Fahrradkongress in Dresden: Autominister dreht am Rad
Verkehrsminister Andreas Scheuer präsentiert beim Radverkehrskongress in Dresden einen Acht-Punkte-Plan. Eines der Ziele: mehr Radstreifen.
Dresden taz | Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) kümmert sich nicht nur um Autos. „Ich werde den Radverkehr in den nächsten Jahren deutlich stärken“, verkündete er beim 6. Nationalen Radverkehrskongress in Dresden. Er präsentierte den 800 Teilnehmern eine Acht-Punkte-Agenda. Dabei geht es um Vorschriften und Fördermöglichkeiten, die in der Kompetenz des Bundes liegen.
Beifall fand die neue Begründungsumkehr beim Bau von Bundesstraßen. Künftig müssen sich die Planer rechtfertigen, wenn sie auf Radwege verzichten. Mit einer Verschärfung der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) soll dem Rad mehr Bedeutung beigemessen und Halten und Parken von Autos auf Schutzstreifen empfindlicher geahndet werden. Der Abbau hinderlicher Standards soll den Radwegebau erleichtern. In Deutschland gibt es derzeit mit 78 Millionen etwa so viele Fahrräder wie Einwohner. Mit einem Anteil von 10 Prozent am Gesamtverkehrsaufkommen liegt Deutschland knapp über dem europäischen Durchschnitt.
Mit Wochenbeginn hat das Verkehrsministerium die Online-Beteiligungsphase für den neuen Radverkehrsplan 3.0 eröffnet. Bis Ende Juni sammelt es Vorschläge. Ende 2020 soll dem Bundeskabinett eine Vorlage präsentiert werden. Ab 2021 könnte der Plan umgesetzt werden. Auf der Wunschliste der Teilnehmer des Kongresses standen sowohl ideelle Faktoren als auch materielle Forderungen nach einer besseren Mittelausstattung und praktischeren Vorschriften. Dazu gehörte „Gerechtigkeit für alle Verkehrsteilnehmer“, ebenso wie Verkehrserziehung in der Schule oder die Wiederbelebung der Fernsehsendung „Der 7. Sinn“.
Exkursionen führten Kongressteilnehmer am Dienstag in eine Gastgeberstadt, die im Begriff steht, verkehrspolitisch das Rad Richtung „autogerechter Stadt“ zurückzudrehen. Vier Überläufer von SPD und Linken sorgen seit November 2018 für eine reaktionäre Mehrheit im Dresdner Stadtrat, die bei den Kommunalwahlen am 26. Mai bestätigt werden könnte. Pläne für Radwege und Radstreifen sind bereits gekippt worden. Bei der Verleihung der Fahrradpreise fiel auf, dass die prämierten Projekte alle im Westen Deutschlands liegen.
Leser*innenkommentare
90618 (Profil gelöscht)
Gast
"Der Abbau hinderlicher Standards soll den Radwegebau erleichtern."
Das heißt was? Radwege dürfen auch mal nur 20 cm breit sein, Hauptsache er wird gebaut? Dafür dann aber benutzungspflichtig?
Mein Vertrauen in Herrn Scheuer ist eher gering.
97088 (Profil gelöscht)
Gast
Ach - der Scheuer-Andy wieder einmal. Inhaltlich ist neben semantischer Inkontinenz nix herausgekommen, aus dem.
Und eines ist doch wohl klar: Keiner will diese sch.... Radfahrer in seinem angestammten Revier haben. Die Fußgänger nicht - und die Autofahrer erst recht nicht. Und dann kommen ja noch die „letzte Meile Elektromobilisten“ mit ihrem Gedöns.
Dabei wäre es doch ganz einfach: Aller Verkehr auf die Strasse, FußgängerInnen auf dem Bürgersteig, Tempo 30 in geschlossenen Ortschaften, mehr Kreisel als Ampeln und Regelverstöße hart ahnden.
90118 (Profil gelöscht)
Gast
im osten nichts neues.
hier wird die infrastruktur noch in der zweiten ausbaustufe autogerecht gemacht. vierzig jahre autoverzicht lassen grüßen.
ich lebe derzeit in einer langjährigen, ostdeutschen, innerstädtischen baustelle, bei der die versorgungsleitungen und die (auto-) verkehrsanlagen erneuert werden. es gibt menschen mit fahrrädern, die sich im überlebenstraining die resultierende situation aus straßenbahnschienen und autospuren mit scharfkantigen, hohen bordsteinkanten zu den fußwegen antun.
im berufsverkehr stellt die autogerechte lösung für ALLE einen erheblichen streßfaktor dar.
ophorus
Ganz ehrlich: Ich glaube, am Ende verleirt das Rad den Schutzstatus bezüglich Gefärdungshaftung, und auch die Strafen werden deutlich erhöht werden "Ihr seid ja jetzt wie Autos- also warum weniger zahlen". Bezüglich rückwärtsfahrenden LKW und Fussgängern ist es ja ähnlich gewesen...
Traverso
Bin sehr gespannt was aus den großspurigen Tönen in der Umsetzung folgt.
Als Hamburg 2011 "Umwelthaupstadt" war wurden noch größere Töne gespuckt.
Wie sieht die Situation heute aus ?
Der stehende und fahrende Autoverkehr hat weiter zugenommen, neue Radwege an Kreuzungen enden hinter den Kreuzungen wegen Platzmangel, danach bestehen weiterhin die 80cm schmalen unübersichtlichen Schlaglochpisten aus den 60ern, Radwege enden oft plötzlich auf der Straße, für Kinder und weniger geübte Radler lebensgefährlich, neue Radwege sind weiterhin auf den Bürgersteig gepinselt, auf dem man sich mit verirrten Fußgängern, Kinderwagenfahrern, Fahrradentgegenkommern, Hundeausführern und Falschparkern rumschlagen muß.
Insgesamt ist Hamburg eine totale Fahrradkathastrophe und nur für versierte Mountenbikefahrer, die geschickt und sportlich Hindernissen ausweichen können, geeignet.
Also, lieber Herr Scheuer, nicht nur reden sondern handeln. Und unbedingt Platz schaffen für auch sichere Fahrradspuren nach dem Vorbild Kopenhagen. Aber da kommt bei Ihnen bestimmt wieder der Autominister durch, oder ?