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Fahndung per AppScotland Yard im iPhone

Per App sollen Einwohner Londons helfen, mutmaßliche Kriminelle der Krawalle 2011 zu identifizieren. Zu Bildern sollen Namen eingetragen werden. Datenschützer schweigen.

Big Brother ist überall – auf jeden Fall in Großbritannien. Bild: reuters

DUBLIN taz | Die Londoner Polizei will mutmaßliche Teilnehmer an den Krawallen im August 2011 mit einer App für Smartphones identifizieren. Sie heißt „Facewatch ID“ und enthält Software zur Gesichtserkennung. Scotland Yard hat nun damit begonnen, Fotos von 2.880 Verdächtigen hochzuladen.

Die Bilder stammen von Videos, die von Überwachungskameras während der Krawalle aufgezeichnet wurden. Wer die App auf seinem Smartphone installiert, kann seine Postleitzahl eingeben und und erhält dann eine Auswahl an Fotos aus dieser Gegend. Erkennt man jemanden, soll man der Polizei über die App dessen Namen und Adresse übermitteln.

Der Vizepolizeichef Mark Rowley sagte: „Das ist eine großartige Gelegenheit für die Bürger, uns bei der Bekämpfung von Verbrechen zu helfen.“ Rowley hofft, dass die zwei Drittel der Londoner, die Smartphones besitzen, sich die App herunterladen. Da kontinuierlich neue Fotos hochgeladen werden, solle sie jede Woche aktualisiert werden. Außerdem enthält die App 2.000 Fotos von mutmaßlichen Straftätern, die nichts mit den Unruhen zu tun hatten.

Die Krawalle begannen am 6. August 2011 im Nordlondoner Stadtteil Tottenham, nachdem der 29-jährige Mark Duggan von der Polizei erschossen worden war. Die Beamten hatten zunächst behauptet, Duggan habe zuerst geschossen, was sich später als falsch herausstellte. Die Ausschreitungen griffen dann auf andere Städte über. Fünf Männer kamen dabei ums Leben, Hunderte wurden verletzt, der Sachschaden ging in die Milliarden.

3.000 Menschen, darunter ein Elfjähriger, wurden von den Gerichten bereits zur Rechenschaft gezogen. Mithilfe der App will man nun weitere finden, die in keinem Polizeicomputer gespeichert sind und deshalb nicht identifiziert werden können.

Die App ist allerdings nur der erste Schritt. Demnächst will man sie mit einer anderen App zusammenfügen, die bereits seit April von Geschäftsinhabern genutzt wird. Die können über ihre Smartphones der Polizei direkt Verbrechen melden und Beweismaterial aus Überwachungskameras sowie Zeugenaussagen hochladen.

Ideales Tool für Möchtegerndetektive

Wenn sie mit „Facewatch ID“ verbunden wird, kann die Öffentlichkeit nicht nur diese Bilder sehen, sondern auch selbst vermeintlich Verdächtiges filmen oder fotografieren und dann hochladen – ein ideales Tool für Möchtegerndetektive, das aber auch Denunziation fördert. Von den britischen Menschenrechtsorganisationen kam bisher kein Protest.

Eine andere App unter dem Namen „Riot Watch“ ist bereits seit einiger Zeit auf dem Markt. Sie zeigt eine detaillierte Karte von Großbritannien, auf der sämtliche Krawalle der letzten Jahre verzeichnet sind. Sie ist für potenzielle Hauskäufer gedacht, die sicherstellen wollen, dass sie nicht in ein Pulverfass ziehen.

Viele schwarze Beteiligte an den Krawallen gaben an, wütend auf die Polizei zu sein, da diese Schwarze 28 Mal öfter als Weiße auf der Straße anhalte und durchsuche, wie der Bericht der Menschenrechtskommission der Regierung belegt hat. Aus diesem Grund haben drei junge Männer, Aaron Sonson, Satwant Singh Kenth und Gregory Paczkowski vorige Woche die „Stop and Search App“ auf den Markt gebracht.

Sie soll vor allem junge Leute aus ethnischen Gruppen über ihre Rechte informieren und ihnen Gelegenheit geben, über die App ihre Erfahrungen mit Polizisten sowie deren Dienstnummern hochzuladen.

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7 Kommentare

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  • T
    Tomate

    Ein Erfolg für die Proponenten des britischen Überwachungsstaats und ihre Partei- und Privatspender aus der Überwachungsindustrie: jetzt kann man gefahrlos auf dem Volkszorn einreiten ins Ziel der Totalüberwachung unter begeisterter Bürgerbeteiligung. Und diese Aktion bedeutet großartige Werbung für Akzeptanz in der Bevölkerung.

