehesplitting aufhebt. Dann muss auch das Hartz 4 Geld ohne Berücksichtigung ob verheiratet oder nicht ohne Berücksichtigung wieviel der Partner verdient ausgezahlt werden und es müssen jetzt auch mal ganz schnell viele Arbeizsplätze für all die vielen Hausfrauen gebacken werden. Wo es sowieso schon kaum anständige Arbeit mehr gibt. Auf was kann man denn heute noch bauen oder vertrauen?

  • TW
    T We

    Deutschland: Abschaffung von Moral und klasischen Ehe und Familienwerten, RTL 2 und andere primitive Sender, Dumpinglöhne, keine Qualität der Arbeit, keine Kultur, keine Erziehung der Kinder welche auf Anstand und Respekt basieren sondern auf Durchsetzung und Rücksichtslosigkeit und falschen Familienwerten (demoralisierte Patschworkfamilie) er war ich für SPD jetzt aber ganz schnell zu den konservativen bevor hier alles zu spät ist. Am besten auswandern nach Bayern!

  • TW
    T. W.

    Deutschland: Abschaffung von Moral und klasischen Ehe und Familienwerten, RTL 2 und andere primitive Sender, Dumpinglöhne, keine Qualität der Arbeit, keine Eriehung der Kinder welche auf Anstand und Respekt basieren sondern au Durchsetzung und Rücksichtslosigkeit u.s.w früher war ich für SPD jetzt aber ganz schnell zu den konservativen bevor hier alles zu spät ist. Am besten auswandern nach Bayern!

  • K
    Karl

    Ich wiederspreche allen, die die Abschaffung des Ehegattensplittings als herkömmlich "links" bezeichnen.

    Eine reine Individualbesteuerung ist sowas von arbeitgeberfreundlich und arbeitnehmerfeindlich, das tut schon weh.

     

    Eigentlich ist es FDP pur.

     

    Zumal der erfolgreich Selbständige seinen Ehepartner ordentlich mitverdienen lassen kann und das Ehegattensplitting ab einem gewissen Einkommen auch schon fast wieder egal ist.

  • DM
    Dr. Maier

    Diese ganze Gerechtigkeitsdebatte ist scheinheilig und zeugt nur von steuerrechtlichem Umverstand. Das Ehegattensplitting ist eine Folge der deutschen Steuerprogression. Warum bitte soll ein Ehepaar bei dem der Mann 10.000 Euro verdient und die Frau nichts denn mehr Steuern bezahlen als ein Ehepaar bei dem beide 5.000 Euro verdienen? Ist das dann der Bonus der Linken für die Emanzipation der Frau als Werktätige?

  • MW
    Mal wieder Unsinn

    Familiensplitting ist doch Unsinn. Geringverdiener mit vielen Kindern zahlen jetzt schon kaum Steuern, da kommen nur marginale Entlastungen zustande. Aber Großverdiener würde bereits ab dem ersten Kind fünfstellige Steuerersparnisse einfahren.

  • H
    Holger

    Geht es eigentlich um Familienförderung, oder darum, ein neues Frauenbild umzusetzten?

     

    Geht es um Familienförderung oder Umverteilung von ,arm' nach ,reich'? (letzteres findet ja eigentlich eher an anderen Orten, wie z.B. Steuerprogession, etc... statt)

     

    Gerecht wäre wohl am ehesten das Familiensplitting, weil es davon ausgeht, daß das, was man zum Leben (ver-)braucht (=Grundfreibetrag), nicht besteuert werden sollte.

     

    Gleichzeitig fördert das Familiensplitting in die richtige Richtung.

     

    Gewünscht ist tatsächlich das dritte Kind des Facharbeiters, und nicht das fünfte des Sozialhilfeempfängers.

