Fabian Kretschmer über die Nordkoreakrise: Kim Jong Un handelt logisch
Die Nordkoreakrise ist auch eine von Medien gemachte Krise: Als Katalysator für die Kriegshysterie diente die Behauptung von NBC News, Washington würde einen Erstschlag gegen Pjöngjang vorbereiten. Bei kaum einem anderen Thema hätte ein Bericht, der sich ausschließlich auf anonyme Quellen beruft, derart hohe Wellen geschlagen.
Längst deutet jedoch vieles darauf hin, dass Donald Trump, aller Rhetorik zum Trotz, einen möglichen Krieg nicht leichtfertig in Kauf nehmen will. Dennoch ist die Gefahr gestiegen, dass sich Washington und Pjöngjang bei ihren gegenseitigen Provokationen verkalkulieren könnten. Zumal mit Trump ein neuer Spieler das ostasiatische Parkett betreten hat, der nicht nur mit traditionellen Regeln bricht, sondern auch seine eklatante Ahnungslosigkeit offen zur Schau stellt.
Es ist geradezu paradox: Die Amerikaner nehmen Nordkorea zwar als dringlichstes außenpolitisches Problem wahr, doch unternehmen keinerlei Anstrengungen, die Sichtweise ihres Gegners zumindest im Ansatz nachzuvollziehen. Seit den 50er Jahren, als Hunderte Nuklearbomben in Südkorea stationiert wurden, hat Nordkorea die Atommacht USA im Nacken. Am Beispiel des libyschen Diktators Muammar al-Gaddafi hat das Regime in Nordkorea genau beobachten können, was ihm droht, wenn es sein Atomwaffenprogramm aufgibt.
Wenn der Despot Kim Jong Un eine nukleare Lebensversicherung anstrebt, dann ist das keinesfalls abwegig. Erst wenn man den Zweck der nordkoreanischen Atombombe wirklich begriffen hat, kann man erfolgreiche Verhandlungen über Abrüstung führen. Entgegen der öffentlicher Meinung ist es dafür ganz und gar nicht zu spät.
Zumindest ein Anhalten des Programms oder UN-Kontrollen sind mittelfristig in Reichweite. Wer jedoch schon die Verhandlungen an die Vorbedingung einer vollständigen Abrüstung knüpft, hat daran kein ernsthaftes Interesse.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen