Fall in Schleswig-Holstein: Familientrennung per Abschiebung
Von 8 Mitgliedern einer libanesischstämmigen Familie wollen die Behörden nur drei hier haben – die, die als gut integriert gelten. Einen Härtefall sieht man nicht.
KIEL taz | Sie ist seit 18 Jahren in Deutschland, sie hat sich integriert – und doch droht die achtköpfige Familie Chafi aus dem schleswig-holsteinischen Elmshorn zerrissen zu werden. Denn die Eltern und die drei jüngeren in Deutschland geborenen Kinder sind bisher nur geduldet, ihr Antrag auf Aufenthaltserlaubnis wurde abgelehnt. Eines der Kinder hat Epilepsie.
Es gab schon ein Gespräch bei der Ausländerbehörde über die Abschiebung zurück in den Libanon, aus dem die Eltern gekommen sind. Doch nur die drei volljährigen Kinder zwischen 18 und 24 sollen bleiben dürfen – für sie greift die Sonderregel für gut integrierte Jugendliche. Der Rest der Familie ist nur bis Mitte Januar geduldet.
„Zurückzugehen wäre für uns eine Katastrophe“, sagt Familienvater Abdul Kader Chafi. Die Lage sei unsicher, die Kinder würden das Land und die Situation nicht kennen und außerdem sei nicht klar, ob die medizinische Versorgung seiner Tochter dort möglich und finanzierbar sei.
Nicht als Härtefall anerkannt
Die Ausländerbehörde in Pinneberg begründet ihre Entscheidung damit, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Asylantrag schon vor Jahren als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt habe. Deshalb gebe es keine Möglichkeit, einen Aufenthaltstitel zu erteilen, sagt Sprecher Marc Trampe. Die Härtefallkommission des Landes habe die Familie nicht als Härtefall anerkannt. Und von der Epilepsie-Erkrankung habe man erst aus den Medien erfahren.
Die Unterstützer der Familie halten die Entscheidung für falsch und rechtlich angreifbar: Der Schutz der Familie sei nicht ausreichend berücksichtigt worden, außerdem gebe es für die Familie sehr wohl die Möglichkeit, trotz des abgelehnten Asylantrags einen Aufenthaltstitel zu bekommen.
Im Jahr 2011 gab es rund 8.000 Abschiebungen aus Deutschland, 350 mehr als im Vorjahr. Zwar es gab immer wieder Initiativen und Sonderregelungen für Menschen, die lange in Deutschland leben und von den Ausländerbehörden nur geduldet wurden. Doch: „Die Besonderheit des Falls ist, dass die Familie von keiner einzigen Altfallregelung profitieren konnte“, sagt Ludger Fischer vom Diakonieverein Migration aus Pinneberg, der die Familie unterstützt. Es habe immer einen Ausschlussgrund gegeben.
4.500 Schüler kämpfen für Bleiberecht
Hintergrund könnte sein, dass Abdul Kader Chafi 1994 zunächst unter falschem Namen eingereist ist. Seine Unterstützer führen allerdings an, dass er das nach kurzer Zeit selbst korrigiert habe – und im Falle einer Abschiebung die ganze Familie dafür bestraft würde, unabhängig von den Integrationsbemühungen in den Folgejahren. Der Vater arbeitet als Buchbinder, die zwei ältesten Söhne studieren, die älteste Tochter macht Abitur.
Der Fall sorgte für mächtig Wirbel im Land: Flüchtlings- und Migrationsorganisationen kämpfen für ein Bleiberecht der fünf Chafis und verstehen das Verhalten der Behörden nicht, 4.500 Schüler und das Landesschülerparlament fordern ein Bleiberecht.
Die Piratenfraktion im Kieler Landtag nutzte eine aktuelle Stunde im Parlament, um den Fall anzusprechen – und sorgte so für Verärgerung bei den anderen Fraktionen, sie fanden die Besprechung im Parlament mindestens kontraproduktiv. Der Aufhänger der Piraten war die im Koalitionsvertrag der rot-grün-blauen Landesregierung versprochene „Willkommenskultur“. Ein Satz in dieser Passage lautet: „Wir werden den bundesgesetzlichen Ermessensspielraum ausschöpfen.“ Doch Innenminister Andreas Breitner (SPD) wies in der Debatte die Verantwortung für den Fall von sich: „Wir haben es nicht in der Hand.“
Das bezweifelt Martin Link vom Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein, schließlich sei die Härtefallkommission ein Landesgremium. „Wenn es einen Fall gibt, der den Kriterien entspricht, dann ist es dieser“, sagt er. Die ablehnende Entscheidung sei „völlig rätselhaft“. Der Innen- und Rechtsausschuss wird sich wohl mit dem Fall befassen. Er könnte auf eine Veränderung der Geschäftsordnung der Härtefallkommission hinwirken.
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