  • SS
    Svetozar Schnuckelberger

    Was soll man von einem Wissenschaftler halten, der - ausweislich des Satzes - "Anders als beim Ehegatten- und Familiensplitting würden geringe Einkommen dabei auch nur gering besteuert." - nicht einmal den Unterschied zwischen Steuerklasse und Splittingvorteil kennt?

  • K
    Karl

    D.h. wir schaffen das Ehegattensplitting ab, damit meine Frau, statt nutzlose Hausfrau(Polemik!) zu sein, lieber irgend einen sinnstiftenden Billig-Job (auch Polemik)nachgeht, damit wir beim gleichen Einkommen bleiben (den Mini-Job für die Bezahlung der Nanni nicht vergessen, ich hab quasi Dauerbereitschaft)?! Hallo... mein Geld ist unser Geld (heißt Mama, Papa und die Kinder), warum dann eine Versteurung wie ein Single?

    Dazu... kann ich dann meine Frau endlich wieder als Haushaltshilfe absetzen, ging nämlich vor der Heirat?! Dann wäre der Unterschied nur 2-3tsd/Jahr, da reicht ein Job für sie wenn ich Urlaub hab und wir können die Nanni sparen... schön (Ironie)!

     

    Wenn die Ehe nur finanzielle Vorteile bringt warum heiraten die ganzen Alleinerziehenden (m/w) nicht einfach. Nutzehen gab es immer schon und ob irgendwas vollzogen wird schaut doch auch keiner.

  • I
    Ich

    Natürlich begünstigt Familiensplitting die Familien mit höherem Einkommen; aber ist es deshalb per se abzulehnen? Familien mit Unternehmensbesitz können Familiensplitting doch schon heute praktizieren indem sie die Kinder als stille Teilhaber mit ins Unternehmen aufnehmen und dann die Gewinne gleichmäßig an alle Familienmitglieder ausschütten.

     

    Das zu verhindern wird schwer (bis unmöglich) sein. Und deshalb führt jede andere Variante lediglich zu nur noch mehr Ungerechtigkeit (wenn z.B. diese Familien dann noch 500 Euro Kindergeld oben drauf bekommen). Damit schafft man höchstens Gerechtigkeit zw. Unter- und Mittelschicht, während sich die Oberschicht erneut ins Fäustchen lacht.

  • J
    Jörn

    Die Argumente sind so alt wie sie falsch sind. Im Steuerrecht gilt überall die Regel, dass die Lasten die jeder zu tragen hat, steuerlich berücksichtigt werden. Wer viel für Medikamente ausgeben muss, zahlt weniger Steuern. Pendeln, Ausbildung, Behinderungen etc. werden berücksichtigt. Nur bei Kindern soll es angeblich unsozial sein, dass diejenigen, die mit ihrem Geld für Kinder sorgen deshalb weniger Steuern zahlen sollen.

    So werden dann auch Trennungsväter, die für ihre Kinder zahlen, genauso wie Alleinstehende besteuert. Alleinerziehende zahlen im OECD-Vergleich in Deutschland mit Abstand die höchsten Steuersätze.

    Nach diesen Argumenten angeblich alles sozial gerecht.

    Für die Kinder zu sorgen ist vor allem Sache der Eltern. Der Staat hat darauf Rücksicht zu nehmen und die Eltern steuerlich besser zu stellen. Aber es ist nicht Sache des Staates statt der Eltern finanziell für die Kinder zu sorgen. Wenn es um Trennungsväter geht, sehen die "Sozialverbände" das auch immer so -egal ob dies für die Betroffenen in einer Schuldknechtschaft auf Hartz-IV-Niveau endet.

    Daher ist Ehegattensplitting ein überkommenes Modell. Das Familiensplitting ergänzt es - ohne die unnötigen Geschenke für die kinderlose Ehe aufzuheben. Konsequent wäre daher ein Elternsplitting - d.h. Steuerfreibeträge nur für diejenigen, die Kinder finanziell versorgen und nicht für Ehepartner.

  • F
    Frechheit!

