: FÜR RÜDIGER JOST
■ Ein Nachruf
Am Donnerstag, den 18. August haben wir Rüdiger auf dem Halensee-Friedhof beerdigt. Rüdiger öffentlich einige Gedanken zu widmen, ihm, einem guten Freund, öffentlich nachzutrauern, ist mir als Frau, die zudem noch nie öffentlich jemanden beklagt hat, ein aufrichtiges Anliegen.
Rüdiger hat keine großen Worte hinterlassen - weder bedeutende Bücher verfaßt noch große Bilder gemalt noch sich musikalisch mit bedeutenden Leistungen hervorgetan, das heißt, er war niemals interessiert, eine „Karriere“ zu machen. Er war ein Menschenfreund - im besten Sinne des Wortes. In seinem kurzen 44jährigen Leben verkörperte er ein anderes Prinzip von Leben als das, was man ringsum sah.
Er verkörperte eine andere Sorte Mensch: alternativ, spontan, hilfsbereit bis zur Selbstaufgabe, menschlich gegenüber seiner Umwelt, offen und großmütig gegen andere. Er strahlte soviel Geduld und Freundlichkeit aus, wenn es galt, anderen zu helfen. Es bereitete ihm Freude, jemandem sein Auto, sein Fahrrad, eine Maschine wieder zu reparieren, man konnte ihm ebensogut Kinder ins Schwimmbad anvertrauen wie alte und kranke Menschen zur Pflege oder zur Unterhaltung überlassen.
Sicher trieb diese soziale Einstellung ihn auch dazu, sich in den letzten Jahren mehr und mehr in Projekten einzubringen, wo es darum ging, Jugendlichen mit geringen sozialen Chancen eine menschliche und berufliche Heimat zu bieten. Für sich selbst von grenzenloser Bescheidenheit, lief er meist in ollen Klamotten rum, das älteste Fahrrad im Keller gehörte ihm selbst - er sammelte, tüftelte, experimentierte mit allem herum, verspielt und selbstvergessen zuweilen wie ein Kind.
Eine alte rostige Schraube konnte er nicht so einfach wegwerfen, sondern fand sie noch beachtenswert und sorgte für ihre Wiederverwendung - in diesem Sinne war er ökologisch äußerst glaubwürdig! Nicht nur Produkt der Nachkriegsgeneration, nicht Armut oder Geiz war dabei seine Antriebsfeder, sondern die Achtung vor dem Material, der „schon geformten“ Umwelt, einer Welt mit begrenzten Ressourcen, die er auch für seine Kinder und den Jugendlichen, mit denen er arbeitete, noch erhalten wollte.
Diese seine menschen- und umweltfreundliche Grundeinstellung brachte ihn bei Männern und sicher auch bei einem Teil Frauen in den Verdacht, nichts „Wirkliches“ zu wollen. Seine Eigenschaften - Mitgefühl für und Mitleid mit anderen, seine soziale Haltung, seine konservative Haltung gegenüber Dingen -, dies waren Eigenschaften, die „mann“ gerne Frauen überläßt und sie bei Männern als unmännlich schmäht. Ihm fehlten Eigenschaften wie Ehrgeiz, „leistungsorientiert“ und „zielstrebig“ - er war nebenbei ein eifriger taz-Leser und sicher von ihrem Geist im besten Sinne geprägt.
Ich hatte mir gewünscht, Rüdigers Nachruf auf der Frauenseite zu lesen und daß er von vielen beachtet würde! Übrigens hat er sich selbst ein kleines Denkmal gesetzt - am linken Ufer des Lietzensee gibt es einen etwa zehn Meter langen Gartenzaun aus vielen Schrotteilen kunstvoll zusammengeschweißt. Durch die Zweige einer Trauerweide vom anderen Ufer aus kann ich ihn sehen, verweilen und an Rüdiger, den Menschen-Freund denken.
Jula Dech
Wir haben die Freude gehabt, mit Rüdiger die letzten anderthalb Jahre im Jugendbildungsprojekt „Die Stadt-als -Schule“ zusammenzuarbeiten. Wir sind dankbar dafür, daß wir die Zeit mit ihm hatten, und fühlen uns sehr viel ärmer, seit es ihn nicht mehr gibt. Uns bleibt nur die Erinnerung an einen so lebensmutigen und liebevollen Menschen, wie es wenige gibt.
Gerda, Marianne, Sabine
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