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Facebook-Party auf dem Land„Denk doch mal für fünf Pfennig“

In Saaße langweilen sich Polizei, Journalisten und Jugendliche: Auf der über Facebook angekündigten Riesenparty war nichts los. Immerhin: Eine Familie in Hausschlappen schlappte vorbei.

Saaße am Samstag: Und wo ist jetzt die Party? Bild: dpa

An den Scheiben drücken sie sich die Nasen platt. Sie gehören Jugendlichen, zu viert oder fünft in einen Kleinwagen gezwängt. Oft tiefer gelegt, dumpfe Bässe wummern aus den Boxen. Ein wenig enttäuscht fahren sie vorbei, immer wieder und wieder. Gehofft hatten sie eigentlich auf eine riesengroße Party: ausgerufen über das soziale Netzwerk Facebook.

Jenny B., eine 15-jährige Schülerin aus Saaße bei Lüchow im beschaulichen Wendland, wollte nur mit ihren „allerbesten Freunden feiern, die mir echt wichtig sind“. So stand es in der Beschreibung zur eigens dafür gegründeten Gruppe. Doch sie setzte einen Klick falsch, die Einladung wurde weitergetragen.

Am Ende gab es 1.500 Zusagen, 500 wollten vielleicht kommen. 11.000 waren eingeladen. Für die Samtgemeinde Lüchow Grund genug, einen prophylaktischen Platzverweis für den Ort zu erteilen. Lediglich Anwohnern und Menschen mit „berechtigtem Interesse“ war die Durchfahrt gestattet.

Und so beginnt am Samstagabend ein eigenartiges Schauspiel: Zehn bis 20 Jugendliche lümmeln vor den Absperrungen, beobachtet von ungefähr genauso vielen Journalisten. Die Jugendlichen haben sich Schnaps und Bier mitgebracht, die Journalisten sind in dicke Jack-Wolfskin-Jacken eingepackt, gewappnet für eine lange Nacht. „Wenn heute Abend Bundesliga wäre, hätte ich echt abgekotzt“, sagt einer.

Auch die Polizisten in ihren gelb-roten Warnwesten sehen nicht gerade glücklich aus, um die zehn stehen herum. Ein Lkw fährt um die Ecke, wendet ihnen das Heck zu: „Oha, gleich geht die Klappe auf und sie stürmen alle hinaus“ ruft einer, die Hände tief in den Taschen vergraben.

Lümmeln auf der Durchfahrtsstraße

Der Rest der Uniformierten lümmelt sich vor den anderen Durchfahrtsstraßen oder wartet vor dem Rundling im leergefegten Dorf. Einzig eine alte Frau schaut dann und wann aus ihrem Haus. Sie wohnt direkt an der Straße. So entspannt und ruhig wie heute Nacht wird sie wohl schon lang nicht mehr geschlafen haben.

Besten Blick auf das Szenario am Ortseingang genießt eine Gartenparty vor einem der Häuser. Lautes Gackern, ein vereinzeltes Kreischen, zwischendrin spielen sie Federball. Ob das Jennys Party ist? Ein Skaterjunge kommt angefahren, wird umgehend von zwei Polizisten gestellt. „Was?“, er nimmt seine grünen Kopfhörer ab, setzt sich nach kurzem Zwiegespräch auf sein Board, an den Rand der Straße. „Hallo, runter da, sonst wirste überfahren!“, ruft ein Beamter. „Denk doch mal für fünf Pfennig, wenn du die noch kennst.“ Verständnislos dreinblickend setzt sich der Junge einen Meter weiter nach hinten.

Später schneidet ein Motorradfahrer die Kurve, das entgegenkommende Auto verfehlt er nur knapp. „Das war haarscharf“, eine Polizistin formt Daumen und Zeigfinger zu einer kleinen Lücke. „Irgendwas bekommen wir wohl doch noch vor die Linse“, bemerkt ein Journalist und mummelt sich tiefer in den hochgezogenen Kragen. Es wird kälter, beginnt zu dämmern. Immer wieder biegen die Autos vor dem Dorf ab. Vereinzeltes Gegröle kommt von den Jugendlichen, ansonsten Stille.

Drei Mädchen stapfen an die Absperrung, sie sind höchstens 14, tragen Pink und Schwarz. „Ich wollt’ ma’ fragen, was das hier soll?“ Ein glucksendes Raunen geht durch die Reihe der Beamten. „Das fragen wir uns auch!“, johlt es. Weiter hinten erste Überlegungen, ob man nicht auch einfach eine Jukebox als Infostand hätte platzieren können. Fast kann man die Münzen fallen hören, die für diesen Einsatz heute fällig werden.

Entfernt verschwindet eine rote Sonne hinter den Wäldern. Die RTL-Fraktion hat genug, braust in ihrem Dienstwagen davon. Eine Familie aus dem Dorf schaut nach dem Rechten, in Schlafanzughosen und Hausschlappen. Viel mehr Party wird wohl nicht mehr passieren.

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7 Kommentare

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  • BK
    Bernd K.

    Fast das Gleiche in der südlichen Provinz:

    http://www.nordbayern.de/region/fuerth/viel-polizei-wenig-facebook-party-in-furth-1.2206892

    Neue Beschäftigungstherapie für die Polizei?

  • H
    Halunke

    Muahahaha...also die Behörden machen sich langsam zu Affen..:)Wollen sie jetzt jedesmal den Notfall ausrufen wenn auf FB ne Partyeinladung gepostet wird, und das SEK anfordern???Aber der Clou ist,daß sie sich den Einsatz dann auch noch vom "Verursacher" bezahlen lassen wollen...:)Alle Paranoid oder was..???

  • EM
    Endlich mehr Dorffeten

    Der Bund der Steuerzahler und die ESM-Gegner, Freie Wähler sollten Verfassungsbeschwerde einlegen und beim Bundesrechnungshof Sturm laufen, dass wegen einer facebook-Party riesige Mengen Bullen anrücken, um Platzverweise auszuteilen.

    Super Reaktion, alle verhaften, wie bei Putin.

     

    Facebook ist das Mittel zur Wiederbelebung des ländlichen Raums! Städter_innen, nichts wie weg von der Glotze, bringt ne Kiste und Essen mit!

  • J
    Jörn

    Zuerst waren alle überrascht, wie sich Einladungen im Sozialen Netz verbreiten können. Nun wird überreagiert:

    a) Es werden massenweise Platzverweise ausgesprochen. Leute, die mal nur vorbei schauen wollten, werden kriminalisiert.

    b) Es wird einfach alles abgeriegelt. Selbst wenn der Irrtum online bereits lange aufgeklärt ist, bietet die Polizei ein Aufgebot welches vergleichbar mit Grossdemonstrationen ist.

    c) Die "Verursacher" erhalten hohe Rechnungen über Polizeieinsätze, die weder gewünscht noch nötig waren.

     

    Dabei liesse sich so etwas ganz einfach vermeiden:

    a) Bei Einladungen zu Veranstaltungen an einem Ort könnte Facebook eine Standardobergrenze von 100 einführen. Diese kann zwar erhöht werden - aber nur nach entsprechendem Hinweis und Bestätigung.

    b) Die Polizei könnte den Poster kontaktieren und dieser könnte dann allen, die zugesagt haben explizit absagen. Dazu sollte Facebook eine einfache Funktion anbieten.

  • WF
    Was für

    ne freiheitliche Gesellschaft die Deutschen doch sind :D

  • D
    Dhimitry

    Sagt mal liebe FreundInnen von der Taz. Ich lese in der letzten Zeit immer wieder Sätze wie diesen hier: "Sie sind in dicke Jack-Wolfskin-Jacken eingepackt".

     

    Die Nennung des Jackenherstellers bringt in diesem Fall keinen informativen Mehrwert. Warum wird er genannt? Bei genau diesem Hersteller passiert das in dieser Zeitung sehr oft. Besteht da eine Kooperation?

     

    Die Marke des "Kleinwagens" an dem sich die Jugendlichen die Nasen platt drücken wird nicht genannt. Sponsoren von Sportvereinen werden auf Fotos unkenntlich gemacht, aber ein Bekleidungshersteller taucht immer wieder prominent auf. Das passt irgendwie nicht zusammen!

  • V
    Veit

    Auf dieser Facebookparty wird was los sein: https://www.facebook.com/events/290246514395713/