    "So ergab eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, dass die Individualbesteuerung Anreize dafür schaffe, dass auch verheiratete Frauen arbeiten gingen."

     

    Wieder einmal die tollen Theorien alleinstehender Frauen oder von Frauen mit einem Kind.

     

    Können Sie mir bitte einmal erklären, wie ich es schaffen soll bei vier Kindern arbeiten zu gehen?

     

    Ich kann natürlich meine zwei- und vierjährigen alleine in den Kindergarten gehen lassen und alleine nach Hause finden werden sie ja wohl auch. Alternativ oder kumulativ kann ich natürlich auch meinen sechsjährigen alleine zu Schule schicken und unsere neunjährige ist ja nun wirklich alt genug, um komplett für sich selbst zu sorgen.

     

    Eine Frechheit, was sich solche "Familientheoretiker" gegenüber Menschen wie mir herausnehmen. Hauptsache das Steuersystem wird so gestaltet, dass sie noch mehr bekommen und Familien wie wir noch weniger.

     

    Aber die größte Frechheit ist, dass sie sich auch noch als große Frauenrechtlerinnen darzustellen versuchen!

  • MW
    Melanie Winter

    "So ergab eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, dass die Individualbesteuerung Anreize dafür schaffe, dass auch verheiratete Frauen arbeiten gingen..."

     

    - damit sie noch weniger Zeit mit ihren Kindern verbringen könnnen.

    - damit der Arbeitsmarkt noch billigere Arbeitskräfte bekommt.

    - damit die Altfeministen ihr verkrustetes Idealbild durchdrücken können.

    - damit Familien weiter destabilisiert werden.

    - damit wir alle der Leistungsgesellschaft dienen.

     

    Verheiratete Frauen und Männer wissen sehr wohl, ob und wann sie einer Erwerbsarbeit nachgehen wollen und wann nicht.

    Steuerliche Zwänge, um noch mehr schufften zu müssen, braucht es dazu nicht.

  • H
    HorstNRW

    Super über Bande gespielt. Es geht doch nicht um die Gleichstellung von Homo-Ehen und Hetero-Ehen.

    Die Steuern sollen erhöht werden und der Niedriglohnsektor ausgebaut werden. Wer kann sich noch eine Familie mit einem Einkommen leisten? Die Daumenschrauben werden angezogen, um das Volk auszusaugen. Die grüne Atlantikbrücke funktioniert 1a.

  • T
    Teermaschine

    "Sofort aufhören!"

     

    Wir kommen ja so schon nicht in den Schlaf bei unseren dünnen Wänden und Decken. Wenn es dann noch 500€ Prämie pro Blag gibt, ficken sich unsere Nachbarn glatt aus Hartz4.

  • K
    Karla

    Ehegattensplitting ist nur für Homosexuelle ungerecht, da ansonsten jeder heiraten und diese Regelung nutzen kann.

     

    Wer in der Schule lieber "abhängt" und im Privatleben regelmäßig seinen Partner wechseln möchte, der sollte dann später auch nicht neidisch werden wenn andere etwas mehr Geld in der Tasche haben.

  • M
    Mona

    "Anreize dafür schaffe, dass auch verheiratete Frauen arbeiten gingen. Anders als beim Ehegatten- und Familiensplitting"

     

    Ich wollte nur einmal darauf hinweisen, dass wir auch heute noch 2.9 Millionen + X Arbeitslose haben und man nicht davon reden kann, dass es massenhaft lukrative Jobs gibt. Wo sollen denn dann die Frauen arbeiten? Bei Aldi an der Kasse, als Putzfrau oder bei KIK?

     

    Mit der Individualbesteuerung wird der Mittelstand in Deutschland gegen den Baum gefahren.

     

    Viele Mütter die nicht arbeiten gehen, kümmern sich um ihre Kinder und engagieren sich oftmals ehrenamtlich in Vereinen. Komisch, dass die taz dies völlig übersieht.