Familienkonzept der SPD: Einmal Hartz-Kind, immer Hartz-Kind
Das neue Familienkonzept der SPD ist gut, aber nicht gut genug, kritisieren Familienverbände und Gewerkschaften. Vorschläge für Verbesserungen gibt es zahlreiche.
BERLIN taz | Das neue familienpolitische Konzept der SPD "Familienland Deutschland" ist zu begrüßen, es geht aber nicht weit genug. So lassen sich die Reaktionen von Familienverbänden, Gewerkschaften und anderer Oppositionsparteien auf das Papier zusammenfassen, das künftig familienpolitische Leitlinie der SPD sein soll.
Jetzt sind die Sozialdemokraten in der Opposition. Aber wenn sie regieren, wollen sie unter anderem einen Rechtsanspruch für jedes Kind in einer Kita und später in einer Ganztagsschule durchsetzen, mehr Teilzeit für Frauen und Männer ermöglichen und arme Familien finanziell stärker fördern. Dazu sollen beispielsweise das Kindergeld in Höhe von 184 Euro pro Kind und der Kinderzuschlag in Höhe von 140 Euro, den Geringverdienende auf Antrag erhalten, zusammengelegt werden. Für Reiche soll der Kinderfreibetrag begrenzt werden. Das ursprüngliche Kindergeld sollen die aber weiter bekommen.
"Das Konzept ist ein Schritt in die richtige Richtung, hin zu einer allgemeinen Kindergrundsicherung", sagt Barbara König, Geschäftsführerin des Zukunftsforums Familie: "Aber das reicht noch nicht." Königs Verein plädiert für eine monatliche Kindergrundsicherung in Höhe von 502 Euro für jedes Kind. Die sollen auch jene Familien bekommen, die Hartz IV beziehen.
Familienministerin Kristina Schröder (CDU) will die Vätermonate ausweiten, wenn genügend Geld da ist, sagte sie der Süddeutschen Zeitung (SZ). Als "Ziel für diese Legislaturperiode bleibt es auf der Agenda".
Familien bekommen derzeit maximal 14 Monate Elterngeld, wenn Väter davon mindestens zwei Monate nehmen. Inzwischen geht jeder vierte Vater in Elternzeit, aber nur jeder fünfte von ihnen bleibt länger als die beiden Vätermonate beim Baby.
Kristina Schröder sagte im SZ-Interview, sie bekomme von Vätern ihrer Generation häufig zu hören, die Politik tue so, "als hätten nur Mütter Probleme" mit der Vereinbarung von Familie und Beruf. Schröder: "Zeit ist auch bei den Vätern der Knackpunkt."
Die Ministerin, die im Juni selbst Mutter wurde, plädiert für mehr Teilzeit, "zum Beispiel eine Reduzierung auf 80 Prozent", für Frauen und für Männer. Neue Arbeitszeitgesetze lehnt sie aber ab. Lieber will sie das "Bewusstsein in den Unternehmen ändern". (sis)
Doch genau das passiert mit dem SPD-Vorschlag, der unter Federführung von Parteivize Manuela Schwesig entstanden ist, nicht. Das "neue Kindergeld" soll auf Hartz IV angerechnet werden, SozialgeldbezieherInnen gehen also leer aus. Lediglich GeringverdienerInnen können je nach Einkommen bis zu 324 Euro monatlich bekommen.
Förderung vom Kopf auf die Füße gestellt
Das kritisieren auch die Grünen. "SozialgeldbezieherInnen werden lapidar mit einem Satz abgehandelt", sagt Katja Dörner, familienpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Bundestag. Grundsätzlich gehe die SPD aber in die richtige Richtung. "Förderung für Kinder und Familien wird vom Kopf auf die Füße gestellt", sagt Katja Dörner.
Auch die Linkspartei findet das Konzept "in der Zielrichtung" gut. Um Armut aber wirksam zu begegnen, sollten Ganztagskitas "elternbeitragsfrei" sowie unabhängig vom Erwerbs- oder Aufenthaltsstatus ihrer Eltern zugänglich sein, sagt Cornelia Möhring, frauenpolitische Sprecherin der Fraktion.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) fordert seit Längerem, den Kinderzuschlag auszuweiten: auf 200 Euro für Kinder bis fünf Jahre und auf 272 Euro für Kinder ab 14 Jahre. Damit würden mehr Kinder aus Hartz IV "herausgeholt".
Rund zwei Millionen Minderjährige leben derzeit von Hartz IV, jedes siebte Kind lebt auf Hartz-IV-Niveau. Das "neue Kindergeld" der SPD kostet nach Rechnungen der Partei jährlich 2 Milliarden Euro.
Familienministerin Kristina Schröder (CDU) kritisiert erwartungsgemäß die SPD-Reformpläne. Den Kinderfreibetrag zu begrenzen sei mit dem Grundgesetz nicht vereinbar, sagt sie. Das weist die SPD zurück: Der Steuerfreibetrag unter anderem für Betreuungs- oder Ausbildungsaufwand sei nicht mehr begründbar. Es mangele nicht mehr so stark an öffentlicher Kinderbetreuung, sagt Fraktionsvize Dagmar Zieger. Ebenso könnten die Kinderbetreuungskosten inzwischen steuerlich geltend gemacht werden.
Aber auch die Grünen sehen beim SPD-Konzept "verfassungsrechtliche Bedenken" und planen ein eigenes Konzept für eine Kindergrundsicherung.
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