: „Fabeltier“ oder „Machwerk“?
■ Neue alte Brunnenplastik im Stadtpark aufgestellt
Für die Kinder war es das „Rhinozeros“ oder das „Pferd mit Löchern“. Man konnte „so gut darauf reiten oder durch die Löcher durchturnen“, erinnert sich die 66jährige Gudrun Korth in einer Broschüre der Geschichtswerkstatt Barmbek an die Brunnenfigur auf dem Spielplatz an der Barmbeker Humboldtstraße. „Wenn man oben draufsaß und die Düsen mit den Fingern dichthielt, spritzte das Wasser nach allen Seiten weg“.
Für die Nazis war die etwa 90 Zentimeter hohe Bronzeplastik des Hamburger Bildhauers Richard Haizmann schlicht „ein Judengeschöpf“. 1937 wurde sie abmontiert, in der Ausstellung „Entartete Kunst“ gezeigt und – vermutlich Jahre später – eingeschmolzen.
Seit Dienstag steht eine Nachbildung des „Fabeltiers“, wie Haizmann selbst sein Werk nannte, am Planschbecken im Stadtpark. Finanziert von der Hamburgischen Kulturstiftung, dem Bezirksamt Nord und der Kulturbehörde schuf die Künstlerin Ursula Ritter eine originalgetreue Kopie, die vom nächsten Sommer an auch wieder Wasser spucken soll.
Umstritten war das eigenwillige Phantasiegeschöpf, das eigentlich im Stadtpark aufgestellt werden sollte, schon immer. Fast drei Jahre hatte ein heftiger Streit hinter den Kulissen getobt, bevor die Plastik am 1. Januar 1930 auf dem Spielplatz an der Humboldtstraße aufgestellt wurde. Prof. Max Sauerlandt, der damalige Direktor des Museums für Kunst und Gewerbe, lobte den Entwurf als „eine ganz überzeugende reine Phantasiegestaltung, die anregend wirken wird“, für Prof. Pauli von der Hamburger Kunstpflegekommission war es hingegen ein „Machwerk in Vergrößerung“. In den Beratungen über die Auftragserteilung an Haizmann warnte Pauli davor, „solches Dilettantentum offiziell zu unterstützen“. Als Kompromiß wurde die Brunnenfigur schließlich nicht im Stadtpark, sondern auf dem Barmbeker Spielplatz aufgestellt.
Deren Schöpfer, vom dem unter anderem auch das schmiedeeiserne „Fischgeländer“ auf der Isebekkanal-Brücke am Eppendorfer Baum stammt, zog sich, bei den Nazis in Ungnade gefallen, 1934 nach Niebüll zurück, wo er bis zu seinem Tode 1963 lebte und arbeitete.
Sven-Michael Veit
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