Facebook und Überwachung: Mal die Systemfrage stellen
Der Österreicher Max Schrems will sein Recht auf Privatsphäre gegen Facebook durchsetzen. Der Europäische Gerichtshof hat sich nun damit befasst.
D ass Netflix diese Geschichte noch nicht verfilmt hat, kann eigentlich nur daran liegen, dass der Dienst Angst vor dem Protagonisten hat: ein junger Jurist, der sich seit seinen Studienzeiten mit einem der ganz Großen angelegt hat.
Max Schrems gegen Facebook, es geht um das Recht auf Privatsphäre, also um das Gute; das Verfahren bietet ausreichend Material und unerwartete Volten für etwa drei Staffeln, und kurz vor dem Ende ist noch alles offen. Kurz vor dem Ende, das ist dieser Donnerstag und da hat der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) sein Votum in der Sache vorgelegt. 97 Seiten, auf denen er leider eines nicht macht: die Systemfrage stellen.
Denn das herrschende System aus Datensammeln und Überwachen, aus dieser merkwürdigen Nicht-Allianz aus Wirtschaft und Geheimdiensten, in dem die allermeisten Nutzer:innen nicht auch nur im Ansatz eine Idee davon haben, was wer über sie sammelt, weitergibt, speichert, wie lange und auf welcher Rechtsgrundlage eigentlich – dieses System also ist mit ein paar kleinen Korrekturen leider nicht korrigiert.
Genau das müsste es aber. Wer in den vergangenen Wochen Edward Snowden gelesen oder in Interviews gehört hat, ahnt, dass sich sechs Jahre nach seinen Enthüllungen zwar einiges geändert, aber nichts substanziell gebessert hat.
Europa hätte jetzt diese Chance. Es hat die Datenschutzgrundverordnung, die, bei allen Fehlern, doch ein Fortschritt ist. Es hat einen Protagonisten, der keine Angst vor jahrelangen Konflikten mit Behörden und einem finanzkräftigen US-Unternehmen hat. Der EuGH könnte sich im kommenden Jahr trauen, ein Urteil zu fällen, das den Transfer persönlicher Daten in die USA unter den aktuellen Bedingungen untersagt.
Die hätten dann die Chance, einmal einen Augenblick innezuhalten: Wollen sie vielleicht doch ein Minimum an Datenschutz gewährleisten? Oder lieber auf das Geschäft verzichten? Es wäre ein Urteil so nah an der Systemfrage, wie es gerade eben möglich ist.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Leak zu Zwei-Klassen-Struktur beim BSW
Sahras Knechte
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
Friedensforscherin
„Wir können nicht so tun, als lebten wir in Frieden“
Nach Hitlergruß von Trump-Berater Bannon
Rechtspopulist Bardella sagt Rede ab
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
Wahlentscheidung
Mit dem Wahl-O-Mat auf Weltrettung