Demokratisch bauen und spielen etc.: Fahrbares Dach statt Zelt
■ Warum eine demokratische Bauweise nichts mit Fußball zu tun hat
Sentimental sind sie nicht, die Hierarchen des FC Bayern München. Den Ort, an dem sich ihr Aufstieg von einer lokalen Ballspieltruppe zu einem internationalen Wirtschaftskonzern vollzog, wollen die Beckenbauer, Hoeneß und Co. nicht länger bespielen. 25 Jahre Olympiastadion sind genug, ließen sie jetzt den Politikern der Landeshauptstadt mitteilen; moderne Zeiten verlangen andere Arenen. Wie die auszusehen haben, darüber hat der FCB ziemlich klare Vorstellungen: Platz für 80.000 Zuschauer, ein fahrbares Dach, unterirdische Parkplätze und ein hochmodernes Fernsehstudio. Ein Umbau des Olympiastadions, für den auch Landesfürst Stoiber votiert hatte, sei nicht erforderlich, ließ Kaiser Beckenbauer lapidar mitteilen: „Ins Olympiastadion kann man investieren, soviel man will, es wird nie ein Fußballstadion. Es wird nie eine Atmosphäre haben, es ist nicht mehr zeitgemäß.“
Die besondere Atmosphäre des Olympiaparks samt seines berühmten Zeltdachs begründete vor 25 Jahren die Karriere des Architekten Günter Behnisch. Mit seinem Entwurf hatte er dem Wunsch des Auftraggebers, mit der Abhaltung „heiterer Spiele“ aus dem Schatten der Vergangenheit herauszutreten, auf kongeniale Weise entsprochen. Das Olympiastadion wurde zum Sinnbild für die von Behnisch geprägte Version eines demokratischen Bauens. Dieser „antiautoritäre Baustil“, so schien es, korrespondierte vorübergehend mit einem Ideal des neuen deutschen Fußballs, für das Namen wie Beckenbauer und Netzer ja gerade standen.
Daß eine demokratische Bauweise einer Sportarena nicht die allerbesten Dienste erweist, man hätte es ahnen können. Fußball ist nun einmal nicht demokratisch, auch wenn der argentinische Trainer Cesar Luis Menotti seinerzeit gar über einen linken Fußball philosophierte. Die Arena will die Masse als Ring (Elias Canetti), in dem die vielen Zuschauerkörper zu einem einzigen verschmelzen, um wie ein Mann hinter ihrer Mannschaft zu stehen. Im Münchener Olympiastadion wohnten statt dessen vergnügungsbereite Individuen nichts weiter bei als bezahlten Sportdarbietungen. Der FC Bayern will zum wirtschaftlichen Obsiegen mehr. Eins ist an dessen Stadionbegehren aber beruhigend: Die Alternative zum demokratischen Bauen Behnischs zeitigt keine heroischen Brachialentwürfe mehr. Tiefgarage und Fernsehstudio müssen halt enthalten sein. Harry Nutt
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