Fabian Kretschmer über die angeklagte südkoreanische Expräsidentin: Die Schattenseite des Skandals
Während am Montag der Wahlkampf für den nächsten Präsidenten Südkoreas offiziell begonnen hat, wurde zeitgleich die Expräsidentin Park Geun Hye von der Staatsanwaltschaft angeklagt. Die Vorwürfe gegen die 65-Jährige wiegen schwer: Millionenbeträge soll sie von Samsung und Co gegen politische Gefälligkeiten erpresst, kritische Künstler systematisch unterdrückt und eine Jugendfreundin jahrelang in vertrauliche Regierungsdokumente eingewiesen haben.
Doch der größte Regierungsskandal in der jüngeren Geschichte Südkoreas hat auch eine unbequeme Wahrheit ans Tageslicht gebracht: die geradezu beängstigende Macht der öffentlichen Meinung in Südkorea. Die großen konservativen Medien, die zuvor noch blind zu ihrer Präsidentin gehalten haben, verurteilten diese scheinbar von einem Tag auf den anderen als inkompetente Marionette eines Schattenkabinetts.
Auch unter der kollektiv geprägten Bevölkerung äußerte sich der – durchaus gerechtfertigte – Unmut gegenüber den Eliten des Landes in einer Hexenjagd auf Park Geun Hye, bei der kein Platz mehr blieb für die Grauschattierungen der Realität.
Wirklich problematsich wurde es aber, als auch die Staatsanwaltschaft sich teilweise als Seismograf für öffentliche Befindlichkeiten verstand. Oft argumentierten die Rechtsvertreter mit dem Willen des Volkes, wo an sich nur die reine Wahrheitssuche stehen sollte.
Der gekränkten Volksseele wird es schließlich guttun, wenn sich die geschasste Präsidentin nun mit Handfesseln und in Häftlingskleidung vor Prozessbeginn durch den aufdringlichen Journalistenmob durchschlagen muss. Dabei sollte auch bei einem Schuldspruch nicht vergessen werden: Das gesellschaftliche Problem Südkoreas – Intransparenz, Korruption und enge Bindungen zwischen Regierung und Unternehmen – wird mit der Person Park Geun Hye allein nicht verschwinden.
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