Falschnachrichten und Panikmache: WhatsApp will Newsletter kicken
Medien nutzen den Dienst für den Publikumskontakt. Das soll sich ändern, vorgeblich zur Vorbeugung von Spam und Desinformation.
Der Messengerdienst WhatsApp wurde entwickelt, so steht es im FAQ-Blog des Unternehmens, „um Menschen bei der Kommunikation mit Freunden und Familie zu helfen“. Es geht also um private Nachrichten. Seine FAQ hat WhatsApp kürzlich noch einmal aktualisiert und darin klargestellt, dass der massenhafte oder automatisierte Versand von Nachrichten gegen die Nutzungsbedingungen verstoße, und zwar „seit jeher“. Die „Broadcast“-Funktion der App jedoch macht das Versenden von Nachrichten an eine Liste von Personen generell möglich.
Mit dem wachsenden Erfolg des Facebook-Tochterunternehmens – für viele Menschen hat WhatsApp die SMS praktisch abgelöst – haben auch einige Unternehmen entdeckt, wie sie diesen Umstand für ihre Zwecke verwenden können. Sie nutzen die Plattform zum Beispiel um Informationen oder Werbung an ihre Kund*innen zu verschicken. Auch viele Medienhäuser bieten Newsletter über WhatsApp an.
Damit dürfte jetzt Schluss sein. Schon im Februar hat WhatsApp ein Dokument veröffentlicht, in dem erklärt wird, wie die App Missbrauch und Massennachrichten unterbinden will. Das geschieht zum Beispiel durch die automatische Erkennung verdächtiger Accounts. Über 2 Millionen Nutzeraccounts würden pro Monat wegen unerlaubten Verhaltens gesperrt. Auf seinem Blog kündigte WhatsApp außerdem an, ab dem 7. Dezember 2019 rechtliche Schritte gegen Personen einzuleiten, die automatisierte oder Massennachrichten versenden. Auch gegen Dritte, die andere dabei unterstützen, soll vorgegangen werden. Das zielt auf Anbieter ab, die WhatsApp mit Hilfe bestimmter Tools für geschäftliche Zwecke nutzbar machen.
Auch die taz informiert Leser*innen regelmäßig auf WhatsApp über Nachrichten zu den Themen Klimawandel und Rechtsextremismus. Ob und wie diese von WhatsApps Erklärungen betroffen sind, ist noch unklar. Andere Medien befassen sich ebenfalls mit dem Thema. So schreibt etwa Gerrit Schumann vom Handelsblatt auf Anfrage: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass von Nutzern ausdrücklich gewünschte Inhalte vertrauenswürdiger Medien, sondern vor allem Spam-Nachrichten unterbunden werden sollen.“
Unsere Whatsapp-Gruppen bieten einmal am Tag eine Zusammenfassung unserer Klimawandel- und Rechtsextremismus Berichterstattung. (Bitte beachtet, dass dann öffentlich sichtbare Infos von euch wie Telefonnummer, Nickname, Status und Profilbild nach dem Eintreten in die Gruppe auch für Dritte sichtbar sind.)
Oder folgt unseren Telegram-Kanälen zu Klimawandel und Rechtsextremismus. Aktuell gibt es auch einen Kanal für die laufende Fußball-WM.
Keine Alternative
WhatsApp verweist in seinem Blog auch darauf, dass es bereits eine „WhatsApp Business App“ gibt, die Unternehmen die Kommunikation mit ihren Kund*innen erleichtern soll. Wie die App für den privaten Gebrauch, ist auch die Business-Anwendung zunächst kostenlos. Für Medien, die Newsletter versenden wollen, stellt die App jedoch keine Alternative dar. So teilt der Spiegel der taz mit: „Die Möglichkeit zum Dialog, hohe Öffnungsraten und gutes Feedback zeichnen WhatsApp-Newsletter für uns aus.“ WhatsApp Business sei hingegen „kein Ersatz für eine Newsletter-Funktion“. Für das Handelsblatt hängt die Möglichkeit zur Nutzung dieser App laut Schumann „wie bei allen Kanälen von den Kosten ab, die müssen mit E-Mail Versandkosten vergleichbar sein. Letztendlich geht es Facebook ja auch darum, ihre Distributionsplattform so besser zu monetarisieren.“
Die meisten Medien bieten ihre Newsletter ohnehin auch über andere Kommunikationskanäle wie den Messenger Telegram, der News-App Insta oder einfach per E-Mail an. Christoph Jumpelt von der Deutschen Welle sagt dazu gegenüber der taz: „Wir finden andere Wege, um Nutzer zu erreichen.“ Der Facebook-Messenger zum Beispiel liege in seiner Nutzung für Newsletter bei der Deutschen Welle schon jetzt über WhatsApp. Die Vorlagen für die Messenger-Nachrichten seien außerdem Formate, die sowieso produziert würden. Deshalb trage der WhatsApp-Newsletter zwar zur Nutzungsbindung bei, sei aber „eher ein Add-on. Es bedeutet keinen wirklichen Reichweiten-Verlust für uns.“
Jumpelt meint weiter: „Das ist eine bedauerliche Entwicklung, aber der Hintergrund ist schon verständlich. Dass etwas zur Eindämmung der Verbreitung von falschen Informationen getan wird, ist erst mal lobenswert. Was das dann in der Praxis bringt, ist aber natürlich noch nicht absehbar.“ WhatsApp begründet sein Vorgehen auch mit Bemühungen, politisch motivierte Versuche der Einflussnahme durch die Verbreitung von Fehlinformationen zu erschweren.
Mit diesem Problem war WhatsApp nicht zuletzt 2018 konfrontiert worden, als der Rechtspopulist Jair Bolsonaro die Präsidentschaftswahlen in Brasilien gewann. Mutmaßlich beigetragen zu seinem Erfolg haben dabei auch massenhaft versendete Nachrichten, in denen sein politischer Gegner verunglimpft und falsche Informationen über ihn verbreitet wurden. Diese waren über WhatsApp verschickt worden.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Wahlverhalten junger Menschen
Misstrauensvotum gegen die Alten
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Berlinale-Rückblick
Verleugnung der Gegenwart