     

    Kein Datenschützer und Bürgerrechtler traut es sich noch, gegen diese "berechtigten" Maßnahmen Einspruch zu erheben - am Ende gilt man ja sonst als Befürworter von Plünderern.

     

    Ich bin mir sicher, dass unsere Schilys und Schäubles und Friedrichs auf eine ähnliche Vorlage schon sehnsuchtsvoll warten. Da hilft nur Wachsamkeit auf seiten derer, die sich noch so lange wie möglich einen letzten Rest von Bürgerrechten bewahren möchten.

  • ON
    oliver naber

    fassungslosigkeit... die sind wirklich 28 jahre "weiter" als 1984. es macht mir traurig, wenn ich sehe, wie leicht bürgerliche freiheitsrechte aufgegeben werden. um himmels willen! wer will denn in einer solchen gesellschaft leben??

  • B
    Bachsau

    Hatten wir das nicht schonmal in der DDR gesehen, was passiert, wenn man das Volk zu Spitzeln macht?

  • L
    Leserin

    "junge Leute aus ethnischen Gruppen" - d.h. alle?

  • DA
    Die übliche altlinke Soße

    "Viele schwarze Beteiligte an den Krawallen gaben an, wütend auf die Polizei zu sein, da diese Schwarze 28 Mal öfter als Weiße auf der Straße anhalte und durchsuche.."

     

    Das hat natürlich nur rassistische Gründe. Es gibt kein Land in Europa in dem die politische Korrektheit in Gesetze gegossen ist,sowie Ungleichbehandlung von Weissen und die rassitsiche Politik gegen die Urbevölkerung stärker sind als in GB. Es gibt täglich hunderte Fälle, welche dies belegen. Da werden Kinder vom Unterricht ausgeschlossen weil sie bääh sagen wenn sie asiatisches Essen bekommen oder man droht Eltern mit Kindesentzug wenn sie nicht politisch korrekt sind. Demokratie zu Einwanderungsfragen gibt es nicht. Die Spaltung der Gesellschft kommt genau daher, die polizeilichen Maßnahmen müssen sich allerdings wenigstens etwas nach der Realität richten, damit die Zustände in ärmeren Vierteln nicht den Rotweingürtel erreichen. Dort wird von einer Minderheit seit 35 Jahren eine Einwanderungspolitik gegen die Mehrheit betrieben. Wir sind nur 20 Jahre hinterher. Daher die Empörung in der taz. Schwarze Unternehmer oder pakistanische Studenten fragt man natürlich lieber nicht, denn die schlagen oft so krass klare Lösungen vor wie weisse Engländer, nur kann man sie mit der Rassismuskeule so schlecht bekämpfen.

  • NU
    Na und?

    Wo ist bitte der Unterschied zu Steckbrief, Telefonnummer und Anonymitätsgarantie? Wer übrigens Leute sucht, die Häuser anzünden aus denen sich menschen nur mit einem Srung aus dem Fenster retten können, der bekommt meine Hilfe. Der taz-Reflex zum Datenschutz ist ja nicht an sich falsch, hier aber schon. Wenn es nach euch geht, dann ist die maximal erlaubte Technik ein Fax, das bekanntlich modernste Gerät welches nach den 70ern noch so gerade notwendig ist. Oder wittert ihr Rassismus, weil 90% der Plünderer Schwarze oder Pakistanis waren? Eigentlich wedr in britischen noch deutschen medien zu lesen, wenn nur die blöden Fotos und das noch blödere Internet wären. Zu eurer Beruhigung: In den niedergebrannten Häusern und geplünderten Geschäften lebten oft auch keine Briten. Nur so zu eurer Beruhugung. Die paar blonde um ein Haar verbrannte Polinen oder gar echte Briten müsst ihr euch wegdenken. Dann steht das Weltbild wieder felsenfest, da kann die Realitä nichts tun.

  • DM
    David Mirschlecht

    Weiß noch nicht ganz, was ich davon halten soll.

    Einerseits nicht schlecht, wenn, wie letztens bei Blockupy die Demo ruhig und friedlich bleiben muss. Andererseits natürlich Orwell vom Feinsten. Denke mit sowas muss man leben können, wenn man die vielen Vorteile von Handys und Handykameras genießen will. Die Polizei ist ja irgendwo auch auf unserer Seite.