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Fabian Kretschmer DraußenGrenzen der Verständigung

Die Erleichterung muss riesig sein. Vielen chinesischen Regierungsbeamten wird ein Stein vom Herzen fallen, wenn die Winterspiele vorbei sind. Denn sobald die letzte Medaille vergeben ist, sitzen die angereisten Athleten und Journalisten bereits im Flugzeug zurück in die Heimat. Und der Staatsapparat ist etlicher Sorgen ledig – von kritischen Fragen bis hin zu Omikron.

Die Olympia-Teilnehmer wurden schließlich nicht zu Unrecht wie Aussätzige behandelt. Dass man sie hinter Mauern sperrte und nur mit Ganzkörperanzügen anfasste, hatte einen Grund: Innerhalb der Olympia-Blase gab es täglich fast so viele Infektionen wie im gesamten Rest der chinesischen Bevölkerung.

Es scheint fast, als würde sich die Geschichte wiederholen. Während der Ming-Dynastie ließ das Kaiserreich einen riesigen Schutzwall errichten, um die Barbaren im Ausland fernzuhalten: die Chinesische Mauer steht sinnbildlich für die historische Isolation des Landes. Das Coronavirus hat dieses Szenario nun erneut aufleben lassen: Über zwei Jahre nach Ausbruch der Pandemie hält China seine Pforten weiterhin geschlossen.

Sie denken, ich übertreibe? Dann sollten Sie einmal die offiziellen Quarantäneregeln für international Einreisende anschauen. Die strengsten Maßnahmen hat die Sieben-Mil­lio­nen-Metropole Shenyang eingeführt, Wirtschaftszentrum im Nordosten des Landes: Jeder Neuankömmling aus dem Ausland muss sich (auf eigene Rechnung) vier Wochen lang im Hotelzimmer isolieren, ehe eine ebenfalls vierwöchige Heimisolation folgt. Und Letztere hat wenig mit der Larifari-Quarantäne, wie sie in Deutschland praktiziert wird, gemein: Oftmals installieren die Behörden einen Bewegungsmelder vor der Haustür.

Die strengen Regeln gelten wohlgemerkt nur für die Glücklichen, die bereits über einen festen Wohnsitz in China verfügen. Touristen oder Austauschstudenten haben keine Chance, die Volksrepublik zu betreten. Daran wird sich auch nach den Winterspielen nichts ändern.

Quarantäne-Überwachung in Shenyang: Bewegungsmelder vor der Tür

Die unmittelbare Zukunft für uns in China wird eine virusfreie, doch auch einsame sein. Ich selbst habe die Volksrepublik seit Januar 2020 nicht mehr verlassen, zu groß ist die Unsicherheit, nach einer Ausreise nicht mehr zurück ins Land zu kommen. Ein gemeinsames Feierabendbier mit den einreisenden Kollegen aus dem Olympia-Tross wäre zumindest ein kleines Trostpflaster gewesen. Doch mich und meinen Kolumnenpartner Andreas trennten zwar stets nur wenige Kilometer, doch immer auch die Absperrungen der „Bubble“: Er war drinnen, ich draußen.

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