Facebook-Alternative Diaspora wächst: Mehr Interesse an Privatsphäre
Die Fehltritte der großen Online-Netzwerke bescheren unabhängigen Konkurrenten neue Nutzer. Diaspora hat gerade seine Software aktualisiert.
BERLIN taz | Dass das soziale Netzwerk Diaspora keineswegs tot ist wie viele glauben, sondern im Gegenteil sehr vital, dürfte mittlerweile klar sein. Die Liste der Diaspora-Server, „Pods” genannt, wird beständig länger und wie lebendig an dem Netzwerk gearbeitet wird, lässt sich jetzt begutachten.
Gerade ist die Diaspora-Software in der neuen Version 0.5 erschienen. Sie bringt Fehlerkorrekturen, Verbesserungen für Privatsphäre und Layout mit sich und enthält eine Chat-Funktion, die jedoch bei vielen Servern noch ausgeschaltet bleibt, bis sie gründlich erprobt ist und fehlerfrei läuft. Auch die Mobilversion der Seiten und die „Föderation“, wie man die verschlüsselte Kommunikation der Diaspora-Pods untereinander nennt, wurden verbessert. Eine Kalender- bzw. Veranstaltungsfunktion steht bereits auf der Todo-Liste der Entwickler, ihre Umsetzung steht aber noch in den Sternen.
Die Funktion, Diaspora-Posts automatisch auch auf Facebook zu posten, fehlt jetzt. Aber nicht, weil die Entwickler sie rausgeworfen hätten. Sie wurde auf dem größten deutschen Pod Geraspora abgeschaltet, weil Facebook eine Email an dessen Betreiber Dennis Schubert geschrieben hat, in der man einen Weiterbetrieb der Schnittstelle an Bedingungen geknüpft hat wie z.B. daran, daß auf der Diaspora-Seite ein Button für das Facebook-Login zu finden sei. Die Entscheidung, die Verbindung zu Facebook zu kappen, wurde in Kommentaren von vielen Nutzern wohlwollend bewertet.
Es gibt viel Kritik an den großen sozialen Netzwerken wie Facebook und Google Plus. Katastrophaler Datenschutz und allgemeine Geschäftsbedingungen, die den Konzernen Rechte an den Daten der Nutzer übertragen schüren den Unmut von Nutzern. Im November 2014 wurden die Änderungen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Facebook angekündigt, die dem Konzern noch mehr Rechte einräumen sollten.
Diaspora wurde 2010 von vier Stundenten gegründet. Erst seit diese ihr soziales Netzwerk 2012 in ein Open-Source-Projekt umgewandelt haben, nahm es an Fahrt auf, obwohl es gleichzeitig vom Radar des öffentlichen Interesses verschwand.
Auf Datenschutz und das menschliche Grundrecht auf Privatsphäre und informationelle Selbstbestimmung wird in Diaspora viel Wert gelegt. Die Daten der Benutzer werden dezentral gespeichert und wer will und kann, ist in der Lage, sich einen eigenen Netzwerkknoten zu installieren, so daß gewährleistet ist, daß die privaten Daten auf der eigenen Festplatte liegen. Wem das technische Knowhow oder die Lust dazu fehlt, kann einen Server des Vertrauens auswählen.
Das was folgte, nannte man auf Diaspora, dem bekanntesten der unabhängigen Facebook-Konkurrenten, „die Welle”. Bis zur letztendlichen Umsetzung der AGB am 30. Januar 2015 stieg die aktive Benutzerzahl sämtlicher Diaspora-Pods von 22.477 auf 34.667 an. Von diesen Neuankömmlingen haben sich die meisten nur einmal umgesehen und sich, vermutlich weil ihre Freunde nicht gleich mitgezogen sind, sofort wieder verabschiedet. Geblieben sind nach Aussage von Dennis Schubert allein auf Geraspora ca. 1000 der neuen Nutzer.
Echte Alternativen sind Open Source
Dazu, eine wirkliche Alternative zu Facebook zu sein, gehört mehr, als nur einen Server zur Verfügung stellen und Werbefreiheit zu versprechen. Die kleineren sozialen Netzwerke wie Diaspora, GNU social und Friendica verbindet, daß ihre Sofware quelloffen, also „Open Source” ist und alle etwas zur Verbesserung ihres Netzwerkes beitragen können, solange sie programmieren können. Ihre Netzwerke gehören allen und niemandem zugleich, statt einem Konzern der darauf angewiesen ist, Geld mit seinen Benutzern zu verdienen.
Wie kommt es aber dazu, dass viele der unzufriedenen Facebook-Benutzer am Ende doch auf dem Netzwerk bleiben? Weil Diaspora nicht alle der Facebook-Funktionen anbietet? Kaum vorstellbar, daß es Menschen gibt, die wegen ein paar Funktionen auf ihr Privatsphäre verzichten.
Wahrscheinlicher ist es, daß das mit dem Totschlagargument der sozialen Netzwerke zu tun hat: Wenn die eigenen Freunde oder Follower nicht gleich mit ziehen, fühlt man sich allein und verlassen. Es geht in sozialen Netzwerken schließlich nicht nur um intellektuellen Austausch, sondern in erster Linie um Bequemlichkeit, ein großes Bedürfnis nach Aufmerksamkeit und Bestätigung und den damit verbundenen sozialen Zwang, den Herdentrieb. Nur wenige trauen sich, ihr digitales Rudel zu verlassen.
Dennis Schubert, Mitglied des Kernentwicklerteams sieht das entspannt: „Uns geht es nicht darum, eine Alternative zu Facebook sein.” Und das ist auch nicht nötig. Diaspora ist anders als Facebook. Es bildet nicht alle Facebook-Funktionen nach. Die Stimmung auf Diaspora wird als plauschiger, die Debatten in der Regel gehaltvoller als auf Facebook wahrgenommen und Neuankömmlinge, die sich an die Eigenheiten von Diaspora gewöhnt haben, finden schnell neue Freunde durch das abonnieren von Hashtags wie #cartoon, #vegan oder auch #polizeigewalt, je nach Interessenlage. Auch die taz betreibt ein experimentelles Profil.
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