Fake News auf Social Media: Rette sich selbst, wer kann
Die Boomer versagen im Kampf gegen Fake News. Doch junge Menschen sollten es eigentlich besser können. Zeit, dass wir uns selbst ermächtigen.
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J ede Minute werden wir mit Tausenden Nachrichten überschüttet. Wer soll da eigentlich noch den Überblick behalten? Vor allem, wenn sich unter all die wahren Meldungen haufenweise Desinformation mischt. Insbesondere den jüngeren Generationen wird nachgesagt, dass sie immer weniger zwischen wahren Nachrichten und Falschinformationen unterscheiden können.
Doch wer jetzt um die Ecke kommt mit: „Die dumme Jugend! Die sind ja auch zu faul, sich gescheit zu informieren“, kann mit diesem Boomertake gleich die Tasche packen. Denn die älteren Generationen mit ihren treuen Telegram-Gruppen und reißerischen Facebook-Posts könnten von einem besseren Factchecking auch profitieren. Wahrscheinlich sogar mehr als wir, die jüngere Generation.
Und doch: Als Generation, die mit den sozialen Medien aufgewachsen ist, müssen wir selbst aktiv werden. Denn niemand anderes wird es für uns tun. Wir können nicht warten, bis die Boomer in der Politik sich des Problems annehmen. Wir sind die, die am besten wissen, wie wir uns in den sozialen Netzwerken bewegen können. Also sollten wir auch davon Gebrauch machen.
Es ist keine neue Einsicht, dass sich junge Leute anders informieren als ältere. Statt Sonntagszeitungen zu lesen, beschäftigen wir uns über die sozialen Medien mit Nachrichten und gesellschaftspolitischen Themen. Der bunte Instagram-Post ist nun mal einfacher erreichbar und leichter zu verstehen als der mit Fachwörtern beladene Bericht. Aber fürs Factchecking bleibt entweder keine Zeit, oder man weiß nicht, wo man anfangen soll.
Informatik-Ein-Mal-Eins statt Medienkunde
In einer Eurobarometer-Befragung waren fast drei Viertel der 16- bis 30-Jährigen davon überzeugt, in der vergangenen Woche mit Falschnachrichten konfrontiert gewesen zu sein. Doch wenn sie diese Fake News schlecht erkennen, sind sie daran nicht nur selbst schuld. Der entscheidende Begriff hier heißt Medienkompetenz.
An vielen Schulen in Deutschland wird das Unterrichtsfach Medienkunde oder Medienkompetenz unterrichtet. Fatal ist nur, dass oft nicht der kritische Umgang mit Nachrichten im Netz und in den sozialen Medien auf dem Lehrplan stehen, sondern lediglich ein Informatik-Einmaleins. In meinem Gymnasium, einer dem Verfall nahen Schule, ist noch nicht mal das drin. Der Unterricht beschränkte sich auf das Erstellen von Excel-Tabellen.
So bleibt Medienkompetenz an deutschen Schulen ein Fremdwort. Vor sieben Jahren entschied die Kultusministerkonferenz, dass Digitalkompetenz in allen Schulfächern eine Rolle spielen soll. Doch in diesen sieben Jahre hat sich wenig getan.
Für die Bundesländer scheint Bildung nicht an oberster Stelle zu stehen, was dazu führt, dass die Lehrkräfte gar nicht erst die Mittel bekommen, den Schüler:innen einen richtigen Umgang mit Falschinformationen beizubringen. Es fehlt die Zeit, die Ausstattung und seitens der Lehrkräfte oft auch einfach das Interesse, sich mit den sozialen Medien zu befassen.
Die Konsequenzen müssen die Kinder und Jugendlichen ausbaden, die im Spinnennetz der sozialen Medien immer weniger wissen, was Wahrheit und was Lüge ist. Die Verantwortung einfach nur auf die jungen Leute abzuwälzen, ist also auch der falsche Schritt. Es braucht bessere Regulierungen und mehr Medienbildung. Schuldzuschreibungen dagegen werden jungen Menschen nicht helfen, in der Nachrichtenflut über Wasser zu bleiben.
Wir können nicht warten
Doch meine Generation kann es sich nicht leisten zu warten, bis sich die Politik für uns interessiert, bis sie für vernünftiges Factchecking sorgt oder für Medienkompetenzkurse in der Schule.
Also hangelt euch nicht von einer Nachricht zur nächsten. Holt eure Infos nicht von XY-Influencern, sondern von Nachrichtenaccounts. Konsumiert die Nachrichten nicht passiv, sondern nehmt sie aktiv auf. Lest über den Instagram-Post hinaus und checkt die Informationen, vor allem wenn sie reißerisch, gefühlsbetont oder einfach merkwürdig erscheinen. Redet mit Freund:innen, und macht euch vertraut mit Factcheckingprogrammen. Correctiv, der dpa-Faktencheck und der ARD-Faktencheck sind erste Anlaufstellen, nur einen Klick entfernt und bei Weitem nicht die einzigen Checker.
Die Flut an Fake News hat die Jugend mitgerissen. Aber kein Grund zur Panik. Denn die Jugend kann auch selbst zurechtkommen. Sie muss nur wissen, wie.
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